Ohne Wall Street geht’s nicht

Es ist der zentrale Streitpunkt dieser Tage: Sollen private Anleger sich an den Rettungsaktionen für die Schuldenländer beteiligen? Deutschland vertritt diese Ansicht, vor allem mit Blick auf seine Parlamentarier, und führt die EU damit in eine Politik, die diejenigen vertreibt, die Union dringenst braucht: die Finanziers.

Veröffentlicht am 14 Juli 2011 um 14:42

Man sieht diese Krise nicht, und das ist das Gefährliche an ihr. Zigtausend Bundesbürger verbringen in diesen Tagen ihren Urlaub in Italien, sie entspannen am Strand von Viareggio oder bummeln durch die Straßen von Florenz. Sie sehen keine Massendemonstrationen wie noch vor Wochen in Athen und Madrid. Sie sehen auch keine Hassplakate gegen Deutsche wie in Dublin oder Lissabon.

Man sieht als Gast nicht sofort, ob ein Land vor dem wirtschaftlichen Kollaps steht. Ob diesem Land das Geld auszugehen droht. Ob sich überhaupt noch Geldgeber finden. Man sieht die Bedrohung nicht – selbst wenn es um die Zukunft eines ganzen Kontinents geht.

Seit dem Wochenbeginn befinden sich italienische Staatsanleihen im freien Fall. Die internationalen Geldgeber ziehen ihr Kapital ab, so rasch und so massiv, dass es auch die Insider an den Finanzmärkten überrascht. Es stimmt zwar: Italiens Wirtschaft war innerhalb der Euro-Zone immer ein Wackelkandidat. Aber Italien war eben immer auch der Beleg dafür, dass ein Land mit großen Problemen sich irgendwie durchwursteln kann. Dass es trotz hoher Schulden und latenter Regierungskrisen als vertrauenswürdig gelten kann – bei Touristen und Investoren.

Gemäß den Regeln hätte Italien den Euro niemals bekommen dürfen. Die Schuldenlast lag und liegt bei 120 Prozent der italienischen Wirtschaftsleistung – doppelt so viel wie erlaubt. Aber dem Gründungsmitglied der EU die Gemeinschaftswährung vorzuenthalten galt als politisch unmöglich. Die Europäische Kommission begnügte sich damals mit der Erwartung, dass die Schuldenquote fortan „rascher sinken“ werde. Das tat sie nicht.

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Nun wackelt der ewige Wackelkandidat. Und wenn auf einmal das Undenkbare denkbar wird – die Staatspleite Italiens –, dann rückt auch die ganz große Katastrophe näher: das Ende des Euro.

Denn fällt Italien, gibt es kein Halten mehr. Lesen Sie den ganzen Artikel auf der Website der Zeit...

Aus Deutschland

Wir sinken

Angela Merkel und Nicolas Sarkozy klammern sich an einen treibenden Koffer, Giorgos Papandreou geht hinter ihnen gerade unter, und am Horizont sinkt die MS Europa gleich einer Titanic. „Abschied von Europa“, titelt das Handelsblatt. Die Düsseldorfer Wirtschaftszeitung stellt zwar noch ein Fragezeichen hinter ihren Titel, ihre Bilanz der Krisenpolitik fällt aber nicht ungleich katastrophaler aus: 890 Milliarden Euro wurden bisher für die Euro-Rettung aufgebracht – ohne Wirkung. Außer, dass der kostspielige Rettungskurs nun vollends die Unterstützung verliert: in der deutschen Regierungskoalition, bei der Abgeordneten, den Unternehmern, Wissenschaftlern und Wählern.

„In nahezu allen europäischen Ländern formiert sich Widerstand gegen eine weitere Vergemeinschaftung südeuropäischer Staatsschulden“, bemerkt das Handelsblatt. Zur selben Zeit, so erzählt Spiegel-Online, schaut Bundeskanzlerin Angela Merkel auf Reise in Afrika „immer wieder auf ihr Handy. Sie meidet Antworten zu dem, was sich da im fernen Europa, in Asien und den USA an den Börsen abspielt. Jeder falsch intonierte Satz kann in der derzeit angespannten Lage auf den Märkten zu neuer Unruhe führen. Also schweigt Merkel lieber.“

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