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Auf dem Schild: „Menschenrechte”, auf dem Koffer „Handelsabkommen”

Peking sät Zwietracht unter den Europäern

Europa ist erneut gespalten. Wieder spricht Berlin eine andere Sprache als die Mehrheit der EU. Und China wird ein weiteres Mal als Sieger daraus hervorgehen.

Veröffentlicht am 29 Mai 2013
Auf dem Schild: „Menschenrechte”, auf dem Koffer „Handelsabkommen”

China fordert die Europäische Union heraus. Die Volksrepublik testet, ob die 27 Staaten die einzig wirklich existierende gemeinsame Politik aufrechterhalten kann: die Handelspolitik. Der auf der Welt einzigartige Zusammenschluss europäischer Staaten spielt auf der internationalen Bühne nur im Handel eine Rolle. Werden die Europäer auch auf diesem Gebiet das Handtuch werfen?

Es steht viel auf dem Spiel. Der Streit dreht sich um den Handel mit Sonnenkollektoren, eine Industrie der Zukunft. Der belgische EU-Handelskommissar Karel De Gucht bezichtigt die chinesische Solarindustrie, massives Preisdumping zu betreiben. Er will ab dem 6. Juni diesen Jahres einen vorläufigen Strafzoll von 47 Prozent auf chinesische Solarmodule einführen, um die europäische Produktion zu schützen. Rund 25.000 Arbeitsplätze seien durch die unlauteren Handelspraktiken ihrer chinesischen Konkurrenz bedroht.

Karel De Gucht ist ein mutiger Mann. Der Jurist folgt nur dem Beispiel Amerikas. Die von der subventionierten Konkurrenz erdrückten USA hatten im Frühjahr 2012 den Import von chinesischen Solarmodulen mit Zöllen von 31 bis zu 250 Prozent belegt.

Europa hat den Markt in der Hand

Aber ganz so einfach ist es nicht. In Europa ist das Interesse an der Solarbranche schon weit zurückgegangen. Im Bereich der Installation von Solartechnik haben europäische Firmen den Markt fest in der Hand. Sie wollen vor allem günstige Sonnenkollektoren, also aus chinesischer Produktion…

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Darum lehnt die Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten die Sanktionspläne des EU-Kommissars ab. Besonders Deutschland wehrt sich dagegen, denn China ist sein drittgrößter Handelspartner und fast zwei Drittel seines Handelsüberschusses werden außerhalb Europas erwirtschaftet, vorwiegend in Asien und speziell in China. Berlin will einen Handelskrieg mit Peking vermeiden. Die deutschen Exporteure haben Angst, den chinesischen Markt zu verlieren, der für sie wichtiger ist als der europäische Zusammenhalt. Diese Woche hat Kanzlerin Angela Merkel den chinesischen Premierminister Li Keqiang zu Verhandlungen empfangen und damit deutlich ihre Ablehnung der geplanten Zölle zum Ausdruck gebracht.

Angela Merkel, ein katastrophales Beispiel

Einige Argumente der Gegner von Karel De Gucht sind sicher nicht von der Hand zu weisen. Aber ihre Vorgehensweise ist absurd und kontraproduktiv. In dieser Hinsicht ist das von Angela Merkel gegebene Beispiel eine Katastrophe. Denn es gibt nichts, worüber sich die Chinesen mehr freuen, als die „Barbaren" im Zwist zu sehen. China weiß die Uneinigkeit innerhalb der EU sehr wohl zu nutzen. Das Land hat genügend Möglichkeiten, Deutschland unter Druck zu setzen, damit auch der Rest der Union mitzieht.

Für Europa wäre es eine gute Strategie gewesen, geschlossen hinter der Initiative von Karel De Gucht zu stehen, um eine starke Verhandlungsposition gegenüber China zu haben. Die EU sollte es wie Amerika machen, anstatt wie so oft die Teletubbies des Welthandels zu spielen.

Aus deutscher Sicht

Freihandel statt Strafzölle

Die Entscheidung der Europäischen Kommission, künftige Importe chinesischer Solarmodule mit saftigen Strafzöllen zu belegen, droht die „Energiewende“ zu bremsen, meint die Tageszeitung.

Für die TAZ droht dieser ”Schuss nach hinten loszugehen”,

denn die chinesischen Hersteller haben den Boom der Solarstromerzeugung überhaupt erst möglich gemacht. [...] Was man nicht vergessen darf: Solarstrom ist heute so günstig wie nie. Wurde vor einigen Jahren noch eine Einspeisevergütung von über 40 Cent pro Kilowattstunde gezahlt, liegt diese inzwischen unter 20 Cent.

Mit Ausnahme der deutschen Solarmodulhersteller, die ein „Anti-Dumping-Verfahren” gegen die chinesische Konkurrenz angestrebt hatten, „fürchten sich die meisten deutschen Unternehmer [...] nicht so sehr vor den chinesischen Billigimporten“, fügt die Tageszeitung hinzu.

Ganz im Gegenteil! Das Angebot eines Freihandelsabkommens, das der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang der deutschen Kanzlerin am 26. Mai bei seinem Besuch in Berlin unterbreitet hatte,

stößt auf reges Interesse der deutschen Wirtschaft, [denn] allein durch den Wegfall von Strafzöllen [...] sei ein jährlicher Zuwachs der deutschen Exporte von mindestens vier Milliarden Euro möglich.

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