Ideen Citoyenneté européenne

Aufruf an die Bürger und Regierenden der Union: für eine demokratische europäische Macht

Auf Initiative des Vereins Civico Europa fordern mehrere Persönlichkeiten aus Politik, Kultur und Zivilgesellschaft in Europa, der Europäischen Union einen neuen Impuls zu geben und die Verbindung zwischen den Bürgern und ihren Verantwortlichen zu erneuern, um "legitimer, effektiver und schneller" zu entscheiden.

Veröffentlicht am 4 Januar 2021 um 08:00

Heute haben wir Europäer die Möglichkeit, die Europäische Union zur ersten demokratischen, multinationalen und mehrsprachigen Macht zu machen, die von ihren Bürgern aufgebaut wurde und der Welt gegenüber offen ist.

Diese Chance sollten wir nutzen!

Die Covid-19-Krise hat unser Bewusstsein gefördert und uns daran erinnert, wie prekär unser Leben ist und wie sehr unsere Schicksale miteinander verwoben sind.

Sie hat herausgestellt, wie wichtig Europa in einer neuen multipolaren Welt ist, und wie notwendig es ist, vereint zu sein und an einem Strang zu ziehen, um die immensen ökologischen, wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und sicherheitstechnischen Herausforderungen zu bewältigen, vor denen unsere Gesellschaften stehen.

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Sie hat auch offenbart, wie einzigartig unser Wirtschafts- und Sozialmodell ist.

In dieser beispiellosen Zeit - und trotz starker und trügerischer Versuchungen, sich auf sich selbst zurückzuziehen, hat die Union beschlossen, den Sprung zu wagen. Wir alle haben verstanden, wie hochmütig es wäre, wenn sich jeder nur noch um sich selbst kümmert.

Während der ersten Welle der Pandemie wagten es die Europäer, neue Formen der Solidarität zu erfinden, indem sie ein kollektives System zur Unterstützung von Unternehmen und arbeitslosen Bürgern einrichteten. Ferner wurde ein Wiederaufbauplan entworfen, der sowohl in seinem Umfang als auch seiner Philosophie beispiellos ist, und der an die Achtung der Rechtsstaatlichkeit gebunden ist. Es ist eine Union entstanden, die aus Krisen lernt, um ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken und ihre Bürger besser zu schützen.

Während wir all dies begrüßen, sind wir uns dennoch auch bewusst, dass diese Maßnahmen und Pläne nur dann Sinn machen, wenn sie den dauerhaften Interessen der Bürger der Union dienen, und Teil einer Wiederbelebungs-Perspektive des europäischen Projekts sind.

Das Risiko ist groß: Uns könnten Regeln und Lebensstile auferlegt werden, die wir nicht wollen, insbesondere im digitalen Bereich, der von einigen wenigen systemischen Plattformen dominiert wird.

Welche Alternative gibt es?

Zuallererst müssen wir uns die Mittel geben, um das europäische Konjunkturprogramm erfolgreich in die Praxis umzusetzen. Gleichzeitig müssen wir die Unterstützungssysteme für Unternehmen aufrechterhalten, und den Geltungsbereich der Beschäftigungs- und Einkommensunterstützung für alle Kategorien von Arbeitnehmern ausweiten, einschließlich derjenigen, die in prekären, atypischen oder selbständigen Arbeitsverhältnissen tätig sind.

Die finanzielle Tragweite ist erheblich. Allerdings wurde noch immer nicht wirklich darüber nachgedacht, welche Investitionen erforderlich sind, um sich positiv auf ein nachhaltiges und sozial integratives Wachstum auszuwirken.

So wie es derzeit aussieht, greifen die nationalen Konjunkturprogramme, die derzeit erstellt werden, und die vor allem mit europäischen Geldern finanziert werden sollen, alte und überholte digitale und ökologische Projekte auf.

Dies muss dringend korrigiert werden. Die Tarifparteien und Bürger müssen besser in die zu treffenden Entscheidungen einbezogen werden. Gleichzeitig müssen Investitionen mit einer wirklich europäischen Dimension gefördert werden. Sie sollten in der Lage sein, einen Neuen Europäischen Pakt zu schmieden, einschließlich eines ehrgeizigen Grünen New Deal.

Der Erfolg dieses Plans wird dazu beitragen, das Misstrauen zwischen den sparsamen und verschwenderischen Staaten abzubauen, und langfristig die Voraussetzungen für einen echten europäischen Haushalt zu schaffen. Nur dieser kann Europa zu einer wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen Macht des 21. Jahrhunderts machen.

Zweitens muss die Konferenz über die Zukunft Europas als eine Erfahrung echter demokratischer Bürgerbeteiligung konzipiert werden.

Ihr Ziel muss klar sein: Die Entwicklung einer zukunftsweisenden, mutigen und gemeinsamen Vision unserer Zukunft für die kommenden Jahrzehnte.

Das Experiment WeEuropeans, das 38 Millionen Bürger in 27 Ländern und in 24 Sprachen erreicht hat, zeigt, dass die europäischen Bürger wirklich daran interessiert sind, unsere gemeinsame Zukunft durch eine neue Form der kontinuierlichen, partizipativen und deliberativen Demokratie mitzugestalten, die unsere repräsentativen Demokratien ergänzt.  

Nur dieser neue demokratische Impuls, der eine echte Unionsbürgerschaft hervorbringt, wird in der Lage sein, eine Union des Wohlergehens, des Zusammenlebens und des Friedens zu gestalten, die Perspektiven für alle bietet. Eine Union, die durch die Mobilisierung der Bürger, der Staaten, der öffentlichen Einrichtungen und der Sozialpartner in der Lage sein wird, konkrete Lösungen für den Anstieg der Ungleichheiten und der Arbeitslosigkeit zu finden, die zur Erhaltung des Planeten beiträgt, sowie ihre Grundwerte Einheit, Freiheit, Solidarität und Demokratie garantiert und verteidigt.

Dringend muss uns die Möglichkeit gegeben werden, auf eine legitimere, effektivere und schnellere Weise zu entscheiden. Diese Entscheidungsfähigkeit ist in einer Zeit des sich stetig beschleunigenden technologischen Wandels und der Neugewichtung der weltweiten Großmächte unerlässlich.

Die derzeitigen Verträge ermöglichen es, in bestimmten Bereichen von der Einstimmigkeit zur qualifizierten Mehrheit überzugehen.

Wir sollten so bald wie möglich mit qualifizierter Mehrheit über alle Politiken und Maßnahmen der Union abstimmen.

Wir sollten das System der schwachen Zusammenarbeit hinter uns lassen, um einen wahrhaftig gemeinschaftlichen Aufbau zu fördern!

Wir bedauern den Austritt unserer britischen Freunde und sind überzeugt, dass mit London eine besondere und äußerst enge Beziehung entstehen wird.

Wenn wir allerdings eine Lehre aus ihrem Beitritt und ihrem Austritt ziehen können, dann Folgende: Je mehr Ausnahmen von einem Mitgliedstaat akzeptiert werden, desto weniger kann die europäische Einheit und Solidarität wachsen.

Es ist zweifellos an der Zeit, die Einheit unserer Union in die Wirklichkeit umzusetzen.

Um es klipp und klar auszudrücken: Dies wird nur möglich sein, wenn wir unsere Vielfalt und die kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und historischen Beiträge eines jeden von uns wirklich wertschätzen.

Wir sollten endlich den Mut haben, die Kultur in den Mittelpunkt des europäischen Programms zu stellen, damit wir wieder zu einem bedeutenden Zentrum der weltweiten Wertschöpfung werden, welches die besten Talente aller Länder anziehen kann.

Aber, noch einmal: Diese neue europäische Etappe wird nur möglich sein, wenn jeder Bürger sich das europäische Projekt zu eigen macht. Durch die Institutionalisierung eines Prozesses der kontinuierlichen, transparenten und inklusiven deliberativen Demokratie, der die konkrete Umsetzung der getroffenen Entscheidungen garantiert. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die Union zum Projekt aller wird!

Das Zeitfenster ist eng, aber der Kontext ist auf europäischer und globaler Ebene günstig.

Unsere kollektive Verantwortung ist gigantisch.

Lassen Sie uns den guten Willen von Millionen von Bürgern aus allen vier Ecken unserer Union zusammenbringen. All jene Bürger, die bereit sind, sich zu engagieren, solange noch Zeit dafür ist.

Übersetzung von Julia Heinemann | Voxeurop

Unterzeichner:

Auf Initiative der Co-Präsidenten von CIVICO Europa, Guillaume Klossa, ehemaliger Sherpa der Reflexionsgruppe zur Zukunft Europas (Europäischer Rat) und früherer Direktor der Europäischen Rundfunkunion, und Francesca Ratti, ehemalige stellvertretende Generalsekretärin des Europäischen Parlaments:

László Andor (HU), Wirtschaftswissenschaftler, ehemaliger EU-Kommissar;

Lionel Baier (CH), Filmregisseur; 

Brando Benifei (IT), Mitglied des Europäischen Parlaments, S&D-Fraktion, Präsident der Spinelli-Gruppe;

Massimo Cacciari (IT), Philosoph, ehemaliger Bürgermeister von Venedig, ehemaliger Abgeordneter des Europäischen Parlaments;

Jasmina Cibic (SI), Künstlerin;

Daniel Cohn-Bendit (FR/DE), ehemaliger Vorsitzender der Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament;

Jože P. Damijan (SI), Wirtschaftswissenschaftler;

Axel Dauchez (FR), Gründer von Make.org;

Philippe de Buck (BE), ehemaliger Generaldirektor von Business Europe; 

Paul Dujardin (BE), Generaldirektor von BOZAR; 

Pascal Durand (FR), Mitglied des Europäischen Parlaments, Gruppe Renew Europe;

Anthony Ferreira (FR), Generalsekretär von CIVICO Europa;

Michele Fiorillo (IT), Philosoph, Koordinator des CIVICO Europa Netzwerks;

Cynthia Fleury (FR), Philosophin;

Markus Gabriel (DE), Philosoph; 

Costa-Gavras (FR/GR), Filmregisseur;

Felipe González (ES), ehemaliger Premierminister, ehemaliger Vorsitzender der Reflexionsgruppe zur Zukunft Europas;

Sandro Gozi (IT), Mitglied des Europäischen Parlaments, Fraktion Renew Europe, Präsident der Union Europäischer Föderalisten (UEF), ehemaliger Minister für europäische Angelegenheiten;

Ulrike Guérot (DE), Politikwissenschaftlerin, Direktorin des European Democracy Lab;

Danuta Hübner (PL), ehemalige EU-Kommissarin, Mitglied des Europäischen Parlaments, EVP-Fraktion ;

Aleksander Kwaśniewski (PL), ehemaliger Präsident der Republik;

Philippe Lamberts (BE), Ko-Vorsitzender der Fraktion Die Grünen/EFA im Europäischen Parlament;

Jernej Lorenci (SI), Theaterdirektor;

Robert Menasse (AT), europäischer Schriftsteller in deutscher Sprache;

Jonathan Moskovic (BE), ehemaliger Koordinator des G1000, Berater für demokratische Innovation;

Stojan Pelko (SI), ehemaliger Staatssekretär für Kultur;

Janez Pipan (SI), Theaterdirektor;

Rossen Plevneliev (BG), ehemaliger Präsident der Republik;

Janez Potočnik (SI), ehemaliger EU-Kommissar;

Sneška Quaedvlieg-Mihailović (NL/RS), Generalsekretärin von Europa Nostra; 

Nina Rawal (SE), Gründerin von "Emerging Health Ventures";

Maria João Rodrigues (PT), Präsidentin der Foundation for European Progressive Studies (FEPS), ehemalige Abgeordnete des Europäischen Parlaments;

Petre Roman (RO), ehemaliger Premierminister;

Yvan Sagnet (CM), Schriftsteller, Gründer der NoCap Association;

Fernando Savater (ES), Philosoph; 

Roberto Saviano (IT), Schriftsteller; 

Elly Schlein (IT), Vizepräsidentin der Region Emilia Romagna, ehemalige Abgeordnete des Europäischen Parlaments;

Andreas Schwab (DE), Mitglied des Europäischen Parlaments, EVP-Fraktion;

Gesine Schwan (DE), Präsidentin der Regierungsplattform Humboldt-Viadrina;

Daniela Schwarzer (DE), Direktorin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP);

Denis Simonneau (FR), Präsident von EuropaNova;

Claus Haugaard Sørensen (DK), ehemaliger Generaldirektor der Europäischen Kommission; 

Farid Tabarki (NL), Gründer von Studio Zeitgeist; 

Danilo Türk (SI), ehemaliger Präsident der Republik, Präsident der World Leadership Alliance-Club de Madrid;

Guy Verhofstadt (BE), ehemaliger Premierminister, Mitglied des Europäischen Parlaments, Gruppe Renew Europe; 

Boštjan Videmšek (SI), Journalist, EU-Klimapakt-Botschafter;

Vaira Vīķe-Freiberga (LV), ehemalige Präsidentin der Republik;

Cédric Villani (FR), Mathematiker, Fields-Medaille, Parlamentsabgeordneter ;

Pietro Vimont (FR), Gründungsmitglied von CIVICO Europa;

Luca Visentini (IT), Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes;

Sasha Waltz & Jochen Sandig (DE), Choreograph bzw. Direktor der Sasha Waltz Company;

Alenka Zupančič (SI), Philosophin;

Samuel Žbogar (SI), Leiter der EU-Delegation in Skopje, ehemaliger EU-Sonderbeauftragter im Kosovo, ehemaliger Außenminister;

Slavoj Žižek (SI), Philosoph.

Es ist möglich, sich auf folgender Website an diesem Aufruf zu beteiligen: 

www.civico.eu 

Kontakt: guillaume.klossa@civico.eu - francesca.ratti@civico.eu 


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