Für die Banken sterben? Nein danke!

Soll Brüssel die Rettung bankrotter Banken unterstützen? Nein, findet ein rumänischer Jurist, denn die Aufrechterhaltung des Wohlfahrtstaats ist wichtiger. Als Beispiel nennt er die Isländer, die sich dafür entschieden haben, die Rettung ihrer Banken nicht zu finanzieren.

Veröffentlicht am 10 Dezember 2010 um 17:00

Von Oktober 2008 bis Oktober 2009 bewilligte die Europäische Kommission staatliche Hilfsgelder für Banken in Höhe von 4.589 Milliarden Euro, was dem Bruttoinlandprodukt Rumäniens für 45 Jahre entspricht. Es ist nicht bekannt, wie viele dieser staatlichen Hilfen unbemerkt geblieben sind, denn die Kommission ging mit diesen Finanzierungen (zu) großzügig um. Tausend Milliarden Euro wurden 2008 zur Rettung der Banken ausgegeben, 2009 waren es 250 Millionen. Innerhalb desselben Zeitraums beliefen sich die bewilligten staatlichen Hilfen für alle anderen Wirtschaftsbereiche zusammen auf 73 Milliarden Euro (also 60 Mal weniger).

Diese staatlichen Hilfen sind eine Unterstützung, die den Unternehmen von öffentlichen Behörden mit öffentlichen Geldern gewährt wird. Sie werden infolge administrativer Beschlüsse und grundsätzlich wettbewerbswidriger, undurchsichtiger Entscheidungen ausgezahlt, zu denen die Bürger nicht befragt werden. Ganz ohne sein Wissen ist der europäische Steuerzahler in diese kaum noch legitimen Bemühungen, die Banken vor dem Bankrott zu retten, eingebunden.

Der Bürger hat auch Rechte, nicht nur Pflichten

Der Steuerzahler beschränkt sich nicht nur darauf, Steuern zu zahlen, er ist auch Bürger. Und der Bürger hat Rechte, nicht nur Pflichten. Bevor man ihn für solidarisch mit den verschuldeten, knapp vor dem Zusammenbruch stehenden Banken erklärt und bevor man ihn mit den in ihren Tricks enthaltenen Risiken verbindet, muss der Bürger erst sicher sein – oder zumindest eine berechtigte Hoffnung hegen können –, dass auch seine Rechte gewahrt werden.

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Wir sind bereit, Steuern und Abgaben zu zahlen, weil wir vom Staat erwarten, dass er im Gegenzug die Systeme für Bildung, Gesundheit, öffentliche Ordnung, Justiz und Verteidigung korrekt und rechtzeitig finanziert. Dadurch, dass alle diese Systeme heute beträchtliche Defizite aufweisen, weil der Staat die Rettung der bankrotten Banken für wichtiger befunden hat, bekommen die Bürger das Gefühl, ihre Pflicht des Steuerzahlens sei hinfällig geworden. Wir wollen keine Steuern zahlen, damit der Staat sie in die schwarzen Löcher eines Finanzsystems wirft, das (immer noch) vom Motto „greed is good“ (dt.: Gier ist gut) geleitet wird.

Wir zahlen unsere Beiträge zu den Sozialversicherungssystemen, weil wir erwarten, dass diese Systeme uns, falls wir sie brauchen, mit Geld und Sozialleistungen behilflich sein werden und wir somit eine schwierige Situation überwinden oder im Fall von Arbeitsunfähigkeit, Krankheit, Erziehungsurlaub, Unfall usw. eine annehmbare Existenz führen können. Diese Sozialleistungen, die lange im Voraus von den Beitragszahlenden finanziert werden, sind wichtiger als die Notwendigkeit, ein Finanzsystem zu retten, welches für seine eigene Krise verantwortlich ist und im Großen und Ganzen sowieso an den staatlichen Hilfsgeldern verdient: durch diverse Trading-Mauscheleien an den Devisenmärkten oder durch Jonglieren mit virtuellem Geld.

Die Banken und ihre Gläubiger, darunter auch die Anleiheninhaber, müssen für das Risiko schlechter Anlagen aufkommen. Sie sind doch die Fachleute, die das Risiko einer Anlage sowie die nötigen Ressourcen, um dieses Risiko zu tragen, beurteilen können. Sie spekulieren ja sogar über die Entwicklung der Dinge und akzeptieren die Möglichkeit, jederzeit zu verlieren, also können und dürfen sie nicht in Schutz genommen werden. Privatpersonen hingegen haben nicht dieselben Mittel wie die Banken. Aus diesem Grund sind sie alleine (als Investoren, Sparer, Verbraucher oder Steuerzahler) Gegenstand der Schutzgesetze.

Die Rettung der irischen Banken brachte das Defizit auf 32% des BIP

Die Banken sind nicht die einzigen Gläubiger des Staates: auch die Bürger sind es. Die Bürger sind als Gläubiger sogar viel bedeutender und zahlreicher. Zur Erinnerung: Irland hat nicht zugelassen, dass seine Banken pleite gehen, es hat sie gerettet und an ihrer Stelle rund 60 Milliarden Euro gezahlt (was das irische Defizit auf 32% des BIP brachte). Heute ist Irland als Staat insolvent und wird nicht mehr von den irischen Bürgern, sondern von seinen finanziellen Gläubigern kontrolliert. Island hingegen hat den Konkurs aller seiner Banken geduldet. Ihre Schulden werden somit von ihren eigenen Gläubigern getragen. Die Isländer selbst wurden nicht direkt betroffen, obwohl sie natürlich von der Krise selbst auch erfasst wurden.

Island veranstaltete sogar eine Volksbefragung, bei welcher die Bürger die Rettung der Banken ablehnten. Sie hatten sich von Ausdrücken wie „too big to fail“ (dt.: zu groß um zu scheitern), mit denen man sie manipulieren wollte, nicht beeindrucken lassen. Der isländische Präsident Olafur Grimsson sagte damals: „Wie könnten wir die Leute für die Fehler der Banker bezahlen lassen?“ Das ist eine gute Frage für einen Präsidenten, für einen Ministerpräsidenten, für einen Gouverneur. In Rumänien, und überall sonst auch.

Aus dem Französischen von Patricia Lux-Martel

Island

Den Haag und London geben Rejkjavik Aufschub

Island, Großbritannien und die Niederlande haben ein neues Abkommen über Rejkjaviks Rückzahlung der von Den Haag und London im Jahr 2008 geliehenen rund 3,8 Milliarden Euro getroffen. Durch diese Anleihen sollten die Einlagen der niederländischen und britischen Staatsangehörigen bei der damals bankrott gegangenen isländischen Bank Icesave garantiert werden. Die Parteien haben nun beschlossen, dass „Islands Rückzahlungsfrist bis 2046“ gehen wird, wie die Trouw titelt. Die niederländische Tageszeitung erinnert daran, dass ein erstes Abkommen im vergangenen Januar von den Isländern durch ein Referendum abgelehnt wurde. Das neue Abkommen sieht vor, dass Island ab 2016 den Kredit der Niederlande über 1,3 Milliarden Euro zum Zinssatz von 3% und den Kredit von Großbritannien über 2,5 Milliarden Euro zu 3,3% auf 30 Jahre zurückzahlen muss. Eine Lösung, die von der Trouw als „ausgeglichen“ bezeichnet wird, angesichts der Tatsache, so die Zeitung, dass Island die Krise noch nicht überwunden hat.

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