Vereint, ohne Europa. Foto: Adam Gault

Gemeinsam sind andere stark

Eine gute Nachricht: Auf dem asiatischen oder amerikanischen Kontinent entstehen immer mehr Staatengemeinschaften nach dem Vorbild der EU. Eine schlechte Nachricht: Längerfristig könnten sie die EU in den Schatten stellen.

Veröffentlicht am 9 Februar 2010 um 14:31
Vereint, ohne Europa. Foto: Adam Gault

Viermal mehr Einwohner als in den 27 EU-Staaten, eine Oberfläche von 14 Millionen km2 und ein BIP von mehr als 6000 Milliarden Dollar: Das sind die Ziffern der neuen Freihandelszone zwischen China und den ASEAN-Staaten (Verband Südostasiatischer Staaten) darunter Indonesien, Singapur und Thailand.

Peking zeigt somit, dass man künftig eher mit seinen Nachbarn zusammenarbeiten möchte als sich mit ihnen zu zanken. 2013 könnte die China-ASEAN-Gruppe noch auf Japan, Südkorea, Indien, Australien und, trotz des Konflikts mit China, sogar Taiwan erweitert werden. In den kommenden zwanzig, dreißig Jahren werde die mächtigste Staatengemeinschaft auf dem Boden Asiens entstehen, die Freihandelszone sei nur ein erster Schritt in diese Richtung, versichert Krzysztof Rybinski, Professor an der Handelshochschule Warschau.

Wirtschaftliches Gegengewicht

Man kann sich auch fragen, welche Anziehungskraft die Union von Weißrussland, Russland und Kasachstans besitzen wird, die am 1. Januar ins Leben gerufen wurde. Diese Länder, bereits Mitglieder der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWAG), verbindet derzeit nur eine Zollunion. Das erklärte Ziel, ein Gegengewicht zur EU zu werden, soll jedoch weitere Ex-Sowjetrepubliken anziehen. Die fehlende Logik beim Handeln, unvorteilhafte Steuersysteme, und eine erdrückende Bürokratie lassen aber bis dato alle Versuche, die Zusammenarbeit innerhalb der EWAG wieder zu stimulieren, scheitern.

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Dass die EWAG keinen ernstzunehmenden Konkurrenten für die EU darstellt, ist nur ein schwacher Trost. Die Wirtschaft der EU ist wie ein Athlet, der vom Krafttraining auf eine McDonalds-Diät umgestiegen ist. Seit mehreren Jahren ist die Außenhandelsbilanz der EU negativ: man kauft mehr als man verkauft. Das BIP hingegen ist gigantisch, 19000 Milliarden Dollar, selbst bei einem zurückgehendem Wachstumsanstieg (0,5 Prozent 2009 gegenüber 3 Prozent 2006). Ein Ergebnis schlechter Prioritätensetzung: man wollte die politische Integration bevor die wirtschaftliche beendet war.

Das NAFTA-BIP zieht mit EU gleich

Die anfängliche Erfolgsgeschichte der Union, verleitete zahlreiche Regionen der Welt zu Bündnissen nach ihrem Vorbild. Viele davon werden erst in einigen Jahrzehnten ein wirkliches Gewicht besitzen, doch schafften sie es bereits, sich auf Märkten durchzusetzen, in denen ehedem die EU dominierte. Der Internationale Währungsfond (IWF) schätzt, dass der Anteil der EU im weltweiten BIP bis 2014 von 30 Prozent auf 25 Prozent sinken wird. NAFTA, das Freihandelsabkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada hat bereits ein mit der EU vergleichbares BIP vorzuweisen, aber mit einem schnelleren Wachstum, selbst in Krisenzeiten. Die Stärke des NAFTA liegt nicht nur in der Zollunion, sondern auch in einer Politik, die Investitionen innerhalb der Mitgliedsstaaten fördert.

Wenn auch nicht perfekt (unter anderem aufgrund der Emigrationspolitik der USA, die den freien Personenverkehr ablehnt) hat das NAFTA den Ehrgeiz, zur Wirtschaftsunion der beiden amerikanischen Kontinente aufzusteigen. Man redete gar von einer gemeinsamen Währung, dem "Amero". Heute ist eine Erweiterung dieser Union auf Staaten Südamerikas nicht denkbar. Grund: Diese Länder haben ihr eigenes, mächtiges Staatenbündnis geschlossen. Bereits 1969 unterzeichneten Peru, Bolivien, Ecuador und Kolumbien den Andenpakt. Mit den Mercosur-Staaten (mit Brasilien und Argentinien an der Spitze) entstand so 2008 die Union Südamerikanischer Staaten, UNASUR. Ziel: Lateinamerika nach europäischem Vorbild zu vereinigen. Die UNASUR braucht sicher noch Zeit, bevor sie zu einem seriösen Konkurrenten wird, zu häufig wird Südamerika von Wirtschaftskrisen gebeutelt. Dennoch ist Brasilien ein mächtiges Land mit einer zuverlässigen Wirtschaftspolitik, stellt Krzysztof Rybinski fest.

Herausforderung islamisches Finanzwesen

Ähnlich sieht es in Afrika aus. Ohne ihre Agrarsubventionen könnte die EU den billigen afrikanischen Produkten nicht standhalten. Der afrikanische Außenhandel bleibt also auf niedrigem Niveau. Bewaffnete Konflikte, fehlende Technologie und ein riesiger Schuldenberg sind der Grund für einen Rückstand von mehreren Jahrzehnten. Ein Hoffnungsschimmer für Afrika kommt heute aus Asien. Indien und China schicken keine Entwicklungshelfer sondern Manager in afrikanische Länder. Mehr als 80 Milliarden Dollar haben sie in den letzten Jahren dort investiert.

Auch der Golf-Kooperationsrat(engl.: GCC) wird zu einem Hauptakteur. Sollten die Mitglieder ihre Petrodollars in Technologie und Finanz investieren, hängt die Wirtschaft der Golfstaaten nicht mehr allein vom Erdöl ab. Sie könnten die Weltmärkte dominieren. Die konkreten Vorteile des von den Golfstaaten geförderten islamischen Finanzwesens nach Scharia-Recht (das beispielsweise den "Wucher", sprich die Verzinsung von Krediten, verbietet) bleibt aber noch nachzuweisen. Doch wer weiß, vielleicht werden diese neuen Werte in der Weltwirtschaft durchsetzen.

Europäische Institutionen

Mongolischer Staatspräsident sucht Ansprechpartner

Die Welt sei tief verstört über das Nach-Lissabon-Europa, schreibt Ian Traynor im Guardian. Das Inkrafttreten des neun Jahre lang vorbereiteten Vertrags sollte "Europas Maläse heilen", indem "eine starke, kohärente Führung" eingesetzt wurde, doch statt dessen gebe es nun "Revierkämpfe und Präsidentschaftsrivalen" zwischen Herman Van Rompuy, José Manuel Barroso an der Kommission, Jorge Luis Zapatero am wechselnden EU-Vorsitz und Jerzy Buzek am EU-Parlament, die alle ihre Ellenbogen gebrauchen. Als der mongolische Staatspräsident Tsachiagiin Elbegdordsch letzte Woche einen Besuch in Brüssel abstattete, war er ganz durcheinander angesichts der vielen *"europäischen Präsidenten*", mit denen er sich protokollgemäß treffen musste. Ein hoher EU-Diplomat beschreibt die Situation als "viel Händeringen und Herumzicken. Keiner gelangt zur führenden Position. Es ist ganz und gar kein schönes Bild und sieht für den Rest der Welt einfach lächerlich aus."

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