Immer mehr Protestwähler

Der Erfolg der Anti-Euro-Parteien in den Mitgliedsländern könnte bei den Europawahlen im Mai 2014 zu einer euroskeptischen Welle führen. Ihre Schlüsselthemen Einwanderung, Sparpolitik und die Ablehnung von Brüssel beherrschen bereits heute die Wahlkampagnen.

Veröffentlicht am 7 Oktober 2013 um 11:33

Der Durchbruch der Anti-Euro-Partei in Deutschland, der Vorstoß der Rechtsextremisten in Österreich, der Druck der von Nigel Farage angeführten Euro-Gegner auf die britischen Konservativen und das der Sparpolitik geschuldete Wahldesaster der portugiesischen Regierungspartei bei den Kommunalwahlen deuten auf einen Wahlkampf für die Europawahlen im Mai 2014 hin, in dem die eurofeindlichen Gruppierungen dominieren dürften.

Zu den klassischen Anti-Immigrations- und Anti-Brüssel-Stimmen, die bei den letzten Wahlen für eine euroskeptische Welle sorgten, gesellt sich nun eine Anti-Merkel- und Anti-Troika-Front, die seit Beginn der Euro-Krise und durch die wiederholten Sparpläne immer weiter gewachsen ist. Diese „Anti”-Gruppen haben auch gemeinsame Nenner. So sind die Euroskeptiker über die Entwicklung der Einwanderung beunruhigt und die Sparpolitik führt zur Ablehnung eines freien Europas.

Während die Regierungsparteien ihr Augenmerk eher auf die nationalen als auf die europäischen Wahlen mit niedriger Beteiligung legen, setzen die „Anti” auf den Urnengang vom 22. und 25. Mai 2014, um ihren Einfluss gelten zu machen, denn das Europäische Parlament gewinnt momentan an Macht.

Wasser auf die Mühlen der Randparteien

Der Parteichef der „United Kingdom Indepence Party” (UKIP) Nigel Farage will die Europawahlen nutzen, um seine Ansichten in Großbritannien durchzusetzen und die Machtverhältnisse in Brüssel zu kippen. Das gleiche Ziel verfolgen die Partei der „Wahren Finnen”, die französische „Front National” (FN), Beppe Grillo in Italien und die größte griechische Oppositionspartei „Syriza”. Sie hoffen auf die „Anti”-Stimmen, die bei dieser Wahl deutlicher zum Ausdruck kommen. „Von den Europawahlen profitieren traditionsgemäß die Randparteien, erklärt der Politikwissenschaftler Dominique Reynié. Es handelt sich um Verhältniswahlen und die Beteiligung ist niedrig, vor allem bei der gemäßigten Wählerschaft.”

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[[Die Zutaten für den Cocktail sind bekannt: Einwanderung, Bürokratie und Sparpolitik – eine explosive Mischung]]. Die Polemik in Frankreich über die Roma zeigt, dass sich der Wahlkampf besonders um die Problematik der Einwanderung nach Europa und innerhalb der Union drehen wird. Die Rechtsextremisten Dänemarks, Griechenlands, der Niederlande, Österreichs und Frankreichs haben sich das Thema auf die Fahnen geschrieben.

Es wird auch gern von den Euroskeptikern der UKIP oder der neuen Anti-Euro-Partei „Alternative für Deutschland” (AfD) aufgegriffen. Für die unter der Krise leidenden Europäer stellt der freie Personenverkehr eine Gefahr für ihre Arbeitsplätze dar. An die Stelle des polnischen Klempners tritt der rumänische oder bulgarische Arbeiter.

Nährboden Eurokrise

Der Euroskeptizismus profitiert von der Krise. Angeprangert wird nicht mehr nur die Brüsseler Bürokratie, sondern auch das schlechte Finanzmanagement. „Seit Beginn der Schuldenkrise sind die südeuropäischen Länder überzeugt, dass Berlin für ihre Misere verantwortlich ist. Die nordeuropäischen Länder glauben dagegen, dass sie von Brüssel gezwungen werden, dem Süden Geld zu geben”, erklärt der Abgeordnete der „Europäischen Volkspartei” (EVP) Alain Lamassoure. Die Partei der „Wahren Finnen” und die holländische „Partei für die Freiheit” von Geert Wilders, die in Umfragen auf 30 Prozent kommt, begründen ihren Euroskeptizismus mit der Griechenlandhilfe.

[[Mit der Krise hat sich zusätzlich eine Anti-Merkel- und Anti-Troika-Front herausgebildet, die in den südeuropäischen Ländern sowohl im linken wie im rechtsextremen Flügel Zuspruch genießt]]. In Griechenland stützen sich die „Syriza” und die populistische Partei der Unabhängigen Griechen auf die breite Ablehnung der von Brüssel und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) auferlegten Sparmaßnahmen, um sich in Straßburg durchzusetzen. In Spanien hat die Bewegung der Indignados eine Liste für die Wahlen im kommenden Mai angekündigt.

Ernste Gefahr für die EU

„Das europäische Projekt ist stark gefährdet, räumt die Vize-Präsidentin des Parlaments und Abgeordnete der griechischen Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok) Anni Podimata ein. Die anti-europäische Haltung nimmt stark zu. Die Parteien sollten mehr zu Europa stehen.” Bisher hatten die eher zersplitterten rechtextremen und euroskeptischen Bewegungen ein nur sehr begrenztes Gewicht im Europäischen Parlament.

Die Mitglieder der FN sind nicht vertreten. Aber andere Bewegungen finden sich in der Fraktion „Europa der Freiheit und der Demokratie” unter Nigel Farage und den Mitgliedern der „Lega Nord” wieder. Die FN strebt eine Zusammenarbeit mit der österreichischen FPÖ an, die bei den Parlamentswahlen vom 29. September über 20 Prozent der Stimmen erhielt.

„Zwischen einem Viertel und einem Drittel der Abgeordneten würden bei allem mit „nein” stimmen. Damit wäre die Arbeit des Parlaments zwar nicht blockiert, aber der Zusammenhalt von EVP und Sozialdemokraten wird immer wichtiger”, glaubt Lamassoure. Beide Parteien haben auf sie ausgerichtete Kampagnen angekündigt, aber der Wahlkampfstart der Sozialdemokraten fällt mit der Entscheidung der SPD zusammen, an einer Merkelregierung mitzuwirken.

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