Nachrichten Russland und Ungarn

Ungarns Schweigen über goldene Pässe für Russen

Zwischen 2013 und 2017 konnten Nicht-EU-Bürger in Ungarn legal Aufenthaltspapiere kaufen. Davon profitierten auch Personen, die wegen der Krim-Annexion und des Ukrainekrieges von der EU sanktioniert wurden, berichtet die ungarische Nachrichtenseite Direkt36.

Veröffentlicht am 6 Oktober 2022 um 13:58

Am 21. Februar wurde ein Video aus dem Kreml veröffentlicht. Dieses zeigt, wie Wladimir Putin und wichtige Mitglieder der russischen Regierung, des Militärs und des Geheimdienstes über die Anerkennung der besetzten Gebiete Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten und die Gründe für eine Militärintervention in der Ukraine beraten.

Man sieht dabei, wie Putin einen seiner Geheimdienstchefs in strengem Ton dazu auffordert, Stellung zu den geplanten militärischen Schritten zu beziehen, ihn mehrfach verbessert und dazu drängt, sich „klar auszudrücken”. Putins gegenüber ist Sergej Naryschkin, Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes (SWR RF).

Interessant ist Naryschkin nicht nur wegen der Szene aus dem Video, sondern auch wegen seiner Beziehungen zu Ungarn, über die Direkt36, 444 und Nowaya Gaseta bereits berichtet haben. Sein Sohn Andrej und weitere Mitglieder seiner Familie gehören zu den russischen Staatsbürgern, die über das von Antal Rogán (Minister im Kabinett des ungarischen Ministerpräsidenten) angekurbelte Programm für Aufenthaltserlaubnisse durch Investitionen (Residency Bond Program) einen ungarischen Aufenthaltstitel bekommen haben.

Neben Naryschkins Familie kamen auf diesem Wege auch andere hochrangige russische Familien und Geschäftsleute mit Verbindung zu Russland an ungarische Papiere. Beendet wurde das Programm 2017 nach Angaben des ungarischen Büros für Staatsschuldenverwaltung, weil Ungarn darüber seit 2013 bereits über eine Milliarde Euro eingenommen hatte. Außerdem waren die Fremdwährungsschulden im Verhältnis zum BIP kontinuierlich zurückgegangen und die großen internationalen Ratingagenturen hatten ungarische Staatsanleihen wieder als anlagewürdig eingestuft.

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Als Antwort auf den am 24. Februar von Russland begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine schlug das EU-Parlament in einem Bericht an die EU-Kommission vor, solche Programme für sogenannte „goldene Visa” und „goldene Pässe” bis 2025 zu beenden. Als Grund wurde ein erhöhtes Sicherheitsrisiko genannt, da sich potenziell gefährliche Menschen mit diesen Papieren niederlassen und frei innerhalb der EU bewegen können. Im Bericht wird außerdem eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten gefordert, alle entsprechenden an hochrangige Russen und ihre Familien ausgegebenen Anleihen zu prüfen.

Dieser Vorschlag wurde vom EU-Parlament mit großer Mehrheit angenommen. Die Vertreter der ungarischen Partei Fidesz-KDNP waren bei der Wahl nicht anwesend, haben aber bereits andere EU-Sanktionen gegen Russland unterstützt. Auf Nachfrage erklärte der Fidesz-Politiker und EU-Abgeordnete Tamás Deutsch gegenüber Direkt36, man habe nicht an der Wahl teilgenommen, weil diese Entscheidung eindeutig auf nationaler Ebene getroffen werden sollte – damit habe die EU gar nichts zu tun. Deswegen habe man ein stärkeres Zeichen setzen wollen, als lediglich dagegen zu stimmen oder sich zu enthalten.

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