Ein Mitglied des „Golden Dawn-Ordens“ nimmt an der Demonstration in Peraia teil, einem Vorort, 30 km östlich von Thessaloniki, 26. April 2012.

Rechtsextreme profitieren von der Krise

Seit Beginn der Krise wird erstmals wieder gewählt. Doch drohen die vorgezogenen Wahlen am 6. Mai zur Protestwahl gegen Sparprogramme und die Parteien zu werden, die diese durchsetzen. Die Rechtsextremen, die immer legitimer werden, könnten zu den großen Wahlsiegern gehören.

Veröffentlicht am 1 Mai 2012 um 12:06
Ein Mitglied des „Golden Dawn-Ordens“ nimmt an der Demonstration in Peraia teil, einem Vorort, 30 km östlich von Thessaloniki, 26. April 2012.

Der Countdown läuft. Bald sind Parlamentswahlen. Vielleicht ist das genau der richtige Zeitpunkt, um an ein paar Kleinigkeiten zu erinnern. Beispielsweise an das Buch „Anatomie des Faschismus“ des Amerikaners Robert Paxton [The Anatomy of Fascism]. Seit etwa einem halben Jahrhundert setzt sich der Historiker mit dem Phänomen Faschismus und insbesondere dem französischen Vichy-Regime auseinander. 2010 habe ich ihn selbst kennengelernt. In Griechenland (aber auch anderswo) gewannen extreme politische Ideen schon damals immer mehr Terrain und lösten Debatten aus.

Die Demokratie ist in Gefahr

„In Zeiten der Wirtschaftskrise ist die Demokratie in Gefahr“, meinte [Robert Paxton] damals. Für ihn „waren die neuen faschistischen Gruppen zwar gewalttätig, gleichzeitig aber zu schwach, um das politische Leben zu beeinflussen.“

Schaut man das heutige Griechenland an, lohnt es, dieses Urteil erneut aufzugreifen. Was kann es für die Rechtsextremen schließlich Schöneres geben, als dass eine gewaltsame Gruppe ins Parlament einzieht? Dabei bezieht sich diese Frage nicht auf eine aktuelle sozialpolitische Debatte, sondern ist reine Wirklichkeit. Vergessen wir nicht, dass die rechtsextreme außerparlamentarische Chrysi Avgi (deutsch: Goldenes Morgengrauen) der extrem konservativen Partei LAOS (deutsch: Orthodoxer Volksalarm, seit 2007 im Parlament vertreten) vor etwa zwei Jahren vorwarf, zu viele Kompromisse einzugehen und die patriotischen Werte „verschleudert“ zu haben. Nun steht [Chrysi Avgi] kurz davor, ins Parlament einzuziehen. „Wenn die rechtsextremen Parteien Anerkennung bekommen, dominieren ihre Ideen die politischen Diskussionen“, lauteten Robert Paxtons Worte.

Das Beispiel Frankreich

Und um wieder einmal Frankreich als Beispiel zu nehmen: Nicolas Sarkozy machte sich das rechtsextreme Ideengut [bereits] im Sommer 2010 zu eigen, als er gegen die Roma vorging. Zwei Jahre später haben wir gar keine andere Wahl mehr: Die Front National (FN) feiert ein gelungenes Comeback. Mit ihrem Wahlergebnis im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl hat es die Partei wieder mitten auf die politische Bühne geschafft. Und das war mit ziemlicher Sicherheit noch nicht alles, was die FN zu bieten hat. Zumal gleich im Anschluss an die Wahl des Präsidenten Parlamentswahlen abgehalten werden.

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In Athen ist die Situation ebenso besorgniserregend. Allerdings aus anderen Gründen. Unlängst nahm die liberal-konservative Partei ND (deutsch: Neue Demokratie) einen der härtesten Rechtsextremen in ihre Reihen auf: Verkehrsminister Makis Voridis, von dem sie sich wertvolle Unterstützung erhofft. Natürlich ist Makis Voridis nicht nur für seine Stellungnahmen als Minister so beliebt, sondern weil er einige Charakterzüge hat, die uns irgendwie alle ansprechen: Mit seiner Redegewandtheit, seinen Manieren und seinem Stil schlägt er uns in seinen Bann. Da vergisst man schon einmal, was einen öffentlichen Menschen eigentlich ausmachen sollte. Und schon sitzen wir hier zusammen und diskutieren über den möglichen Einzug der Neonazis ins Parlament...

Wasser auf die Mühlen der Neonazis

Abschließend noch ein paar Worte zu Griechenlands linkem Flügel, der für den Zuwachs der Extremen mitverantwortlich ist. Gewiss haben Linksextreme gewaltsame Aktionen gestartet, aber man darf nicht vergessen, wie engelsgleich sie Einwanderer gemacht haben, gleichzeitig aber dabei zusahen, wie die Bewohner der vom Staat im Stich gelassenen Ghettos dämonisiert werden. Mit alldem gossen sie viel Wasser auf die Mühlen der Neonazis. (j-h)

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