Den Däninnen und Dänen zufolge lebt der Weihnachtsmann in Grönland, und sein Briefkasten befindet sich in der grönländischen Hauptstadt Nuuk. In der Vorweihnachtszeit 2024 hatte Nuuk einen prominenten Einwohner mit langem, schneeweißem Bart und wallendem Haar, den man leicht mit dem Weihnachtsmann hätte verwechseln können, wäre er nicht im Gefängnis der Stadt eingesperrt gewesen.
Glücklicherweise wurde Paul Watson gerade noch rechtzeitig entlassen, um Weihnachten mit seiner Familie in Frankreich zu verbringen. Der in Toronto geborene Umweltschützer und Anti-Walfang-Aktivist war seit Juli 2024 im Gefängnis von Nuuk festgehalten worden, um auf die Entscheidung der dänischen Behörden zu warten, ob er an Japan ausgeliefert wird. In einer im Namen Japans ausgestellten Red Notice von Interpol wird Watson des „Einbruchs in [ein] Schiff, der Sachbeschädigung, der gewaltsamen Behinderung von Geschäften und der Körperverletzung“ beschuldigt (was Watson alles bestreitet).
Das fragliche Schiff, die Shonan Maru 2, gehörte zu Japans Walfangflotte. Watson und andere werfen Japan seit langem vor, das Verbot des kommerziellen Walfangs durch die Internationale Walfangkommission illegal zu umgehen, indem das Land behauptet, seine Operationen dienten wissenschaftlichen Forschungszwecken. Im Jahr 2014 stimmte der Internationale Gerichtshof in Den Haag mit Australien und Neuseeland überein, dass Japans Walfangaktivitäten illegal sind.
In The Conversation erörtert Gilles Paché, Professor für Lieferketten an der Universität Aix-Marseille in Frankreich, den kulturellen, historischen und wirtschaftlichen Kontext des japanischen Walfangs und kommt zu dem Schluss, dass „Watsons Ansatz die breitere gesellschaftliche Debatte über die globale Verantwortung für den Schutz der biologischen Vielfalt und die Grenzen des kulturellen Relativismus verdeutlicht.“
„In Japan werden Watsons Aktionen oft als provokativer Angriff auf eine kulturelle Tradition gesehen, eine Perspektive, die von einigen europäischen Medien aufgegriffen wird“, erklärt Paché. „Diese Sichtweise übersieht jedoch die mächtige industrielle Maschinerie, die hinter dem japanischen Walfang steht. Zwar spielt die Tradition eine Rolle, aber Japans Walfang wird auch von einem staatlich geförderten industriellen Komplex angetrieben“.
Paché argumentiert, dass die Berufung auf die „kulturelle Authentizität“ Japans in sich zusammenfällt, wenn man sich den schwindenden Markt für Walfleisch ansieht (2.000 Tonnen werden jährlich konsumiert, verglichen mit 230.000 Tonnen in den 1960er Jahren) oder die „kleinen, begrenzten Techniken der Vergangenheit“ mit den „industrialisierten Operationen“ vergleicht, die Watson heute kritisiert. Allein im Jahr 2023 tötete Japans Walfangflotte fast 300 Wale. Für 2024 hatten die Behörden ein Ziel von 200 Walen gesetzt.“
In einem Interview mit Hortense Chauvin für Reporterre im September 2024 wies Watson auch auf den schrumpfenden Appetit auf Walfleisch hin („Weniger als zwei Prozent der Japaner*innen essen Walfleisch“), während er gleichzeitig eine Gruppe von „Ultranationalistischen“ und Yakuza-Mitgliedern beschuldigte, die Branche zu ihrem eigenen Vorteil aufrechtzuerhalten.
In einem Video, das von Vakita am 18. Dezember veröffentlicht wurde, nachdem das dänische Justizministerium gegen Japans Auslieferungsantrag entschieden hatte, dankt Watson besonders dem französischen Volk, Emmanuel Macron und Hugo Clément. Letzterer ist ein französischer Journalist und Umweltschützer, der Vakita im Jahr 2022 als Medium für „Investigatives und Aktionen“ gegründet hat. Das Medium hat die Öffentlichkeit mobilisiert und sich seit der Verhaftung von Watson im Juli für seine Freilassung eingesetzt und hat exklusive Videos über den Fall produziert.
In Libération schrieb Thomas Legrand Ende Oktober, dass Frankreich seine alte Tradition wieder aufleben lassen sollte, Freiheitskämpfenden die Staatsbürgerschaft zu gewähren, insbesondere Umweltaktivistinnen und -aktivisten wie Watson. Sie sollten „unter das gleiche heldenhafte Banner“ gestellt werden wie diejenigen, die gegen den Totalitarismus des zwanzigsten Jahrhunderts gekämpft haben.
Angesichts von Watsons Dankbarkeit gegenüber Frankreich ist es eine gewisse Ironie, dass laut Michel Forst, dem Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Umweltschützer, Frankreich „das schlimmste Land in Europa“ ist, wenn es um polizeiliche Repression gegen Umweltschützer geht.
„Die Gewalt der Polizeikräfte ist außergewöhnlich“, sagte Forst gegenüber Emmanuel Clévenot für Reporterre. „Ihre Kolleginnen und Kollegen im Ausland können die Art und Weise, wie man in Frankreich auf Proteste reagiert, nicht nachvollziehen, und sie können auch nicht verstehen, wie solche Gewalt angewendet werden kann. [...] Hier werden wahllos Tränengas und Sprengkugeln eingesetzt.‚ Kesseltreiben‘ ist immer noch an der Tagesordnung, obwohl es verboten ist. Das sind alles Übergriffe, die es in anderen Ländern nicht gibt.“ Während Frankreich in Bezug auf die polizeiliche Repression am schlimmsten sein mag, behauptet Forst, dass Großbritannien am schlimmsten ist, wenn es um gerichtliche Repression geht, und verweist auf die (ungefähr) dreijährigen Gefängnisstrafen, die gegen Just Stop Oil-Aktivistinnen und -aktivisten verhängt wurden.
Forst weist auch besonders auf die Rolle der Journalistinnen und Journalisten hin: „Es ist ein schlechtes Zeichen, wenn Journalistinnen und Journalisten sich angewöhnen müssen, bei der Berichterstattung über Proteste einen Schutz von Kopf bis Fuß zu tragen. Journalistinnen und Journalisten, die mit ihrer bemerkenswerten Arbeit die Zusammenhänge zwischen privaten Interessen und umweltschädlichen Entscheidungen der Regierungen aufdecken, sind Verteidigende der Umwelt. Als solche verdienen sie Schutz.“
Forsts Äußerungen zum Vereinigten Königreich scheinen durch einen Bericht „Criminalisation and Repression of Climate and Environmental Protests” (Kriminalisierung und Repression von Klima- und Umweltprotesten) bestätigt zu werden, der im Dezember 2024 von der Universität Bristol veröffentlicht wurde. Wie Catherine Early in The Ecologist berichtet, kommt der Bericht zu dem Ergebnis, dass „die britische Polizei Klima- und Umweltprotestierende fast dreimal so häufig verhaftet wie der weltweite Durchschnitt. Den höchsten Anteil an verhafteten Demonstrierenden gab es in Australien, wo jede(r) Fünfte von der Polizei festgenommen wurde. Es folgten 17 Prozent im Vereinigten Königreich – viel mehr als der internationale Durchschnitt von 6,3 Prozent.“
Oscar Berglund, der Forscher, der die Studie leitete, wird in einem Artikel von Damien Gayle für The Guardian zitiert: „Die Klimaproteste [haben] ziemlich stark zugenommen, und die Reaktion darauf war eine Niederschlagung, die im weiteren politischen Sinne eines Zusammenbruchs der Klimaschutzmaßnahmen gesehen werden muss.“
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