Falcó – torch on Europe

„Privatisierung von Gewinnen und Umverteilung von Verlusten“- drei skandinavische Umweltsünden

In unserer Presseschau in Zusammenarbeit mit Display Europe berichten wir diesen Monat über Umweltsünden in Skandinavien: vom Abfallskandal in Dänemark bis zu Norwegens umstrittener Entscheidung, dem Tiefseebergbau in der Arktis grünes Licht zu geben.

Veröffentlicht am 14 Februar 2024

Die Guardian-Autorin Miranda Bryant nennt es „eine der schlimmsten Umweltkatastrophen in der Geschichte des Landes” und meint damit die zwei Millionen Tonnen verseuchter Erde, die sich langsam auf das Dorf Ølst in der dänischen Region Jütland zuschieben und drohen, das lokale Ökosystem, einschließlich des Flusses Alling Å, zu zerstören. Die Anwohner befürchten, dass ihr Dorf „unter einer Masse aus Schlamm, Schlacke, Erde und Sand begraben wird, die durch tote und verfaulte Nerze verseucht ist", wie Rasmus Karkov in der dänischen Tageszeitung Berlingske schreibt. Der Schlamm stammt laut Angaben von The Local aus einer von Nordic Waste betriebenen Anlage, welche Abfälle verarbeitet, „die hauptsächlich aus Dänemarks Nerzfarmen stammen, die während der Covid-19-Pandemie geschlossen werden mussten. Dazu kommen importierte Abfälle aus Norwegen”. 

So weit, so skandalös, aber was jetzt kommt, ist vielleicht der eigentliche Grund dafür, warum diese Affäre als „Nordischer Abfallskandal” bezeichnet wird. Nachdem das Umweltministerium im Januar eine einstweilige Verfügung erlassen hatte, meldete Nordic Waste umgehend Konkurs an und hinterließ den dänischen Steuerzahlern eine erste Rechnung von rund 27 Millionen Euro. Das dänische Beratungsunternehmen COWI schätzt jedoch, dass die Sanierung am Ende über zwei Milliarden Kronen (über 268 Millionen Euro) kosten wird. Der britische Geowissenschaftler Dave Petley bezeichnete die Angelegenheit daher als „klassischen Fall von Privatisierung der Gewinne und Umverteilung der Verluste.” Dazu berichtet der geologische Dienst von Dänemark und Grönland (GEUS), dass die verseuchte Schlammlawine sich bereits 2021 in Bewegung gesetzt, sich aber erst in den letzten Monaten beschleunigt hat.

Torben Ostergaard-Nielsen, der größte Aktionär von Nordic Waste, ist mit einem geschätzten Nettovermögen von über 5,5 Milliarden Euro der sechstreichste Mann Dänemarks.  Lone Andersen und Jesper Høberg haben für die Onlineplattform Finans den dänischen Milliardär Bent Jensen zu dem Skandal befragt und seiner Meinung nach ist das alles keine große Sache für Ostergaard-Nielsen: „Wenn man so viele Milliarden besitzt, spielt es da noch eine Rolle, 2 Milliarden auszugeben, um hinter sich aufzuräumen?” Den Fall herunterzuspielen scheint auch Dänemarks sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. Angesprochen auf den Konkurs von Nordic Waste während eines Besuchs der Baustelle, die sie als „andauernde Katastrophe” bezeichnete, sagte sie gegenüber The Local Denmark: "Mir fällt auch nichts Gutes mehr dazu ein. Die Rechnung hätte leicht bezahlt werden können, wenn [Nordic Waste] es gewollt hätte.”

Die beiden Journalisten haben in ihrem Artikel auch die anderen neun reichsten Menschen Dänemarks (einschließlich der Lego-Familie) befragt, ob sie es als ihre „moralische und soziale Verantwortung ansehen, zur Säuberung der Schlammlawine und zur Prävention [solcher Umweltkatastrophen] beizutragen”. Mehrere dieser Milliardäre sagten darauf, dass sie die Fragen der Journalisten nicht beantworten wollten und der Rest hat einfach gar nicht reagiert.


Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Dem Ganzen die Krone aufgesetzt hat Nordic Waste-Gründer David Peter York. Er hatte  auf Amtavidsen damit geprahlt, die gefährdete Region zu „Dänemarks führendem Projekt für nachhaltige Umwelt- und Abfallwirtschaft mit Schwerpunkt Recycling” zu machen. Und das zu einem Zeitpunkt, als Berichte bereits auf die drohende Umweltgefahr durch seine Anlage hingewiesen hatten. Wie Rasmus Karkov in Berlingske erklärt, zog York in seinen Reden sämtliche „Register der ökologischen Verantwortung” und hat mit mehreren grünen Unternehmen in der Region zusammengearbeitet. Am Ende jedoch kam hinter der glatten, grün gewaschenen Fassade aber nichts als eine riesige, verseuchte Schlammlawine hervor.  

Der Nordic Waste-Skandal ist nicht die einzige drohende Umweltkatastrophe in Dänemark. Mads Lorenzen und Kresten Andersen sprechen in Finans von einer „tickenden Umweltbombe in dänischen Gewässern”. Dabei handelt es sich um die so genannte „Schattenflotte” russischer und griechischer Schiffe, die sanktioniertes Öl aus Russland durch die dänischen Meerengen transportieren. 

Newsweek berichtet, dass sich viele Dänen Sorgen darüber machen, wie Russland derzeit trickst, um die Sanktionen zu umgehen. Nicht für alle besteht die Hauptsorge darin, dass diese Tricks auch der Umwelt schaden könnten und das, obwohl die Gefahr groß ist. Denn abgesehen von ihrer undurchsichtigen Herkunft sind die fraglichen Tankschiffe oft alt und nicht vollständig versichert. Dazu kommt, dass die Besatzung wenig Erfahrung mit den viel befahrenen und turbulenten dänischen Gewässern hat, was den dänischen Rechnungshof dazu veranlasst hat, einen Bericht zu veröffentlichen, in dem die mangelnde Vorbereitung des Verteidigungsministeriums auf einen Öl- oder Chemieunfall aufgezeigt wird. 

Anhand eines amüsanten Beispiels erklären Lorenzen und Andersen, wie langsam eine Säuberungsaktion manchmal vonstattengehen kann. „Vor drei Jahren dauerte es 27 Stunden, bis ein Einsatzschiff den Unfallort erreichte. Glücklicherweise handelte es sich damals nur um einen betrunkenen Kapitän auf einem relativ unversehrten Schiff, das mit Düngemitteln beladen war.” Weniger amüsant dagegen ist, dass die Flotte des dänischen Verteidigungsministeriums bereits 1996 veraltet war. Das National Audit Office hatte dazu bereits 2016 eine Warnung ausgesprochen. Michelle Bockmann von Lloyd's List Intelligence bezeichnet die Situation daher als „eine Katastrophe, die nur darauf wartet, einzutreten”.

Die zwielichtige Herkunft und der ungeklärte Versicherungsstatus dieser Schiffe stellen auch eine finanzielle Gefahr dar. Im Falle einer Katastrophe könnten die Dänen (wieder einmal) für die Kosten aufkommen. Der dänische Autor und Mitte-Links-Politiker Christian Friis Bach fordert daher, dass Dänemark seine Opt-out-Klausel abschafft, damit das EU-Recht zur Bekämpfung von Umweltkriminalität mit härteren Strafen angewandt werden kann und das Land bei der Verfolgung von Kriminellen über die Landesgrenzen hinweg unterstützt wird, wie The Local Denmark berichtet. „Zwar hilft das nicht viel gegen Russen, die nicht in der EU sind, aber es ist ein guter Anfang”, erklärt Bach gegenüber Finans.   

Weiter nördlich scheint Norwegen gerade das zu begehen, was Umweltschützer (und eine wachsende Zahl nationaler und internationaler Institutionen) als Ökozid bezeichnen. Mitglieder von Seas at Risk und Ecocide Alliance warnen im EUObserver davor, dass Norwegens Entscheidung Tiefseebergbau in der Arktis zuzulassen, eine „dauerhafte Störungen der Klimastabilität und der Meeresgesundheit” verursachen wird. Für die Autoren erfüllt Norwegens Entscheidung alle juristische Kriterien von Ökozid, also „rechtswidrige oder mutwillige Handlungen, die in dem Wissen begangen werden, dass eine Wahrscheinlichkeit besteht, dass durch diese Handlungen schwere oder weit verbreitete oder langfristige Schäden an der Umwelt verursacht werden.” Auf dieser Grundlage argumentieren die Autoren, dass die Europäische Union und die internationale Gemeinschaft Norwegen auffordern sollten, seine Entscheidung rückgängig zu machen. 

Wie Reporterre berichtet, hat das Europäische Parlament am 7. Februar tatsächlich eine Resolution verabschiedet, in der Norwegen aufgefordert wird, die arktischen Ökosysteme zu schützen und ein Moratorium für den Tiefseebergbau auszusprechen. Greenpeace Frankreich hat die Resolution als Sieg bezeichnet, doch es bleibt abzuwarten, ob Norwegen sich dem internationalen Druck beugt. Bisher hat das Land die Bedenken von Wissenschaftlern, Bürgern und der norwegischen Umweltbehörde jedenfalls in den Wind geschlagen und eine von über 500.000 Menschen unterzeichnete Petition ignoriert.   

In Zusammenarbeit mit Display Europe, kofinanziert von der Europäischen Union. Die geäußerten Ansichten und Meinungen sind jedoch ausschließlich die des Autors/der Autoren und spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Union oder der Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologie wider. Weder die Europäische Union noch die Bewilligungsbehörde können für sie verantwortlich gemacht werden.
ECF, Display Europe, European Union

Interessiert Sie dieser Artikel?

Er ist dank der Unterstützung unserer Community frei zugänglich. Die Veröffentlichung und Übersetzung unserer Artikel kostet Geld. Um Sie weiterhin unabhängig informieren zu können, brauchen wir Ihre Unterstützung.

Abonnieren oder Spenden

Sie konnten diesen Artikel in voller Länge lesen.

Möchten Sie unsere Arbeit unterstützen? Voxeurop ist auf die Abonnements und Spenden seiner Leserschaft angewiesen.

Informieren Sie sich über unsere Angebote ab 6 € pro Monat und die exklusiven Vorteile für unsere Abonnierenden.
Abonnieren

Oder stärken Sie unsere Unabhängigkeit mit einer Spende.
Spenden

Seit den 1980er Jahren und der Finanzialisierung der Wirtschaft haben uns die Akteure der Finanzwirtschaft gelehrt, dass sich hinter jeder Gesetzeslücke eine kurzfristige Gewinnmöglichkeit verbirgt. All das und mehr diskutieren wir mit unseren Investigativ-Journalisten Stefano Valentino und Giorgio Michalopoulos. Sie haben für Voxeurop die dunklen Seiten der grünen Finanzwelt aufgedeckt und wurden für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet.

Veranstaltung ansehen >

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie Journalismus, der nicht an Grenzen Halt macht.

Nutzen Sie unsere Abo-Angebote oder stärken Sie unsere Unabhängigkeit durch eine Spende.

Zum gleichen Thema