Montage: Thorsten Thees, Presseurop

Wo geht's wieder raus?

Die finanziellen Schwierigkeiten von Ländern wie Griechenland oder Irland lassen die Frage ihres Ausschlusses aus der Eurozone aufkommen. Doch die Meinungen über die Durchführbarkeit eines solchen Vorgehens sind geteilt.

Veröffentlicht am 26 Januar 2010 um 14:48
Montage: Thorsten Thees, Presseurop

"Euroland steht vor der ersten großen Identitätskrise", stellt Die Presse fest und berichtet, dass in einem internen Schreiben der Europäischen Kommision über die griechische Haushaltskrise "schwarz auf weiß" von einer "ernsten Besorgnis" um die Eurozone zu lesen ist.

In diesem Kontext erinnert die Wiederwahl von Jean-Claude Juncker zum Vorsitzenden der Eurogruppe an ein "Munich monétaire", ein währungspolitisches München, wie Le Figaro alarmiert schreibt. So wie die britische und die französische Regierung 1938 vor Hitler zurückgewichen waren, scheint Juncker heute machtlos der "Währungsimplosion" gegenüberzustehen, die sich in Griechenland abzeichnet. Für den Editorialisten der französischen Tageszeitung geht es der Eurogruppe im Wesentlichen nur darum "ein Chaos und das KO für den Euro zu vermeiden". Doch "Juncker hat nicht mehr Macht als damals der Völkerbund". "Wenn es nichts für Griechenland tut, dann könnte Europa (...) vor einem Währungschaos stehen, das wiederum Gefahr liefe, Portugal, Spanien und Irland mitzuziehen", warnt Le Figaro. Für Die Presse "wäre die sauberste und härteste Lösung, Griechenland auszuschließen. Noch will niemand offiziell daran denken".

Der Euro ist eine Katastrophe für Irland

So mancher Ire wäre dieser Lösung nicht abgeneigt. "Eine Scheidung vom Euro" liege ganz in Irlands Interesse, findetDavid McWilliams in der Sunday Business Post. Das mit einer härteren Krise konfrontierte "i" der PIGS [mit Portugal, Griechenland und Spanien] könnte so seine Währung leichter abwerten. "Es ist ganz klar, dass der Euro für Irland eine Katastrophe war", argumentiert der Journalist, der auch Wirtschaftswissenschaftler ist, "und dazu beitragen wird, die Krise mehr als nötig hinauszuziehen. Von den drei Ländern, die 1973 in die EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) eingetreten sind [Großbritannien, Irland, Dänemark], sind wir die einzigen, die den Euro verwenden. (...) Die Dänen und Briten haben ihre Landeswährungen behalten, weil sie wussten, dass sie ihnen in Situationen wie dieser nützlich sein würden. Die Schweden haben dieselbe Entscheidung getroffen."

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Spannendes, aber unrealistisches Szenario

Niemand denkt ernsthaft daran, weil dieses "Katastrophenszenario mehrere Schwachstellen aufweist", so die in Le Monde zitierte Website Reuters Breakingviews. "Ein solcher Beschluss könnte nicht von heute auf morgen umgesetzt werden." Einerseits "würde die Herstellung der Scheine und Münzen der neuen Währung mindestens mehrere Monate erfordern". "Zudem würde die Entscheidung, aus der Eurozone auszutreten, eine lange Reihe von juristischen und politischen Auseinandersetzungen auslösen, die den Fortziehenden frontal gegen seine Alliierten stellen würden. Und schließlich, wenn sie nicht eine Autarkie – also eine Entwicklung nach nordkoreanischem Muster – beabsichtigte, müsste die Regierung, die den Beschluss gefasst hätte, den Euro aufzugeben, diese Entscheidung mit einer noch drastischeren Sparpolitik begleiten als diejenige, der sie zu entkommen suchte, um die internationalen Investoren von ihrer Zuverlässigkeit zu überzeugen." Kurz, die Vorstellung, dass Staaten die Eurozone verlassen könnten, ist ein "spannendes Szenario", aber "in der wirklichen Welt wird [dieser Fall] nicht eintreten".

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