Zu Weihnachten schenkte die Chefin des IWF Christine Lagarde der deutschen Bundeskanzlerin ein kleines Schmuckstück von Hermès. Merkel hatte auch ein Geschenk für Lagarde dabei: eine Beethoven-CD der Berliner Philharmoniker.
Allerdings wird die persönliche Beziehung der beiden Frauen auf die Probe gestellt, nun, da der IWF nach zwei Jahren intensiver Auseinandersetzung mit dem europäischen Krisenmanagement, damit beginnt, seinen Unmut zum Ausdruck zu bringen.
Unklar bleibt, ob China, Kanada oder Brasilien mit auf die Brücke kommen, denn der IWF von vor einem Jahr ist ein ganz anderer als der von heute. Für Dominique Strauss-Kahn war die Glanzrolle des „Euro-Retters“ eine Chance, denn er wollte Frankreichs neuer Präsident werden. Mit Christine Lagarde ist der IWF ein „weniger stabiler Partner“ geworden, wie es ein EU-Beamter formuliert.
Die unterschiedlichen Persönlichkeiten, hier der Wirtschaftspolitiker „DSK“ — der im Mai 2011 nach dem Vergewaltigungsskandal zurücktrat — dort die Anwältin und Managerin Christine Lagarde, die sein Amt übernahm, können diese Veränderungen nur zum Teil erklären.
IWF, in der Eurozone immer ein „Juniorpartner“
Zu allererst wurde der IWF allmählich immer unglücklicher über seine Rolle innerhalb der Troika mit EZB und EU-Kommission. Operiert der IWF gewöhnlich immer eigenständig, so ist er in der Eurozone zum „Juniorpartner“ geworden.
Die Europäer in der Troika sind sehr strikt: Ihr Hauptauftraggeber ist Deutschland. Bei Meinungsverschiedenheiten ist der IWF oftmals das einzige Mitglied der Troika, welches auf Seite der Griechen steht.
„Der IWF hätte niemals in solch eine Situation geraten sollen“, meint Charles Wyplosz, vom Graduate Institute in Genf. „Der IWF ist im politischen Bad ertrunken.“
Bereits unter Dominique Strauss-Kahn protestierten die nicht-europäischen Länder dagegen. Auch intern gab es Kritik. Aber die Nummer Zwei beim IWF, der Amerikaner John Lipsky, war für seinen geschickten Vorgesetzen kein Gegenspieler.
Der IWF-Direktor für Europa, der ehemalige Vizegouverneur der portugiesischen Nationalbank Antonio Borges, widersprach seinem Chef auch nie. Ein Portugiese, der sich um Portugal kümmert — auch das eine Entscheidung Strauss-Kahns.
Strauss-Kahn entschied alles. Er rief bei den Staatschefs an, saß bei EU-Gipfeln mit am Tisch. Er hatte viel Einfluss auf die Bundeskanzlerin. Er stieg gerade in ein Flugzeug nach Berlin, als er verhaftet wurde. Merkel war geschockt. „Die Lage ist ernst“, sagte sie, als sie die Vorwürfe hörte, „aber ich brauche ihn!“
Kurz nach Strauss-Kahn ging auch Lipsky. Dessen Nachfolger, David Lipton ist laut Charles Wyplosz „sehr mächtig. Er arbeitet unter Clinton und Obama. Er verkörpert das Weiße Haus. Lipton denkt, dass nichts, was die Europäer in der Krise tun, etwas taugt.“
Lagardes Abrechnung mit der deutschen Krisenpolitik
Im November entließ Lagarde Antonio Borges. Dessen Nachfolger ist der fähige iranisch-britische Reza Maghadam, der keine direkte Verbindung mit der Eurozone hat. Womit die Führung des IWF zunehmend angelsächsisch denkt, denn europäisch.
Briten und Amerikaner verstärken nun ihren Einfluss auf eine Krise, bei der zwei intellektuelle Strömungen aufeinanderprallen: Diejenigen, die Haushaltsdisziplin wollen und diejenigen, die sagen, das hätte für die Wirtschaft katastrophale Folgen. Angela Merkel gehört zur ersten Strömung, Christine Lagarde zur zweiten.
Christina Lagarde hat außerhalb des Rahmens der Troika ein Team nach Italien geschickt. Sie will, dass die europäischen Banken sich mehr Kapital beschaffen. Sie will eine Mega-Firewall. Und Euro-Bonds. Was in Europa für Irritationen sorgt. Als Christine Lagarde noch französische Wirtschaftsministerin war, plädierte sie bereits für einen starken Notfall-Fonds in Euro-Bonds. Damals konnte Merkel diese Frage noch beiseite schieben. Heute nicht mehr: Europa will Geld vom IWF.
Alle dieser Unterströmungen kamen jüngst wieder an die Oberfläche, als Lagarde in Berlin eine Rede hielt. Sie hatte zuvor mit Angela Merkel gegessen und ihr eine Kerze mit Orangenblütenduft mitgebracht. Das symbolisiere „Hoffnung“, sagte Lagarde später, „weil wir harte Diskussionen geführt haben.“ An jenem Abend konnte Merkel den Text der Lagarde-Rede in Voraus lesen: Er war eine lange Abrechnung mit der deutschen Euro-Politik.
Prognosen
IWF warnt EU-Regierungen
„IWF warnt vor möglichem Aus des Euro.“ Mit diesem Titel präsentiert iden am 17. April veröffentlichten IWF-Bericht zu den internationalen Wirtschaftsprognosen. Darin gibt der Internationale Währungsfonds den EU-Regierungen eine Reihe von Ratschlägen. Unter anderem fordert er „die Europäische Zentralbank zu weiteren Zinssenkungen [und die Staaten] zu weniger Sparsamkeit und zur Schaffung von Eurobonds auf“.
Allerdings verschweigt die Tageszeitung aus Lissabon nicht, dass
es laut dem IWF nicht gezwungenermaßen zu einem Zusammenbruch des Euro kommen muss. Dieses Jahr rechnet [der IWF] mit einem weltweiten Wirtschaftswachstum von 3,5 Prozent, im nächsten Jahr von 4,1 Prozent. Liest man das Dokument aber ganz genau und macht sich klar, was die Worte des obersten Ökonomen der Institution wirklich bedeuten, droht Europa akute Gefahr. [...] Was das für die Einheitswährung in der weltweit größten Wirtschaftsregion bedeutet? Es mangelt an mutigen und fortschrittlichen Maßnahmen zur Lösung der Krise. Genau das macht sich nun auch in der Art und Weise bemerkbar, wie der IWF mit Europa und ganz besonders mit der einflussreichen und alles anführenden Bundeskanzlerin Angela Merkel umgeht.
Laut einem Wirtschaftshistoriker lautet die von i zitierte Botschaft wie folgt:
Der IWF und die Vereinigten Staaten haben immer weniger Geduld mit Europa. Allerdings drehen sich ihre Meinungsverschiedenheiten gar nicht so sehr um die Wege aus der Krise. Vielmehr geht es um die Tatsache, dass die deutsche Regierung es nicht schafft, sich von einem gewissen Atavismus zu lösen, sondern stets im Sinne ihrer Wähler handelt.
Neben der Schaffung von Eurobonds appelliert der IWF „auch an die EZB“, die er dazu aufruft, „den europäischen Banken auch weiterhin Geld zu leihen“.