Die europäische Volkspartei bekräftigt ihre Stellung als führende Fraktion im Parlament und gewinnt noch Sitze hinzu. Die sozialdemokratische Partei bleibt an Platz zwei, muss jedoch eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Sitzen einbüßen – ausgeglichen durch die deutlichen Stimmengewinne der Grünen, die sich als vierte Fraktion positionieren, und der Linken, die ihre Sitze behält und sogar ein paar dazu bekommt. Die Liberalen sehen sich in ihrer Rolle als Zünglein an der Waage bestätigt – sie wählen einmal mit der Linken, einmal mit der Rechten – und bleibent die drittgrößte europäische Fraktion. Die rechtspopulistischen europafeindlichen Parteien verzeichnen stattliche Erfolge in zahlreichen Ländern (Niederlande, Österreich, Ungarn, Großbritannien).
Und doch zeichnet sich jenseits der scheinbar geringen Mobilität dieser Parteien eine tief greifende Veränderung im europapolitischen Spektrum ab. Die gemäßigte Rechte siegt paradoxerweise gleich an zwei Fronten: Wo sie an der Regierung ist, wie z.B. in Frankreich, Italien oder Deutschland, ist ihr der Erfolg durch ihre ruhige Kraft sicher, sowie durch ihre Fähigkeit, die Ängste der Wähler aufzufangen und zu beruhigen. Steht sie in der Opposition, wie in Spanien oder in Großbritannien, streicht sie die Proteststimmen ein, die den regierenden Parteien die Folgen der Wirtschaftskrise heimzahlen.
Die europaweite Krise der sozialistischen Parteien scheint eher sprachlich als politisch bedingt zu sein, eine Art Aphasie gegenüber sowohl den alten als auch den neuen Wählern. Ein weiteres Element schließlich ist überaus bezeichnend, nämlich der Erfolg der ausländer- und europafeindlichen Rechtspopulisten in den Niederlanden, Großbritannien, Österreich, Ungarn und sogar Finnland, wo sich die Ängste der Bevölkerung angesichts der durch die Wirtschaftskrise beschleunigten sozialen Veränderungen in Zorn, Feindseligkeit und der Forderung nach einer moralischen und rassistischen "Ordnung" ausdrücken.
Diese Ergebnisse, die im Großen und Ganzen die aktuelle politische Zusammensetzung des Parlaments bestätigen, dürften nun auch die letzten potentiellen Hürden beseitigt haben, die der Wiederwahl von José Manuel Barroso als Präsident der EU-Kommission im Weg standen. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die europäischen Sozialdemokraten den EU-Vorsitz beanspruchen, den der Lissabonvertrag für ein Mitglied ihrer Fraktion vorsieht. Welcher Kandidat erwiese sich dann wohl in den Augen der Rechten geeigneter als der am wenigsten "sozialistische" ehemalige britische Premierminister Tony Blair?