Leicht ungehalten über die "Erosion der Meinungsfreiheit". Die English Defence League marschiert in Newcastle, Mai 2010

Rechtsextremismus: Die neue Welle

Die islamkritischen Gruppen der English Defence League (Englische Verteidigungsliga), der Sikhs, Juden und Homosexuelle angehören, verbünden sich mit anderen europäischen Bewegungen, die sich alle als Teil einer neuen rechtsextremen Welle verstehen. Im Oktober wollen sie in Amsterdam einmarschieren, um ihrem gegen Einwanderer hetzenden Helden Geert Wilders beizustehen.

Veröffentlicht am 1 September 2010 um 13:54
Gavin Lynn  | Leicht ungehalten über die "Erosion der Meinungsfreiheit". Die English Defence League marschiert in Newcastle, Mai 2010

Die anti-muslimische Englisch Defence League (EDL) – eine größtenteils aus Fußball-Hooligans bestehende „Straßen-Armee" –, die sich mit ihren gewaltsamen Protesten im vergangenen Jahr auf die Titelseiten der britischen Zeitungen katapultierte, plant im Oktober eine Zusammenkunft in Amsterdam. Demonstrieren wird die EDL, um den niederländischen Aufwiegler gegen Einwanderer – Geert Wilders – zu unterstützen. Dabei werden sich die kürzlich gegründete französische Defence League und ihr niederländisches Pendant (welches nach dem englischen Modell aufbaut wurde) mit den anderen anti-islamischen Aktivisten aus ganz Europa zusammenfinden.

Im vergangenen Jahr hat die 2009 gegründete EDL über ein Dutzend – häufig gewaltsamer – Aufmärsche und Demonstrationen in britischen Städten durchgeführt. Bei diesen Protesten, die Ende des vergangenen Jahres nur ein paar hundert Militanten anzogen, versammeln sich nun Tausende. Am 28. August ist eine Zusammenkunft in Bradford (West Yorkshire) – dem Zuhause der zweitgrößten britischen Gemeinschaft von Südasiaten – aus dem Ruder gelaufen, als einige Mitglieder auf Polizeibeamte stießen und antirassistische Aktivisten mit Steinen, Flaschen und Rauchbomben bewarfen. Nach Medienberichten wurden dreizehn Personen festgenommen.

Für antirassistische Überwachungsbehörden ist die EDL eine der besorgniserregendsten Entwicklungen der britischen rechtsextremen Szene seit den 1970er Jahren und der Ära der British National Front (Nationalen Front ), einer offenkundig rassistischen und neo-nazistischen politischen Partei. Heute scheint die Gruppe ihr ungewöhnliches Markenzeichen – eine Mischung aus an den Kontinent gebundenen Nativismus , boshaften anti-muslimischen Parolen, aggressiven Straßenmärschen und dem Versuch, sich bei Fußball-Hooligans einzuschleusen (indem sie ihre Aufmärsche zur gleichen Zeit stattfinden lassen wie die Spiele) – mit einigem Erfolg zu exportieren .

Ein neuer Typ von Rechtsextremismus

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Von den herkömmlichen Rechtsextremen unterscheidet sich die EDL vor allem dadurch, dass sie ursprünglich aus der „ungezwungenen Fußball“-Subkultur stammt, die sich selbst als multi-ethnisch versteht und vielmehr den „Djihadismus“ anprangert als die Muslime im Allgemeinen. Auch gleicht ihre Rethorik vielmehr dem neo-konservativen islamkritischen Flügel als den NS-Nostalgikern oder anderen rechtsextremen Formationen.

„Die Mitglieder der English Defence League geben selbst zu, dass diese Gefahr um jeden Preis vermieden werden muss. Unsere christlichen, jüdischen, Sikh- und Hindu-Freunde haben – was den islamischen Imperialismus angeht – alle ihre Geschichte zu erzählen“, kann man auf der Internetseite der EDL (im Artikel „Exposing the myths“) lesen. Einer ihrer Anführer ist der in Großbritannien geborene Sikh Guramit Singh. Wie Wilders behauptet auch die EDL von sich, streng pro-israelisch zu sein und ihre Untergruppen für Juden und LGBT (eine aus dem englischen Sprachraum kommende Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual und Trans, deutsch: Lesben, Schwulen, Bisexuelle und Transsexuelle ) zu pflegen. Gleichzeitig ist sie aber dafür, den Bau von Moscheen und den Vollschleier (Burka) gesetzlich zu verbieten. Während einer Demonstration in Bolton im vergangenen März hielt ein Mann ein pinkfarbenes Dreieck neben anti-islamischen Plakaten und Fahnen hoch. Die Untergruppe LGBT zählt derzeit 107 Mitglieder.

Das, was normalerweise ein Dorn im Auge traditionalistischer und antisemitischer Extremisten ist, hat sich die Gruppe regelreicht auf die Fahne geschrieben: Bei Zusammenkünften werden israelische Flaggen geschwenkt und – nach Berichten des Jewish Chronicle – haben sich hunderte von Mitgliedern auf der Facebook-Seite der jüdischen Untergruppe angemeldet, bis diese kürzlich gelöscht wurde.

Verbindungen zur Britisch National Party (BNP) und den Schwedendemokraten (SD)

Wie in anderen europäischen Gruppierungen, die von rechtsextremen Monitoring-Organisationen als „leicht rechtsextrem“ beschrieben werden – wie Wilders, die Dänische Volkspartei (Dansk Folkeparti) oder der verstorbene Pim Fortuyn – gibt es auch in der EDL Mitglieder, die versuchen, sich von den (auf ihrer Internetseite selbst sogenannten) „Adolf-verehrenden Neandertalern“ zu distanzieren . Jedoch erklären dieselben Personen, die von der EDL sagen, sie sei keine durch und durch „faschistische“ Gruppe oder eine Neonazi-Organisation, dass auch weiterhin Verbindungen zu den herkömmlichen rechtsextremen Bewegungen bestehen.

Derweil werden bei jeder Demonstration (zwei im vergangenen Jahr) Dutzende Personen festgenommen. Zu den regulären Aufmärschen der Gruppe gehören anti-islamische Parolen und regelmäßige gewaltsame Ausschreitungen. In einer Zusammenkunft in Dudley im Juli erstürmte man einen Hindu-Tempel, eine Reihe von Geschäften, Restaurants, Autos und Wohnungen. Nur schwer lassen sich Zahlen festlegen, anhand der man die Größe der Organisation und die Anzahl seine Anhänger einschätzen könnte. Die Gruppe selbst behauptet, „tausende“ Anhänger zu besitzen. Unterdessen spricht die Polizei in Bezug auf einen der größeren Aufmärsche im nordöstlichen Newcastle upon Tyne im vergangenen Mai von einer ungefähren Zahl von 1500 bis 2000 EDL-Demonstranten.

Nach Angaben der EDL-Internetseite ist die Demo in Amsterdam für den 30. Oktober geplant. Wilders macht sich Ende des kommenden Monats auf den Weg vor Gericht, wo er sich für Anstiftung zum Rassismus und verantworten muss. Das Urteil für das am 5. Oktober beginnende Verfahren wird für den 2. November erwartet.

Anschließen werden sich ihm dort Mitglieder der jüngst gegründeten niederländischen und französischen Defence League, welche die EDL als Vorbild haben. Die französische Defence League – für die eine englische und eine französische Bezeichnung existiert (Ligue Française de Défense) – wurde im Mai gegründet und nahm erst kürzlich den Namen ‚Ligue 732‘ an (nachdem eine Gruppe von Paris Saint Germain-Fans – nach eigenen Angaben – „versuchte, alle französischen Gelegenheits-, Ultra- und französischen Fans im Kampf gegen den radikalen Islam zu vereinen “.) Die Zahl 732 bezieht sich auf das Jahr, in dem der französische König Karl Martell (Beiname „Karl der Hammer“, Großvater von Karl des Großen) die Schlacht von Tours und Poitiers gewann und damit die islamische Expansion nach Westeuropa aufhielt.*

Simmons erzählte EUobserver, dass auch Aktivisten der „Anti-Djihad-Bewegung“ aus Deutschland, Belgien, der Schweiz und „anderen europäischen Ländern“ in Amsterdam vertreten sein werden, um die – wie sie es nennen – European Defence League ins Rollen zu bringen (ein alternativer und niedlicherer Name wäre die „European Friendship Initiative“). „Wir sind uns wohl bewusst, dass man dem großen Mann Geert Wilders vor Gericht Rassenhass vorwirft“, erklärt Steve Simmons und führt fort: „Wir haben den Eindruck, dass die Redefreiheit eingeschränkt wurde und radikale Muslime und der Islam im Allgemeinen verunglimpft werden. Geert hat den Mut, diesen Kampf zu führen und wir wollen ihn dabei unterstützen .“

Den gewalttätigen Ruf der Gruppe spielt er unterdessen herunter: „Wir möchten, dass das Ganze nicht so sehr eine Demonstration und vielmehr eine Art Feier wird, bei der man essen, trinken und sich unterhalten kann.“ Auch behauptet er, dass die sich außer Dienst befindenden britischen, niederländischen und deutschen Soldaten der „Armed Forces Unite“ (die aus der „Armed Forces Defence League“ entstanden ist, einer Facebook-Gruppe für Soldaten und Seemänner, die zur ELD gehören) der niederländischen Polizei ihre Hilfe bei der Organisation des Ereignisses angeboten haben.

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