Analyse Klimawandel

Warum Trump den europäischen Green Deal angreift

Die US-Regierung kürzt Mittel und streicht Stellen in Schlüsselsektoren - nicht nur im Kampf gegen den Klimawandel, sondern auch bei dessen Überwachung. Wie reagiert Europa, dem Donald Trump eine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aufzwingen möchte?

Veröffentlicht am 6 Mai 2025

„Eine 180-Grad-Wende”. Mit diesen Worten definierte US-Energieminister Chris Wright im vergangenen März vor einem Publikum von Führungskräften fossiler Brennstoffunternehmen den neuen Kurs, den die Trump-Regierung in der Klima- und Energiepolitik einschlagen will.

Während des Treffens argumentierte Wright, dass der Klimawandel bloß „eine Nebenwirkung der modernen Weltgestaltung“ sei. Mit anderen Worten: Es gibt keine Alternative zu fossilen Brennstoffen für unsere Energieversorgung.

Die Rücknahme des Inflation Reduction Act - der bedeutendsten Investition in der Geschichte der USA zur Bekämpfung des Klimawandels, die von Ex-Präsident Biden im Jahr 2022 verabschiedet wurde - hat zu einer Reihe von Haushaltskürzungen geführt, die den gesamten Wissenschaftssektor betreffen und zur Streichung ganzer Forschungsprogramme führen, vom Klima bis zur Raumfahrt.


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Die Trump-Administration will praktisch die gesamte wissenschaftliche Forschung der National Oceanic and Atmospheric Administration (Noaa) einstellen, die bei der Entwicklung von Klimamodellen weltweit eine Vorreiterrolle spielt. Die Noaa betreibt Dutzende von Forschungslabors in den USA, in denen die Atmosphäre, Ozeane und die Meeresumwelt, Flüsse und Seen untersucht werden. Auch werden in der Bundesbehörde viele laufende Prozesse überwacht, darunter die Entwicklung der Treibhausgasemissionen, die die globale Erwärmung verursachen sowie Hitzewellen und Dürren.

Wie in vielen anderen Bereichen hat Trump seit seinem Amtsantritt wichtige Reformen durch Dekrete durchgedrückt.

Bereits an seinem ersten Amtstag zog er die Vereinigten Staaten aus dem Pariser Klimaabkommen zurück, leitete Pläne zur Öffnung von Gebieten in Alaska für den Bergbau ein, blockierte Bundesgenehmigungen für neue Windparks, wies Bundesbehörden an, Subventionen für Elektrofahrzeuge einzustellen, und setzte Genehmigungen für Projekte zur Nutzung erneuerbarer Energien aus.

Trump griff auch die US-Umweltschutzbehörde (EPA) an, deren neuer Direktor, Lee Zeldin, gleich nach seinem Amtsantritt Umweltvorschriften und Bundesinvestitionen in saubere Energie abbaute, während mehrere Klimaprojekte und -initiativen wie die Erhebung von Emissionsdaten bei Unternehmen eingefroren oder abgeschafft wurden.

Das Weiße Haus hat zudem beschlossen, die Mittel für das US Global Change Research Program (Usgrp) zu kürzen. Dort wird der wichtigste Klimabericht für die US-Regierung erstellt und alle vier Jahre eine Bilanz der Auswirkungen des globalen Temperaturanstiegs auf die USA gezogen. Auch beim National Weather Service wurde kräftig gekürzt. Anreize für die fossile Brennstoffindustrie, angefangen bei der Kohleindustrie wurden dagegen erhöht.

Und wie reagiert Europa?

Die von Donald Trump immer wieder angekündigten, verhängten, zurückgenommenen und schließlich wieder eingeführten Zölle sind Teil der Neuausrichtung der Industrie- und Energiepolitik der Vereinigten Staaten: ein Handelskrieg, der von Trump immer wieder angezettelt wird.

Und hier kommt Europa ins Spiel, insbesondere der europäische Green Deal.

Ende Februar hatte Trump angekündigt, Zölle in Höhe von 25 % auf Autos und andere aus der EU importierte Waren, darunter Stahl und Aluminium, erheben zu wollen. Brüssel hatte zunächst über Gegenmaßnahmen nachgedacht und den USA dann vorgeschlagen, die Zölle auf US-Autos und Industriegüter im Gegenzug aufzuheben. Dieser Vorschlag wurde von Trump abgelehnt mit dem Argument, dass die einzige Möglichkeit, einen Handelsfrieden zu erreichen, der Kauf von US-Kraftstoffen sei, insbesondere von Flüssigerdgas (LNG) im Wert von 350 Milliarden Dollar.

Aber warum hat Trump diese Forderung gestellt und der EU Zölle in Höhe von 25 % auf Industriegüter und Autos auferlegt, obwohl doch bereits 50 % des europäischen LNG aus den USA stammt? Der Grund dafür ist, dass Europa russische Lieferungen ersetzen musste. Ein Ungleichgewicht (3 %) mit den USA, das einen Handelskrieg rechtfertigen würde, gab es also nicht.

Das eigentliche Ziel war ein anderes: der Boykott des europäischen Green Deal. Eine Analyse der Think Tanks ECCO zeigt, dass mehr als 50 % der US-Handelsausfuhren nach Europa fossile Produkte betreffen, aus deren Verwendung sich die EU und andere Staaten seit dem Pariser Klimaabkommen von 2015 (von dem sich die USA ebenfalls distanzieren) zurückziehen.

Durch den Green Deal macht sich die EU unabhängig von fossilen Brennstoffen und baut erfolgreich ihre Unabhängigkeit, Energiesicherheit und Wettbewerbsfähigkeit aus.

Allein im Bereich der Stromerzeugung wurden seit der Umsetzung des Grünen Deals im Jahr 2019 Importe fossiler Brennstoffe im Wert von 59 Milliarden Euro vermieden. Aus diesem Grund stellt der Green Deal eine ernsthafte Bedrohung für Trump da. Er ist unvereinbar mit seiner Energiepolitik, die er als weltweit führender LNG-Exporteur im Namen von „drill, baby drill” verfolgt.

Nach Ansicht von ECCO besteht Trumps Ziel daher darin, „Europa langfristig zum Kauf von Erdgas zu zwingen und es daran zu hindern, sich von fossilen Brennstoffen unabhängig zu machen.” Außerdem möchte er verhindern, dass sich Europa anderen Ländern zuwendet, vor allem China, die im Gegensatz zu den USA die Energiewende vorantreiben und auf dem Markt für saubere Energiequellen eine dominierende Rolle spielen.

Es ist also wichtig, wie Europa sich jetzt positionieren und welche Rolle Italien spielen wird, wo die Regierung Meloni wiederholt erklärt hat, dass sich das Land auf LNG konzentrieren wird und zu einem Gasenergiezentrum werden soll.

Aufseiten der EU scheint EU-Energiekommissar Jorgensen, der zwar sein Interesse am Kauf von amerikanischem LNG bekundet, keine Abkehr vom Green Deal zu wollen. Denn, wie ECCO schreibt, „ist der Green Deal ein strategischer Hebel zur Stärkung der europäischen und italienischen Wettbewerbsfähigkeit, indem er Innovationen bei Produktionsprozessen, Produkten und effizientem Energiemanagement fördert. Den Green Deal aufzugeben bedeutet, sich an überholte Wirtschaftsmodelle zu klammern, die an fossile Brennstoffe gebunden sind, und sich mit Trumps Politik zu arrangieren, die offensichtlich nur darauf abzielt, parteipolitische Interessen zu wahren.”

Die große Klima-Kluft

„Trumps Rückkehr sollte ein Anstoß sein, den europäischen Green Deal wiederzubeleben und die EU und ihre Mitgliedsstaaten dazu zu bringen, politische Spaltungen zu überwinden und sich auf das Ziel der Dekarbonisierung zu einigen”, meinen auch Simone Tagliapietra und Cecilia Trasi vom Think Tank Bruegel.

Die Signale, die derzeit aus den verschiedenen europäischen Ländern kommen, sind jedoch nicht ermutigend. Wir erleben eine zunehmende Diskrepanz zwischen der Klimakrise und der Umsetzung der Klimaschutzpolitik, meint Pilitia Clark von der Financial Times. Es scheint, als habe sich der ganze Planet darauf geeinigt, den Kampf gegen die globale Erwärmung und die zur Bewältigung des Klimawandels erforderlichen Maßnahmen auf Eis zu legen, während jedes Jahr die heißesten Temperaturen aller Zeiten herrschen und sich die extremen Wetterereignisse weiter häufen.

In Deutschland, Europas größter Volkswirtschaft, hat die AfD in ihrem Wahlkampf den Abriss von Windkraftanlagen versprochen, die ihre Parteivorsitzende Alice Weidel als „Windmühlen der Schande“ bezeichnete.

Auch in Österreich hat die rechtsextreme ÖVP ihren Wahlkampf auf ein völliges Umdenken in der Klimapolitik ausgerichtet. Die Partei ist Teil der Patrioten für Europa, der drittgrößten Fraktion im Europäischen Parlament, deren rechtsextreme Führer bei einer Kundgebung in Madrid die Ideologie des „Green Deal” heftig angegriffen hat.

Die von diesen Gruppen verbreitete Behauptung, dass grüne Politik eine Belastung für die Arbeitnehmer sei, setzt sich immer mehr durch, wie sich letztes Jahr bei den Bauernprotesten in Mitteleuropa gezeigt hat.

Unterdessen wird die Liste der Unternehmen, die ihre grünen Bemühungen zurückschrauben, immer länger. Selbst der norwegische Energiekonzern Equinor, der vor sieben Jahren seinen Namen von Statoil änderte, um sich auf grüne Energie zu konzentrieren, plant nun, die Produktion fossiler Brennstoffe zu erhöhen und seine Ausgaben für erneuerbare Energien zu halbieren.

Das ist also die Bilanz zum 10. Jahrestag des Pariser Abkommens von 2015. Der damals als Erfolg gewertete globale Pakt enthält ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Verlangsamung der globalen Erwärmung. „Was hat sich seit 2020 geändert, als Unternehmen und Länder sich beeilen wollten, eine Null-Netto-Emissionspolitik zu unterstützen”, fragt Clark. „Darauf gibt es keine eindeutige Antwort, aber es ist kein Zufall, dass die Gegenreaktion genau zu dem Zeitpunkt kam, als die Regierungen begannen, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Netto-Null-Emissionen auch tatsächlich zu erreichen.”

Und das Chancenpotenzial für die fossile Brennstoffindustrie wird immer größer.

Originalartikel auf Valigia Blu
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