Ein Arbeiter im Schlachthof von Doly-Com, einem der beiden Unternehmen, die Pferdefleisch exportieren. Rumänien, 12. Februar 2013.

Rumänien verdaut die Pferde-Lasagne nur schwer

Der Skandal um Pferdefleisch in Fertiggerichten hat ein Opfer gefordert: Rumänien, das fälschlicherweise für den Verursacher gehalten wurde. Jetzt wird sich die gesamte Landwirtschaft des Landes aufraffen müssen, um das Vertrauen der übrigen europäischen Länder zurück zu gewinnen.

Veröffentlicht am 27 Februar 2013 um 11:52
Ein Arbeiter im Schlachthof von Doly-Com, einem der beiden Unternehmen, die Pferdefleisch exportieren. Rumänien, 12. Februar 2013.

Der Nachgeschmack des Pferdeskandals ist zweifelsohne ein bitterer. Bitter vor allem für Großbritannien und Frankreich, die gezeigt haben, wie man eine solche Krise gerade nicht meistert. Das gilt sowohl für die Presse, als auch für die verschiedenen (Un)verantwortlichen aus Regierungskreisen.

Auf der anderen Seite steht Rumänien, das wahrscheinlich zu unrecht urplötzlich mitten in die Beschuldigungen der mutmaßlichen Verantwortlichen geworfen wurde. Schließlich ist es auch für die Europäische Union eine bittere Pille, die einmal mehr gezeigt hat, dass noch ein langer Weg bevorsteht, bis die Solidarität erreicht ist, auf der man das erträumte föderale Haus wirklich aufbauen kann.

Sofort nachdem herauskam, dass die in Großbritannien als Rindfleisch verkauften Hackfleischprodukte auch Pferdefleisch enthielten, haben die Briten außerhalb der eigenen Grenzen nach Verantwortlichen Ausschau gehalten. Zunächst gerieten die Iren in den Fokus der britischen Amtsträger und der Presse. Böse Stimmen behaupten, der Grund seien vermutlich die vielen Pferde auf der Insel.

Dann waren es die Franzosen, weil – laut denselben bösen Stimmen – von dort sowieso alles Übel jenseits des Ärmelkanals kommt. Und dann folgte der Bösewicht des Tages: Rumänien. Es gab lauter hanebüchene Theorien, die den Überschuss an rumänischem Pferdefleisch in den Schlachthäusern damit zu erklären versuchten, dass man in Rumänien vor Jahren verfügt hatte, die Pferdefuhrwerke auf den Straßen zu verbieten.

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Vorschnelle Beschuldigungen

Das in den Medien gezeichnete Bild von den Horden von Rumänen, die es kaum erwarten können, ab 2014 die Insel zu stürmen, wäre noch dramatischer, wenn wir uns die Horden auf Eseln oder auf wilden Pferden und mit Fleischwölfen in der Luft gestikulierend vorstellen würden.

Was stimmt, ist, dass auch die Franzosen ihnen bei der Suche nach Beschuldigten in nichts nachstanden. Auch dort haben Supermärkte, Behörden und die Presse sehr schnell mit dem Finger auf Rumänien gezeigt.

Das war lange bevor sie sich überhaupt ein klareres Bild über den extrem verworrenen Weg des Fleisches machen konnten, das Rumänien als Pferdefleisch verlassen hat und in Großbritannien und anderen westlichen Ländern als Rindfleisch angekommen ist.

In Frankreich haben die Beteiligten den rumänischen Zulieferern mit Prozessen gedroht, weitergegangen sind sie bislang aber noch nicht. Vielleicht auch deshalb, weil bisweilen noch niemand irgendwelche Ungereimtheiten in Rumänien feststellen konnte. Nach jetzigem Stand der Dinge haben die beiden Schlachthöfe, die das Pferdefleisch exportiert haben, alles mit gültigen Papieren und transparent erledigt.

In diesem Fall ist das tatsächliche Handicap für Rumänien sein Imageproblem. Bukarest ist in den Imageskandal als „Verdächtigter vom Dienst“ eingestiegen, wie es Regierungschef [Victor] Ponta ausgedrückt hat. Mit anderen Worten: Rumänien sah sich von Anfang an gezwungen, den Unschuldsbeweis zu erbringen, noch bevor die Ankläger die Schuld der Rumänen beweisen konnten.

EU-Warnsystem funktioniert besser als nationale Beschuldigungspolitik

Ein Land, das dafür bekannt ist, dass die Korruption Presse, Polizei, Justiz, Parlament und einen ehemaligen Premier erfasst hat, ein Land, wo manche ein Ei klauen, ein anderer eine ganze Doktorarbeit und wo dann geschworen wird, man habe nicht geklaut, ein solches Land kann sich nur schwer auf die Brust klopfen und behaupten, es sei ehrlich und unschuldig.

Als die Europäische Union den Skandal zu bremsen versuchte, hat sich gezeigt, dass sie über die Mechanismen zur Steuerung einer solchen Krise verfügt. Der einheitliche Warnmechanismus hat sich als wirksam erwiesen.

Aber Brüssel wurde ein Mal mehr vom Enthusiasmus einiger Mitgliedsstaaten überrumpelt, die sich gegenseitig beschuldigen, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen. Nur zur Erinnerung: Vor zwei Jahren wurden viele spanische Landwirte im Gurkenstreit um mit Colibakterien infizierte Gurken in den finanziellen Ruin getrieben, nachdem Deutschland den Schuldigen vorschnell jenseits der Pyrenäen gesucht hatte.

Diese Anschuldigung stellte sich später als unhaltbar heraus, aber die Spanier sind trotzdem auf unverkauften Gurkenbergen sitzen geblieben. In diesem Jahr sind es keine Gurken, sondern Rindfleisch und statt der spanischen Bauern könnte es nun die rumänischen Schlachter und Fleischexporteure treffen.

Für die Regierung Ponta ist dieser Skandal die Gelegenheit, den DNA-Test seiner Kompetenz zu liefern, in einem sehr heiklen Kontext mit potentiellen, langfristigen, wirtschaftlichen Verästelungen für die rumänische Viehzucht. Wird Ponta den Test bestehen oder wird er seinerseits einen imaginären Schuldigen suchen müssen?

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