Die Baustelle Maasvlakte 2, an der Maasmündung.

Rotterdam schiebt an seiner Waterkant

Der größte Hafen Europas platzt aus den Nähten. Um Land zu gewinnen, erbauen Ingenieure eine neue Landzunge, die so groß ist wie viertausend Fußballplätze. Eine Meisterleistung, die an den Bau der Schutzdeiche vor fünfzig Jahren erinnert, welche die südlichen Inseln vor der Küste der Niederlande vor Sturmfluten schützen.

Veröffentlicht am 14 September 2011 um 15:17
Port of Rotterdam  | Die Baustelle Maasvlakte 2, an der Maasmündung.

Es ist ein stürmischer Tag über der Tweede Maasvlakte, der Zweiten Maasebene, Windstärke 6 bis 7, Hagelschauer. Doch der Bau des niederländischen Neulands geht immer weiter, rund um die Uhr. Hier wird ein solider Deich gebaut, 3,5 Kilometer lang, der als Wellenbrecher dient und die neue Hafenmole schützen soll. Dafür werden 20.000 Betonblöcke benötigt (2,5 x 2,5 x 2,5 Meter groß und 40 Tonnen schwer), die vor der Küste ins Wasser gelegt werden.

Dieser Job wird von einem speziell entwickelten Kran erledigt, besser bekannt als "Blockbuster". Kosten: 10 Millionen Euro. "Acht Kranführer bedienen die Maschine abwechselnd, keiner länger als eine Stunde am Stück", erzählt Ronald Paul, Direktor der Projektorganisation "Maasvlakte 2". Die Arbeit erfordert höchste Konzentration, denn die Blöcke werden 15 Zentimeter in den Meeresgrund versenkt. Durchschnittlich 700 Menschen arbeiten derzeit auf der Baustelle der Tweede Maasvalkte. Das kostet 1,5 Millionen Euro pro Tag. Projektkosten insgesamt: 3 Milliarden Euro.

4000 Fußballplätze

Am 1. September 2008 schaufelte Ivo Opstelten — seinerzeit Bürgermeister von Rotterdam — symbolisch den ersten Haufen Sand. Seither holen riesige Wasserbaufahrzeuge Sand aus dem Boden der Nordsee — rund zwölf Kilometer vor der Küste — und lassen ihn in die Zweite Maasvlakte ab. In zwei Jahren wird die Arbeit beendet sein. 240.000 Kubikmeter Sand werden dann verarbeitet worden sein. Der neue Containerterminal wird die Niederlande dann um zweitausend Hektar größer machen, eine Fläche von viertausend Fußballplätzen. Der Staatsbetrieb DP World aus Dubai wird mit vier weiteren Reedereien in einem Jahr sich als erster an der Tweede Maasvlakte niederlassen.

Wie international das Unterfangen auch sein mag (Russen, Ukrainer, Philippinos und Osteuropäer), die Tweede Maasvlakte ist in erster Linie ein niederländisches Projekt. Die Hafengesellschaft vergab den Auftrag 2007 an das niederländische Großbauunternehmen Boskalis und Van Oord, auf Kosten eines belgischen Konsortiums. Das Baggerunternehmen legt nicht nur das Land an, sondern kümmert sich auch um die harten und weichen Dämme, die neue Autobahn [13 Kilometer] und die zweispurige Schnellstraße, [14 Kilometer] auf der Tweede Maasvalkte.

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Der Stolz der Niederlande

"Die Menschen fragen sich, wie die Niederlande diese Arbeit schaffen können", sagt Ronald Paul. Das am 1. Mai 2009 eröffnete "Futureland", ein interaktives Informationszentrum, genau zwischen der Ersten und Zweiten Maasvalkte gelegen. Die Besucher können mit einem Sonderzug das Neuland besichtigen. Am 25. Juni dieses Jahres kam der 250.000ste Besuche ins Futureland. Laut Paul "appelliert die Tweede Maasvlakte an den Stolz der Niederländer. Denken Sie nur an den Bau der Deltawerke, die weltweit Beachtung fanden."

Dies Glück wird nicht allgemein geteilt. Der Hafenbetreiber war jahrelang über mögliche schädliche Auswirkungen des neuen Hafens in Konflikt mit Umwelt- und Tierschutzorganisationen. Im Jahr 2009 einigten sich die Parteien auf strikte Luftschutznormen; vor allem wegen der kalten Luft. Dennoch ist der Unfrieden nicht verschwunden. Die Anwohner sorgen sich vor allem um die Verkehrswege rund um die Tweede Maasvlakte. Die Straßen sind bereits permanent verstopft. Die A15 soll deshalb erweitert werden, und es wird wahrscheinlich einen Verbindungstunnel zwischen der besagten A15 und der A20 gebaut werden. Das sollte der Region Luft geben.

Der Hafen wächst selbst in Krisenzeiten

Der Hafen von Rotterdam platzt aus den Nähten. Die Erste Maasvlakte, die in den Siebzigerjahren gebaut wurde, ist überfüllt. Die Halbjahreszahlen 2011, die vorige Woche veröffentlicht wurden, zeigen, dass der Hafen trotz der schwierigen wirtschaftlichen Zeiten wächst — das ist die Lichtseite. Der Handel mit Erdöl und Eisenerz ist zwar zurückgegangen, doch der wachsende Containerumschlag macht das wett. Der Hafen schlägt monatlich mindestens eine Million TEU Standardcontainer um, ein Rekord für Europas größten Seehafen. Smits erwartet, dass sich die Wettbewerbsposition gegenüber den anderen großen europäischen Häfen noch verbessern wird. "Mainport Rotterdam wird ein Tiefseehafen, wo die größten Containerschiffe anlegen können."

Der Rotterdamer Hafen kann dank der Tweede Massvlakte den kommenden 25 Jahren ruhig entgegensehen. 2030 sieht die Welt wieder anders aus. Eine Dritte Massvlakte? Daran will man im Hafen derzeit noch nicht denken.

Aus dem Niederländischen von Jörg Stickan

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