Europa... das bin ich

Sarkozy gegen Schengen

Europa überarbeitet das Schengen-Abkommen über den freien Personenverkehr, oder Frankreich setzt seine Teilnahme aus: Das Ultimatum des französischen Präsidenten mitten im Wahlkampf scheint eher Mittel zum Zweck als eine politische Kursänderung zu sein.

Veröffentlicht am 12 März 2012 um 15:28
Europa... das bin ich

Nicolas Sarkozy „möchte der Durchlässigkeit Europas ein Ende setzen“, titelt Le Figaro. Bei einer Wahlkampfveranstaltung vor rund 50.000 Anhängern hatte der französische Präsident und Kandidat für eine zweite Amtszeit eine Reform des Schengen-Abkommens gefordert. Damit sollen die Grenzen stärker gesichert werden. Er drohte, Frankreichs Teilnahme am Abkommen bis auf weiters ruhen zu lassen, sollte in den kommenden zwölf Monaten keine Reform angestrengt werden. Außerdem machte er sich für einen „Buy European Act“ nach amerikanischem Modell stark, heißt für die Vorzugsbehandlung europäischer Produkte. Der konservativen Tageszeitung Le Figaro zufolge schlüpft Nicolas Sarkozy in die Rolle des „Anwalts für Europa“, denn mehr als die Hälfte seiner Rede widmete sich diesem Thema:

Der Kampf um das Amt des Präsidenten, von dem viele befürchteten, dass er sich in Polemik verlieren würde, gewinnt endlich an Qualität. Gestern erinnerte Nicolas Sarkozy in Villepinte daran, dass Frankreichs Schicksal mit dem Europas eng verbunden ist. Dagegen kämpft François Hollande mit geballter Faust für Neuverhandlungen beim Fiskalpakt. […] Um alle Franzosen für „ein politisches Europa, das beschützt“ und kein „Sieb“ ist, zu gewinnen, will Nicolas Sarkozy die schlecht funktionierenden Mechanismen korrigieren, die Staaten zusammenführen und die Grenzen sichern. Denn das Schengen-Abkommen reguliert kaum die Einwanderungsströme in die Union. Und die kann sich ihre Großzügigkeit heute nicht mehr leisten kann.

Die linksliberale Tageszeitung Libération glaubt dagegen, dass Nicolas Sarkozy...

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...gestern versuchte, ein Präsident wie Mitterand zu sein, der den europäischen Weg einschlagen will. Aber nicht jeder ist wie Mitterand. Indem er die Einwanderungsproblematik in den Vordergrund stellt und einen Befehlston an den Tag legt, zieht Nicolas Sarkozy Europa in seiner Wahlstrategie nach unten.

Die Website Mediapart hebt hervor, dass sich der Kandidat ...

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mit seinen herrischen Drohungen von den großen, europäischen Populisten hat inspirieren lassen – wie vom ehemaligen polnischen, konservativen und nationalistischen Präsidenten Lech Kaczynski, der für mehrere theatralische Szenen auf der internationalen Bühne sorgte. [...] Oder wie vom tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus und dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban.

Die Berliner Tageszeitung stellt fest, dass der französische Präsident Nicolas Sarkozy „noch ein paar Schritte weiter nach rechts gegangen ist“:

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Es fehlt nicht mehr viel, und er fällt Marine Le Pen von der Front National in die Arme. [...] Sagt jetzt Angela Merkel immer noch, sie unterstütze ihren Nicolas in jeder Hinsicht? Sie hatte zusammen mit anderen konservativen Regierungschefs gegen den Sozialisten Hollande Stellung bezogen, weil dieser den neuen Fiskalpakt nicht umstoßen, sondern bloß ergänzen möchte. Und jetzt kommt Sarkozy, der am liebsten gleich vier europäische Abkommen ändern will. Verstehe Frankreich, wer will.

La Stampa zufolge, versucht „ein gestresster Sarkozy“, die rechtextreme Wählerschaft für sich zu gewinnen, obwohl er sich noch vor einem Jahr dafür aussprach, die Kontrolle der Grenzen Brüssel zu übergeben.

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Bei einer Wiederwahl wäre er sicher zu einer erneuten Kehrtwende fähig. Denn 2008 hatte er sich innerhalb eines Sommers vom Euroskeptiker in einen Gründungsvater Europas verwandelt.

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