Voxeurop ist das erste Medium, das von einer Europäischen Genossenschaft (SCE) betrieben wird und wollte als solches von Anfang an eine demokratische Unternehmensführung in den Mittelpunkt seines redaktionellen und wirtschaftlichen Ansatzes stellen. In einer Genossenschaft hat jedes Mitglied – unabhängig vom gehaltenen Kapitalanteil – eine Stimme in der Generalversammlung.
Der Genossenschaftsstatus garantiert den Mitarbeiter*innen außerdem, dass sie Eigentümer*innen des Mediums sind, für das sie arbeiten, und sichert ihnen eine Kontrollmehrheit. Für Voxeurop wie auch für andere genossenschaftliche Medien besteht der Zweck des Unternehmens nicht darin, Gewinn zu erwirtschaften, sondern einer gemeinnützigen Pflicht nachzukommen: der Pflicht, zu informieren.
Die Idee, dass Arbeitnehmer*innen einen Teil des Kapitals ihres Unternehmens besitzen, geht auf das 18. Jahrhundert zurück. Die ersten Genossenschaften der damaligen Zeit stellten für die Arbeitnehmer*innen eine Möglichkeit dar, die Kontrolle über den produzierten Reichtum zu sichern. Da es ihnen gesetzlich nicht möglich war, Berufsverbände zu bilden, konnten sie so Einfluss auf ihre Arbeitsbedingungen nehmen.
Seitdem sind zahlreiche Genossenschaften entstanden, unter anderem Pressegenossenschaften. Ein gutes Beispiel ist die deutsche Tageszeitung taz. 1977 inspirierte sich eine Gruppe von Aktivist*innen und Student*innen am Modell der französischen Tageszeitung Libération und gründete mit Unterstützung von Spendenkampagnen die Tageszeitung. Im Jahr 1992 zwangen zunehmende finanzielle Schwierigkeiten die Gründer*innen, ihr Modell zu ändern. Sie entschieden sich für eine Genossenschaft mit dem Ziel, sich auf ihre Leser*innen zu verlassen, anstatt eine(n) Aktionär*in zu finden, der/die bereit ist, sie zu finanzieren. Im Laufe der Jahre gewann die Zeitung an Mitgliedern und Auflage: Heute erreicht die Auflage der gedruckten Tageszeitung 50.000 Exemplare pro Monat, der Name der taz ist weithin bekannt und die Genossenschaft zählt inzwischen fast 23.000 Mitglieder.
Die taz ist nur ein Beispiel von vielen: Die französische Monatszeitschrift Alternatives Economiques hat sich ebenfalls als Genossenschaft konstituiert, ebenso wie die britische Bristol Cable oder ElDiario.es in Spanien. Diese Publikationen behandeln verschiedene Themen in sehr unterschiedlichen Größenordnungen, haben aber alle dieselbe Arbeitsweise gemeinsam.
Das spanische Medium ElDiario.es bürgt dank der Beiträge seiner Gesellschafter*innen für eine alternative redaktionelle Linie und echte Unabhängigkeit. In einer Frage-und-Antwort-Runde von Leser*innen von ElDiario.es kommentierte der Direktor, Ignacio Escolar: „Es ist mir ganz eindeutig tausendmal lieber, von Hunderten und Tausenden von Gesellschafter*innen abhängig zu sein, von Leuten, die Reklamationen machen und sich beschweren, die uns sagen ‚das gefällt mir, aber das nicht‘; ich ziehe diese Art von Druck durch unsere Leser*innen ganz klar der Abhängigkeit von einem Dutzend Werbefirmen vor“. Seiner Meinung nach haben sich die Beiträge der Leser*innen angesichts der finanziellen Schwierigkeiten, mit denen das Medium konfrontiert war, als hilfreich erwiesen, da das Genossenschaftsmodell nach wie vor relativ unsicher ist.
Spenden und Zuschüsse stellen Einkommensströme dar, die sich nicht immer als langfristig verlässlich erweisen, und die Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten durch die Leser*innen ist sehr zeitaufwendig. Wenn eine größere Investition erforderlich ist, wird es für Unternehmen, die keinen Gewinn erzielen und daher nicht über große finanzielle Reserven verfügen, schnell gefährlich. Darüber hinaus kann schon die Gründung einer Pressegenossenschaft eine Herausforderung darstellen. Diese noch relativ unbekannte Rechtsform erfordert von den Gründern ein großes Engagement und stellt eine zusätzliche Arbeitsbelastung dar.
Dennoch sind Genossenschaften die Unternehmen, die am meisten Raum für das Zuhören schaffen. Arbeitnehmer*innen, die Miteigentümer*innen sind, und Leser*innen, die Genossenschaftsmitglieder sind, können Einfluss auf die redaktionelle Linie oder die Arbeitsorganisation nehmen. In einer Zeit, in der das Vertrauen in die Presse schwindet, verkörpert die Genossenschaft eine beruhigende Initiative, die im Gegensatz zum Elitarismus und zur Undurchsichtigkeit steht, die einige klassische Redaktionen kennzeichnen. Auch wenn das Geschäftsmodell der Genossenschaften prekär sein mag, stellen diese neuen Wege der Einnahmenerzielung eine Alternative zum Abschöpfen von Werbeeinnahmen durch Content-Plattformen dar.
Damit die Presse ihre Rolle als Säule der Demokratie voll wahrnehmen kann, muss sie unbedingt frei und unabhängig bleiben. Genossenschaften sichern diese Freiheit dauerhaft, ermöglichen eine stärkere Einbindung der Leser*innen und kämpfen auf ihre Weise dafür, dass die Öffentlichkeit wieder gute Gründe hat, den Medien zu vertrauen.
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Seit den 1980er Jahren und der Finanzialisierung der Wirtschaft haben uns die Akteure der Finanzwirtschaft gelehrt, dass sich hinter jeder Gesetzeslücke eine kurzfristige Gewinnmöglichkeit verbirgt. All das und mehr diskutieren wir mit unseren Investigativ-Journalisten Stefano Valentino und Giorgio Michalopoulos. Sie haben für Voxeurop die dunklen Seiten der grünen Finanzwelt aufgedeckt und wurden für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet.
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