Cancel Culture und politische Korrektheit: Können Karikaturen so noch überleben?

Veröffentlicht am 15 September 2021

Cancel Culture und politische Korrektheit stehen im Mittelpunkt des diesjährigen Karikaturenwettbewerb Libex2021, der vom Euro-Mediterranean Centre Librexpression organisiert wird. Dieses Jahr wurden 218 Presse-Karikaturen von 160 Karikaturisten aus über 50 Ländern eingereicht.

„Wohin werden uns die neuen Tabus politischer Korrektheit führen?", lautet die provokante Frage der Organisatoren. Zwar räumen sie ein, dass mit der Woke-Bewegung Minderheiten die Möglichkeit bekommen, „ihre Meinung ohne den Umweg über die Mainstream-Medien zu äußern" und, dass „die Wichtigkeit von Basisbewegungen gegen Sexismus, Rassismus und Ungleichheit nicht angefochten werden sollte".

Jedoch glauben sie, dass die Entwicklung „in letzter Zeit eine düstere Wendung genommen hat, r weil Aktivisten die Reichweite der sozialen Medien und die Macht kollektiven Handelns dafür nutzen, Menschen – ob tot oder lebendig – öffentlich zu diffamieren, zu schikanieren, zu ächten oder deren Aussagen zu zensieren, wenn deren Worte und Taten von dieser neuen Orthodoxie abweichen. Jeder, der etwas sagt oder tut, was als beleidigend, lästig oder einfach anders interpretiert werden könnte, kann zur Zielscheibe werden.

Wie jüngste Ereignisse gezeigt haben, kann die Cancel Culture so weit gehen, „dass sie jegliche Erinnerungen [an diese Personen] auslöschen möchte, sodass Worte, Handlungen oder geistiges Erbe nicht mehr genannt oder gewürdigt werden und das Lebenswerk sogar vollständig zunichte gemacht wird".

Klicken Sie auf ein Foto, um die Diashow zu starten:

„In letzter Zeit", führen die Organisatoren weiter aus, „wurden diese harschen öffentlichen Inquisitionen von Künstlern, Journalisten und Politikern gleichermaßen gerechtfertigt, was dazu führte, dass das ohnehin schon angespannte Klima öffentlicher Debatten sich weiter verschärfte. Deshalb ergibt sich folgende Frage: Wenn der „Wokismus“  eben jene  Vielfältigkeit zum Schweigen bringt, für die   er sich eigentlich einsetzen sollte, was bleibt dann von seinen einstigen Versprechen von sozialer Gerechtigkeit und Empathie?"

Diese Fragen werden am 25. September in einer Podiumsdiskussion mit Sylvain Platevoet von Cartooning for Peace und Gigi Riva von L'Espresso diskutiert. Moderiert wird die Veranstaltung von Voxeurop-Mitbegründerin und Redaktionsleiterin Catherine André. 

Das Thema ist für  alle Libex2021-Teilnehmer zu einer täglichen Herausforderung geworden.  Die 56 von der Jury ausgewählten Karikaturen der Halbfinalisten werden vom 20. September bis zum 31. Dezember in einer Ausstellung im Kloster San Benedetto in Conversano (Italien) präsentiert und in einem gedruckten Katalog veröffentlicht. Die zehn vorgestellten Karikaturen  der Finalisten werden auch als Postkarten angeboten.

Die drei Gewinner werden am 26. September in Conversano bei der 17. Edition des  Festivals Lector In Fabula der Fondazione Giuseppe Di Vagno gekürt. Als eines der Jury-Mitglieder wird  Gian-Paolo Accardo, Chefredakteur von Voxeurop, zusammen mit den Karikaturisten Marilena Nardi, Joep Bertrams und Antonio Antunes eine Podiumsdiskussion moderieren über die Sicht der Karikaturisten auf das vergangene Jahr. 


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