Es gibt vielfältige Formen des Humors in Belgien — und da die genaue Identität des Landes nicht geklärt ist, werden wir vermeiden, über „belgischen“ Humor zu sprechen. Zunächst einmal gibt es einen unfreiwilligen Humor, der dem Alltag Würze verleiht. So kann beispielsweise ein Radiosender zur besten Sendezeit die Auflösung des Landes verkünden: „Bye bye Belgium“ auf RTBF im Jahr 2006. Oder ein Ministerpräsident — Yves Leterme im Jahr 2007 — die „Marseillaise“ anstimmen, als man ihn bat, die Nationalhymne zu singen. Oder Königin Fabiola, nachdem sie Drohungen von einem angeblichen Armbrust-Schützen (!) erhalten hatte, am Nationalfeiertag einen Hut mit einem gut sichtbaren, grünen Apfel darauf tragen...
Und dann gibt es den absichtlichen Humor, mit einer flämischen und einer wallonischen Variante. Die erste ist direkter, deftiger, mit Wettfurzen oder frontalen Attacken auf Kirche und Monarchie. Die zweite, oftmals harmlos, liebt es, Dinge umständlich und mit etlichen Synonymen auszudrücken und ist von jener Selbstironie geprägt, welche ein wesentlicher Bestandteil des „typisch Belgischen“ ist und die für den Komiker Bruno Coppens in erster Linie vom mangelnden kollektivem Selbstbewusstsein herrührt.
Es gibt immerhin noch zwei verbindende Elemente: „König Albert II. und die „Zwanze“
Der frankophone Komiker mit flämischer Mutter liebt es, mit Worten und deren Klang zu spielen. Er beteuert, dass seine genialen Wortschöpfungen ihren Ursprung in seiner komplizierten Herkunft haben. Doch belgischen Humor zu definieren... sei gar nicht so einfach, meint er, aber er spricht von „absurd, schräg, dem Einfluss von Jacques Tati und dem... britischen Humor.“
Der Anwalt und Schriftsteller Alain Berenboom [ La Recette du pigeon à l'italienne, Genèse éditions, 336 Seiten, 22,50 € ], Kolumnist und Tim und Struppi-Experte, zieht seinerseits Parallelen zwischen dem belgischen und dem.... jüdischen Humor, der „von Leuten gemacht wird, die sich unterdrückt fühlen, aber lieber eine lange Nase machen, als Blut zu vergießen.“ Laut Berenboom — und einigen anderen — gibt es in diesem Land, das kaum noch zusammenhält, immerhin noch zwei verbindende Elemente: „König Albert II. und die „Zwanze“, jenem schwer zu definierenden, liebenwert spöttischen Humor, der jeder Form der Macht verhalten gegenüber steht. Was zu einer gewissen Distanz gegenüber den Autoritäten führt... und zu einer fahrlässigen Nachsicht für deren zahlreiche Schnitzer. „Zwanze ist ein wenig wie ein Bier mit Grenadine“, erklärt Alain Berenboom. „Ein Mix aus herben Bier und süßen Sirup, zwei Zutaten, die eigentlich nicht zusammenpassen, aber die in Belgien zu einem Getränk vermischt werden, das „Mort subite“ („Plötzlicher Tod“) heißt. Es tötet aber nur die Griesgrämigen.“
Belgier meinen, dass niemand mehr als sie selbst Meister des völlig übergeschnappten Humors ist
Und wenn die Belgier noch Groll gegenüber den Franzosen hegen — oder vielmehr gegenüber dem Komiker Coluche und dessen „Belgier-Witze“ [vergleichbar mit den Ostfriesen-Witzen], dann, weil sie meinen, dass niemand mehr als sie selbst Meister des völlig übergeschnappten Humors ist. Die Schauspieler François Damien und Benoït Poelvoorde verkörpern am besten diesen rohen, unformatierten Witz, der von den Nachbarn oftmals missverstanden wird. Auf alle Fälle freuen sich die beiden, dass sie den WCs, „Wallon connus“ [bekannte Wallonen] zugerechnet werden, ein Begriff, der die Promis aus dem Süden von denen aus dem Norden, den BV [Bekende Vlamingen, „bekannte Flamen“], unterscheidet.
Ein Belgier-Witz zum Abschluss? „Wie viele Positionen gibt es im wallonischen Kamasutra? Zwei. On und Off.“ Gezeichnet Raoul Reyers vom Radiosender RTBF.
Zu den bereits erschienenen Teilen der Serie:
Deutsche Satire oder „politische Hygiene“Italienische Selbstironie, ein NationalsportDie Sitcom, bei der sich die Mittelschicht vor Lachen biegtTorrente, dümmer geht’s nimmerMit rumänischem Witz gegen die Diktatur