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Silvia Carta: „Um die Ursachen von Zwangsarbeit zu bekämpfen, reicht es nicht, ein Produkt vom Markt zu verbannen”

Im November 2024 hat der Rat der Europäischen Union eine Verordnung angenommen, mit der Produkte, die im Rahmen von Zwangsarbeit hergestellt wurden, vom europäischen Markt verbannt werden sollen. Der Text wird zwar für seine Absicht gelobt, die Ausbeutung zu bekämpfen, berücksichtigt aber zu wenig die Auswirkungen, die er auf die gefährdeten Beschäftigten haben könnte, erklärt Silvia Carta, Advocacy Officer bei der Nichtregierungsorganisation für soziale Gerechtigkeit und Menschenrechte für Menschen ohne Papiere PICUM.

Veröffentlicht am 5 Dezember 2024
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Silvia Carta – PICUM

Silvia Carta arbeitet als Advocacy Officer für die Nichtregierungsorganisation PICUM. In der Vergangenheit war sie für mehrere Organisationen und Gruppen tätig, unter anderem für das Europäische Parlament. PICUM mit Sitz in Brüssel setzt sich für soziale Gerechtigkeit und die Achtung der Menschenrechte von Menschen ohne Papiere in Europa ein. Die NGO fungiert als Dachorganisation für mehr als 100 andere Organisationen, die in denselben Interessenbereichen tätig sind.

Voxeurop : Wie sieht die Situation in der EU in Bezug auf Zwangsarbeit und Arbeitsmigrierende aus?

Silvia Carta: Arbeitsmigrierende mit unsicherem, abhängigem oder irregulärem Status sind häufig mit Bedingungen konfrontiert, die unter den von Mindestarbeitsnormen und Tarifverträgen geforderten liegen, und zwar in Bezug auf Bezahlung, Arbeitszeit, Ruhezeiten, Krankheitsurlaub, Urlaub sowie Gesundheit und Sicherheit. Diese Risiken von Arbeitsrechtsverletzungen können durch eine Kombination von Faktoren wie Lohndiebstahl, übermäßige Arbeitszeiten, Anhäufung von Schulden, Beschlagnahme von Dokumenten, Drohungen, Abhängigkeit von der/dem Arbeitgebenden in Bezug auf Wohnung und Aufenthaltsstatus, körperliche und sexuelle Gewalt und eingeschränkte Mobilität zu Zwangsarbeit führen oder sich in Zwangsarbeit verwandeln.

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Die Definition von Zwangsarbeit besagt, dass einer Person unter Androhung einer Strafe und ohne ihre Zustimmung Arbeiten oder Dienstleistungen abverlangt werden. Im Falle von Migrierenden ohne Papiere kann die besondere Situation der Abhängigkeit und Verletzlichkeit jedoch einen besonderen Einfluss auf die Definition der Freiwilligkeit haben.

In der Rechtssache Chowdury fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein wegweisendes Urteil zu dieser Frage. Der Fall betraf 42 Arbeitsmigrierende auf einer Erdbeerfarm in Griechenland, denen nach mehreren Monaten Arbeit unter minderwertigen Bedingungen der Lohn verweigert worden war. Der EGMR befand, dass dies sowohl den Tatbestand der „Zwangs- oder Pflichtarbeit“ als auch des „Menschenhandels“ erfüllt. 

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