Presseschau Das Fanal für den Südosten

Südosteuropa: Wahlfälscher, korrupte Priester, gierige Behörden

Jeden Monat werfen wir in Zusammenarbeit mit Display Europe einen Blick auf die Medienberichterstattung in Südosteuropa. Zum Jahresausklang beschäftigten sich die Medien dort vor allem mit dem umstrittenen Wahlsieg von Aleksandar Vučić in Serbien und den korrupten Beziehungen zwischen Politik und Kirche in Rumänien.

Veröffentlicht am 9 Januar 2024 um 09:19

In Serbien, wo die Regierungspartei SNS von Aleksandar Vučić die vorgezogenen Parlamentswahlen am 17. Dezember gewonnen hat, berichtet die Tageszeitung Danas von zahlreichen Manipulationsversuchen am Wahltag. So sollen Busse mit Wählern aus Bosnien in Belgrad zur Stimmabgabe eingetroffen und Wahlzettel in einer Kneipe ausgezählt worden sein. Laut Angaben der Koalition „Serbien gegen Gewalt” hat es außerdem „doppelte Listen, (...) gestohlene oder zusätzlich eingefügte Stimmzettel, verstorbene Personen in Wählerlisten oder Gruppenwahlen…” gegeben. 

Im benachbarten Rumänien hat Alex Neda in einem investigativen Bericht für das unabhängige Online-Medium Recorder mithilfe eines Priesters aufgedeckt, wie staatliche Institutionen mit der orthodoxen Kirche vernetzt sind und durch Bestechung und Amtsmissbrauch Dutzende von Millionen Euro veruntreut haben. 

Diese Enthüllungen, die allein auf YouTube über 1 Million Aufrufe verzeichneten, basieren auf eklatanten Gesprächen mit Politikern und hochrangigen Priestern, die der Informant mit versteckter Kamera aufnahm. Am 5. Dezember gab die Nationale Antikorruptionsbehörde (DNA) daraufhin bekannt, dass gegen den Erzbischof von Tomis ein Strafverfahren wegen Einflussnahme eingeleitet wurde.

Auf Malta meldet sich der ehemalige Politiker und Vorsitzende einer der größten Krankenhausgruppen, Josie Muscat, zu Wort. In seinem Leitartikel in der Times of Malta beschuldigt er die Regierungsbehörden, die Bürger im Stich zu lassen und den Inselstaat aus Geldgier „vom Paradies in ein Monster zu verwandeln” durch den massenhaften Bau von Hochhäusern - Symbol einer unsozialen und umweltbelastenden Überentwicklung.   

Ein anderer Fall von Machtmissbrauch ist Thema in Griechenland, wo die Stadtverwaltung von Alexandroupolis sich weigerte, den Film eines palästinensischen Regisseurs zu zeigen. Wie die Tageszeitung Efimerida ton Syntakton berichtet, erklärte das Friedenskomitee der nordgriechischen Stadt, dass sich „die Stadtverwaltung mit der Linie der Regierung identifiziert und jede Stimme zum Schweigen bringen will, die es wagt, den Kampf des palästinensischen Volkes zu verteidigen.” Auch will sich die Stadt nicht der Beteiligung Griechenlands an Plänen und Kriegen widersetzen, „die nichts mit den Interessen unseres Volkes zu tun haben und noch dazu unser aller Leben aufs Spiel setzen.”


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Neben Korruption und Gier können Regierungen der Gesellschaft auch durch ihre Inkompetenz schaden. So wie in Moldawien, wo Victoria Borodin von der investigativen Nachrichtenredaktion Ziarul de Garda darüber berichtet, wie ein Privatunternehmen Gasreserven ausbeutet, ohne eine Lizenz oder eine Vereinbarung mit dem Staat zu haben. Das sich am Rande des Bankrotts befindende Unternehmen beliefert derzeit noch etwa 700 Verbraucher in Moldawien

Ein weiterer Beweis für Inkompetenz auf höchster Ebene beschäftigt die türkische Tageszeitung Cumhuriyet am Beispiel von Murat Şahin. Der Mitvorsitzende des Unternehmens Castle Hawk hatte Tausenden von Anlegern das Geld aus der Tasche gezogen, indem er ihnen monatliche Renditen von 10 % versprach. Murat Şahin wurde wegen seiner Versprechungen über zu hohe Gewinne und Zinsen zwar verhaftet und kam dafür ins Muratlı-Gefängnis, wurde jedoch wenig später wieder freigelassen, was Murat Agirel in seinem Artikel zu dem Schluss kommen lässt, dass man in der Türkei „selbst dann nicht im Gefängnis bleibt, wenn man bewiesenermaßen Hunderte von Menschen um 900 Millionen Lire betrogen hat.”


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