Konzentration, jetzt. José Luis Rodriguez Zapatero bei einer Rede in Madrid, 30. Dezember 2009 (AFP)
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Feuertaufe für Madrid

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Spanien tritt seinen sechsmonatigen EU-Vorsitz mit einer doppelten Zielsetzung an: Eine Antwort auf die Wirtschaftskrise soll gefunden und der Vertrag von Lissabon endgültig umgesetzt werden. Doch die Tageszeitungen El País und EL Mundo sind geteilter Meinung über die Erfolgschancen einer geschwächten Regierung. Debatte.

Veröffentlicht am 4 Januar 2010
Konzentration, jetzt. José Luis Rodriguez Zapatero bei einer Rede in Madrid, 30. Dezember 2009 (AFP)

EL PAÍS: Kluger Anfang

Spanien übernimmt zum vierten Mal den Vorsitz der Europäischen Union. Bisher hatte die Regierung von José Luis Rodriguez Zapatero vorwiegend ihre eigenen Interessen im Auge (der Vorsitz sollte dem politischen Verschleiß entgegenwirken), doch in den letzten Wochen scheint sich dies zum Besseren gewendet zu haben. Derzeit braucht Europa vor allem ein europäistisches Engagement. Spanien muss die Anwendung des Vertrags von Lissabon einführen. Die Entscheidung, dem ständigen Präsidenten des Europäischen Rates, Herman van Rompuy, und dem Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, das politische Feld zu öffnen, war vernünftig. Und niemand kann der Regierung vorwerfen, in ihren Schatten zu treten, denn dies widerspräche dem Sinn, wenn nicht gar dem Inhalt des Vertrags von Lissabon.

Um der Krise zu entkommen und eine Erholung der Beschäftigungslage zu bewirken, so erklärte der Regierungschef, müsse die Koordination der Wirtschaftsstrategien Vorrang haben, ebenso wie die Maßnahmen zur Arbeitsbeschaffung und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, von der 22,5 Millionen Europäer betroffen sind. Keine einfache Aufgabe. Zu den schwierigsten Entscheidungen des Halbjahres gehört der Rückzug der steuerlichen Anreize, an welchen sich die Interessen und Meinungen der Mitgliedsstaaten scheiden.

Die EU wird die äußere Lähmung überwinden müssen, unter welcher sie seit mehreren Jahren leidet. Der Handlungsspielraum innerhalb dieses halben Jahres ist allerdings umso schwächer, da die EU auch ihren diplomatischen Dienst aufbauen und ihre Außenpolitik ausformulieren muss. Ein angemessener Terminplan wird hier über den Erfolg oder das Scheitern entscheiden, denn es stehen 2010 ein paar entscheidende internationale Termine an, wie etwa die Überarbeitung des Atomwaffensperrvertrags oder das neue Gipfeltreffen über den Klimawandel.

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EL MUNDO: Abgewerteter Vorsitz

Der Vorsitz der Europäischen Union ist eine große Verantwortung für unser Land, das nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon nun eine gemeinschaftliche Führungsrolle spielen muss. Unser Vorsitz war somit schon abgewertet, noch bevor er überhaupt begonnen hatte.

Erstens fällt er mit dem Amtsbeginn des ersten ständigen Präsidenten des Europäischen Rates, des Belgiers Van Rompuy, zusammen. Und letzterer soll in dieser neuen Situation der Kohabitation mit dem Turnus-Präsidenten José Luis Rodriguez Zapatero, dessen Aufgabe dadurch sehr undurchsichtig wird, das europäische Ruder führen.

Der Vertrag von Lissabon setzt auch voraus, dass wir auf diplomatischer Ebene als Land an Gewicht verlieren. Eines ist sicher: Die spanische Regierung hat eine wichtige Aufgabe, denn von ihrer Zusammenarbeit mit Van Rompuy, Ashton, der Kommission und dem EU-Parlament hängt ab, ob der neue Vertrag nun aus Europa einen effizienten, einstimmigen Entscheidungsträger auf internationaler Ebene macht.

Heute liegt die größte Herausforderung in der tiefen Krise, die unseren Kontinent befallen hat. Zapatero hat angekündigt, seine Priorität sei es, die verschiedenen Maßnahmen zur Überwindung der Rezession und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze zu koordinieren. Dennoch ist er den anderen europäischen Staatschefs gegenüber nur bedingt glaubwürdig in seiner Fähigkeit als Leader, da unser Land eine Arbeitslosenrate von 18 Prozent aufweist, also das Doppelte des europäischen Durchschnitts, und uns die Wirtschaftsindikatoren als Schlusslicht der 27 Mitgliedsstaaten platzieren. Wie könnten da die anderen Europäer unserem Regierungsoberhaupt vertrauen? Als Leiter von Verhandlungen über so entscheidende Fragen wie die Streichung der öffentlichen Wirtschaftsimpulse, die von Ländern wie Deutschland vertreten wird und die für Spanien eine richtige Katastrophe wäre, ist er nicht gerade bestens positioniert.

Abgesehen von der Wirtschaft ist Europa es sich schuldig, wieder ein wichtiger Entscheidungsträger bei der Regierung der Welt zu werden. Es kann nicht in seinem aktuellen Zustand der Bedeutungslosigkeit verharren, der in Kopenhagen ganz kläglich zum Ausdruck gekommen ist – als nämlich niemand hören wollte, was es zu sagen hatte.

Es besteht kein Zweifel, dass der EU-Vorsitz eine Staatsangelegenheit ist. Und so hat es auch die Opposition verstanden, allen voran die Volkspartei, die der Regierung ihre volle Unterstützung zugesichert hat.

WIRTSCHAFT

Zapatero appelliert an seine Weisen

Der spanische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero sucht während des spanischen EU-Vorsitzes "nach Rat, um sein Hauptziel zu erreichen", nämlich die "Festigung des europäischen wirtschaftlichen Regelungssystems". Um der Krise entgegenzutreten, so El País, appelliert Zapatero an Jacques Delors, den ehemaligen Präsidenten der EU-Kommission, Pedro Solbes, ehemaliger Wirtschaftskommissar und ehemaliger spanischer Wirtschafts-Vizepräsident, und Felipe González, ehemaliger spanischer Ministerpräsident und Präsident der 2008 gegründeten Reflexionsgruppe über die Zukunft der EU.

Die Tageszeitung erklärt, Zapatero, ein "Bewunderer Delors’'", wolle die "Gruppe der Weisen", die am 5. Januar zum ersten Mal zusammentritt, zu regelmäßigen Treffen zusammenbringen. Für den Analysten Xavier Vidal-Foch könnte Jacques Delors, der "Vater des Euro", der "immer bereut habe", dass die Währungsunion nicht durch eine echte Wirtschaftsunion ergänzt wurde, seine Erfahrung in drei "entscheidenden Erfolgen" der EU einbringen: die Einheitswährung, die Aufhebung der Zölle im Binnenmarkt sowie die soziale und territoriale Ausgleichspolitik.

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