Die zunehmende Präsenz des Klimawandels in den schwedischen Medien verhalf den Schwedendemokraten zu einem neuen Fokus. Die Art und Weise, wie das Thema exponentiell an Präsenz gewonnen hat und wie es als angstauslösende Krise dargestellt wird, passt zu ihrem konservativen Narrativ der Nostalgie für die Vergangenheit, als die Dinge weniger kompliziert waren.
In ähnlicher Weise wurde das Thema in Dänemark nach 2015 in den Medien populärer und folgte danach einem ähnlichen Muster. Aufgrund der Art und Weise, wie der Klimawandel und die Umweltpolitik in Dänemark betrachtet werden, konnte jedoch vermieden werden, dass sie zum neuen Anknüpfungspunkt für die Anti-Establishment- und medienskeptischen Rechtsextremen wurden.
Anstatt den Klimawandel als eine riesige, erschreckende Realität darzustellen, die schwierig und beängstigend zu visualisieren ist, wurde er zu einem Aufruf zum Handeln und zu einem nationalen Stolz. Dennoch drängen Aktivist*innen auf einen härteren Diskurs über den Klimawandel in den Medien, da die Berichterstattung über das Thema meist als brav beschrieben wird und die Dringlichkeit der Situation nicht widerspiegeln soll.
Die Fälle Dänemark und Schweden sind zwei unterschiedliche Beispiele dafür, wie die Medien beim Aufgreifen der Umweltkrise versagen.
Schwedische Medien: Futter für den Krisenhunger der Rechtsextremen
Die Popularität der Schwedendemokraten in Schweden begann dank ihrer Anti-Einwanderungspolitik nach den massiven Immigrationswellen der 2010er Jahre exponentiell zu wachsen. Doch als dieses Thema von der politischen Agenda zu verschwinden begann, rückte ein neues in den Vordergrund: der Klimawandel.
Dieses Phänomen tauchte ab 2015 immer häufiger in den schwedischen Medien auf. Im Jahr 2019 erreichte das Thema einen historischen Höchststand und war das meist behandelte Thema des Jahres. „Im Sommer 2018 wurde der Klimawandel in Schweden durch die Rekordhitzewelle und die schweren Waldbrände spürbar“, erklärt Kjell Vowles, Doktorand mit Spezialisierung auf Medien und Klimawandel an der Technischen Hochschule Chalmers in Göteborg. Die globale Erwärmung war nicht länger ein wissenschaftliches und schwer fassbares Konzept, sondern die Menschen spürten die direkten Folgen.
Im selben Jahr wurde die jugendliche Aktivistin Greta Thunberg nicht nur in Schweden, sondern weltweit zur Anführerin der Bewegung gegen den Klimawandel. All dies geschah im Jahr der schwedischen Wahlen. Das Thema rückte schnell in den Mittelpunkt der Tagesordnung der traditionellen Medien. Sie begannen, über Themen wie die Rechenschaftspflicht von Unternehmen und deren Maßnahmen zu berichten.
Aber das Thema, das im Mittelpunkt stand, war der Klimaaktivismus. Dies gab der extremen Rechten eine neue Front, um ihren Anti-Establishment-Diskurs aufzubauen und neue Anhänger*innen zu gewinnen. „Die Rechtsextremen machten die Einwanderung zum ersten großen polarisierenden Thema, und jetzt ist es der Klimawandel. Es ist derselbe Anti-Establishment-Diskurs einer globalistischen Elite, die die Art und Weise, wie wir leben, verändern will“, sagt Vowles.
Fünf Jahre später ist der Klimawandel immer noch in den Medien präsent, wenn auch nicht mehr in demselben Ausmaß, nachdem die Pandemie im Jahr 2020 ihn von der Spitze der Medienagenda verdrängt hat. Dennoch „wird die Polarisierung rund um den Klimawandel immer deutlicher“, sagt Vowles.
Der rasante Aufstieg des Klimawandels in den Mainstream-Medien und seine Fokussierung auf den Aktivismus ebneten den Weg für die Einführung des Themas in alternativen, rechtsextremen Medien. Der Klimawandel war vor Greta Thunberg kaum präsent. Sie wurde ein leichtes Ziel für die extreme Rechte und die Schwedendemokraten. Sie argumentierten, dass die schwedische Politik infantilisiert werde, indem man sich an den Aussagen eines 15-jährigen Mädchens orientiere und nicht an den Aussagen von Expert*innen zu den jeweiligen Themen. Im Wesentlichen lautete ihr Argument, dass „Schweden sich von einer rationalen zu einer emotionalen Gesellschaft entwickelt“, sagt Vowles.
Obwohl Vowles einräumt, dass diese neuen alternativen Medien im Zentrum der wachsenden Polarisierung Schwedens in Bezug auf den Klimawandel standen, trugen auch die traditionellen Medien zu dieser bei. Ihre ausführliche Berichterstattung über Aktivist*innen und die alarmistische Art und Weise, in der sie das Thema darstellten, anstatt sich auf die Wissenschaft und die nächsten Schritte zu konzentrieren, führte zu einer immensen Gegenreaktion, die durch eine Übersättigung des Themas und Angst ausgelöst wurde.
Was die dänische Politik richtig gemacht hat und was die Medien falsch gemacht haben
Der Trend in der Klimaberichterstattung in Dänemark ist ähnlich wie in Schweden. Sie erreichte 2018 ihren Höhepunkt. Im selben Jahr gingen Aktivist*innen auf die Straße und übten einen enormen politischen Druck auf die Wahlen 2019 aus, während die Medien das Thema immer wieder aufgriffen. Dies führte jedoch weder zu einer Gegenreaktion der Rechtsextremen, noch wurde es zu einem polarisierenden Thema.
Eine 2022 von CONCITO, Dänemarks grünem Think Tank, durchgeführte Studie ergab, dass 88 % der Dän*innen den Klimawandel als ernstes Problem betrachten. Außerdem gaben „66 % der Befragten an, dass die Bemühungen der Politiker*innen zur Bekämpfung des Klimawandels Einfluss darauf haben werden, wen sie bei den nächsten Parlamentswahlen wählen werden“.
Mads Ejsing, Postdoktorand am Center for Applied Thinking an der Universität Kopenhagen und Spezialist für Umweltpolitik, erklärt, dass sich die dänische Bevölkerung aus zwei Gründen für den Klimawandel interessiert. Der erste Grund ist ihre Ausbildung, die einen starken Fokus auf Umweltthemen richtet.
Der zweite ist die Art und Weise, in der die Ressourcen- und Klimapolitik entwickelt wurde. Die Klima-Initiative in Dänemark begann in den 1990er Jahren mit der Einführung von Windturbinen und neuen Arten von erneuerbaren Energien. Ländliche Gebiete, in denen rechtskonservatives und den Klimawandel leugnendes Gedankengut vorherrscht, profitierten ebenfalls von den Veränderungen, die diesen Gebieten ein hohes Einkommen bescherten.
Der Klimawandel ist seit mehr als drei Jahrzehnten Teil der dänischen politischen Landschaft und hat sich auf alle Bereiche der Gesellschaft ausgewirkt, sowohl positiv als auch negativ. Der Diskurs über das Thema ist nicht nur in typischen städtischen Gesprächen verwurzelt, sondern ruft auch zu Maßnahmen in anderen Bereichen der Gesellschaft auf. Das eint die dänische Bevölkerung und vermeidet auch den klassischen Diskurs der rechtsextremen Parteien, die den Klimawandel als ein von der Elite geschaffenes Problem bezeichnen.
Ejsing erklärt, dass die Medien eine Rolle dabei spielen, das Thema Klimawandel auf der dänischen Agenda ganz nach oben zu rücken, und dass es regelmäßiger als in anderen Ländern auftaucht. Dennoch ist er der Meinung, dass die Berichterstattung über die Klimakrise in Dänemark relativ brav ist und die Gespräche nicht in dem Maße vorangetrieben hat, wie es Bewegungen und Aktivist*innen getan haben. Bewegungen wie „Fridays for the Future“, „Extinction Rebellion“ und die „Grüne Jugendbewegung“ haben entscheidend dazu beigetragen, der dänischen Öffentlichkeit das Ausmaß der Umweltkrise vor Augen zu führen.
Nach den Wahlen im Jahr 2019 und der Pandemie im Jahr 2020 ist die Diskussion über das Klima abgeflaut und wurde durch andere Trendthemen ersetzt. Derzeit besteht jedoch ein Gefühl der Dringlichkeit, da das Zwischenziel, die Emissionen bis 2025 zu reduzieren, nicht erreicht wird. Außerdem werden in einer Gesellschaft, in der die Leugnung des Klimaproblems verurteilt wird, allmählich andere Formen der Untätigkeit in Sachen Klima toleriert. „Klimaskepsis ist nicht populär, aber Diskurse über die Verzögerung des Klimawandels sind es. Das zögert die Ziele hinaus und nimmt das Gefühl der Dringlichkeit“, sagt Ejsing.
Aktivist*innen beginnen, Wege zu finden, um den Markt für das Nichterreichen dieser Ziele zur Verantwortung zu ziehen und setzen die Medien unter Druck, den Klimawandel als Krise und dringenden Notfall darzustellen. Eine Bewegung mit dem Namen Clear the Agenda setzt sich dafür ein, die Medienberichterstattung über die globale Erwärmung von einer meist biederen Berichterstattung zu einer zu verändern, die den Ernst und die Dringlichkeit der Situation aufzeigt.
Ejsing fügt hinzu: „Ich würde sagen, dass sich viele Menschen für die [Klimawandel-]Agenda interessieren, aber das ist nicht dasselbe wie die Unterstützung der Art von Klimapolitik, die wir brauchen. Und es ist nicht dasselbe wie das Verständnis und das Gefühl für die Dringlichkeit der Situation, in der wir uns befinden.“
Die Medien müssen die Umstände verstehen
Klimawandel und Umweltpolitik werden bei der bevorstehenden Europawahl im Jahr 2024 im Vordergrund stehen. Dies könnte ein entscheidender Moment für die Umwelt sein, nicht nur in Europa, sondern auch im Rest der Welt. Schweden und Dänemark dienen als sehr unterschiedliche, aber perfekte Fallstudien dafür, wie die Medien bei Umwelt und Klimaschutz versagen.
Die plötzliche und rasche Zunahme von Themen zum Klimawandel in den schwedischen Medien in den Jahren 2018 und 2019 führte automatisch zu einer Gegenreaktion. Die Darstellung des Themas als erschreckende, allumfassende Krise und die Fokussierung auf Aktivist*innen und Bewegungen in einer Zeit, in der konservative Ideologie extrem populär ist, waren der Sache der Umwelt nicht zuträglich. Diese Panikmache, für die die Medien verantwortlich sind und die den Aktivist*innen mehr Aufmerksamkeit schenkt als den Verantwortlichen, hat ungewollt die Rhetorik und die Anhängerschaft der schwedischen Rechtsextremen genährt.
Dänemark ist eine Anomalie in einer Zeit, in der rechtsextreme Parteien in Europa an Unterstützung gewinnen und die Klimaskepsis einen Höchststand erreicht hat: Die rechtsextreme Dänische Volkspartei verliert an Unterstützung, und die Mehrheit der Bevölkerung befürwortet Klimaschutzmaßnahmen. Aber der eher langweilige und ineffektive Diskurs in den Medien führt nicht zu dem Wandel, den die Menschen sehen wollen.
Ideen, die den Klimaschutz hinauszögern, werden immer beliebter, und die Ziele, die Dänemark bis 2025 erreichen sollte, sind noch sehr weit entfernt. Die dänischen Medien nutzen nicht die günstigen Bedingungen in Dänemark, wo die Menschen Veränderungen in der Umwelt sehen wollen und Wissenschaft und Beweise nutzen, um eine stärkere Veränderung in der Gesellschaft zu erreichen.
Dieser Artikel ist Teil einer Serie, die dem Klimadiskurs in den europäischen Medien gewidmet ist. Dieses Projekt wird von der Green European Foundation mit Unterstützung des Europäischen Parlaments und in Zusammenarbeit mit Voxeurop und dem Green European Journal organisiert.
Interessiert Sie dieser Artikel?
Er ist dank der Unterstützung unserer Community frei zugänglich. Die Veröffentlichung und Übersetzung unserer Artikel kostet Geld. Um Sie weiterhin unabhängig informieren zu können, brauchen wir Ihre Unterstützung.
Abonnieren oder Spenden
Seit den 1980er Jahren und der Finanzialisierung der Wirtschaft haben uns die Akteure der Finanzwirtschaft gelehrt, dass sich hinter jeder Gesetzeslücke eine kurzfristige Gewinnmöglichkeit verbirgt. All das und mehr diskutieren wir mit unseren Investigativ-Journalisten Stefano Valentino und Giorgio Michalopoulos. Sie haben für Voxeurop die dunklen Seiten der grünen Finanzwelt aufgedeckt und wurden für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet.
Veranstaltung ansehen >