Rumänien-Bulgarien
Der rumänische Regierungschef Victor Ponta besucht Brüssel, 12. Juli.

Bukarest und Sofia blitzen in Brüssel ab

Die beiden am 18. Juli von der Europäischen Kommission veröffentlichten Berichte über die Rechtsstaatlichkeit in den Beitrittsländern von 2007 stellen Verstöße gegen die Demokratie und Versäumnisse bei der Bekämpfung der Kriminalität heraus. Jetzt debattiert die Presse dort.

Veröffentlicht am 18 Juli 2012 um 14:27
Der rumänische Regierungschef Victor Ponta besucht Brüssel, 12. Juli.

„Der Angriff der USL auf den Rechtsstaat hat uns von Schengen distanziert,“ klagt România liberă an. Die Tageszeitung macht die derzeitige Regierungskoalition für die Strenge des Berichts der Europäischen Kommission über die Lage von Justiz und Demokratie im Land verantwortlich. Dieser „Misserfolg“ ist das Ergebnis einer schnellen Eskalation, basierend auf:

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einer Reihe übertriebener, verfassungswidriger Entscheidungen, deren Höhepunkt die Veröffentlichung von Eilerlässen in verbotenen Bereichen wie die Einschränkung der Zuständigkeit des Verfassungsgerichts (dem das Recht aberkannt wurde, über Parlamentsbeschlüsse zu urteilen) oder die Änderung des Gesetzes durch Referendum war.

Adevărul ruft in Erinnerung, dass dieser Bericht der Europäischen Kommission unter den Kooperations- und Überprüfungsmechanismus (CVM) fällt, „die Bedingung, unter der unser EU-Beitritt und derjenige Bulgariens 2007 akzeptiert wurden,“ und dass sein Tonfall beunruhigend ist:

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Rumänien erhält den kritischsten Bericht über die Justiz seit seinem EU-Beitritt: die Grundwerte Europas werden nicht respektiert, das Vertrauen der EU ist erschüttert, die Überwachung wird durch „regelmäßige Bewertungsmissionen in Bukarest“ verstärkt.

In einem Editorial betont die Tageszeitung, dass alle in den letzten Jahren kontinuierlich verzeichneten Fortschritte innerhalb weniger Tage zunichte gemacht wurden. Hierfür gibt sie Ministerpräsident Victor Ponta, Interimspräsident Crin Antonescu und Medienmagnat Dan Voiculescu die Schuld:

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Was hat das Trio Ponta-Antonescu-Voiculescu erreicht? Es hat Europa davon überzeugt, dass unsere empfindliche Demokratie mit einem einfachen Fingerschnippen zunichte gemacht werden kann. Und dass der Rechtsstaat eine Illusion ist, für deren Verschwinden schon wenige Eilerlässe sorgen. […] Dieses Image werden wir so leicht nicht wieder loswerden. Selbst in einigen Jahren, wenn wir Einlass in die Salons der besseren Gesellschaft suchen werden, wird man uns noch an den Horror von Juli 2012 erinnern.

In Sofia stellt Sega fest, dass „der verheerende Bericht der Europäischen Union Tsvetanov nicht daran hindert, zu prahlen.“ Innenminister Tsvetan Tsvetanov hatte wenige Stunden vor Veröffentlichung des Berichts der Europäischen Kommission vor dem Parlament einen „verzweifelten Versuch“ unternommen, die Tragweite der Kritik von Brüssel zu mildern:

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Wir sind den europäischen Empfehlungen zu 100% gefolgt, so der Minister, dem Bericht zufolge ist dies jedoch nicht der Fall, denn dort ist zu lesen, dass das organisierte Verbrechen für Bulgarien die größte Herausforderung bleibt.

Angesichts dessen, was viele als „den schlechtesten Bericht seit dem EU-Beitritt des Landes im Jahr 2007“ betrachten, bemühen sich manche, wie z.B. die Tageszeitung Standart, gute Miene zum bösen Spiel zu machen:

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Durch die Standpauke aus Brüssel entfernen wir uns von Schengen. Andererseits schützt sie uns jedoch vor einer Welle illegaler Einwanderer.

Für Andreï Kovatchev, Europaabgeordneter und Mitglied der GERB, der Mitte-rechts-Partei von Ministerpräsident Bojko Borisov, ist es eine „gute Nachricht“, dass für Bulgarien und Rumänien jetzt getrennte Berichte erstellt werden. Die nie dagewesene Kritik an Bukarest beschäftigt nämlich die bulgarischen Kommentatoren, die sich fragen, welche Auswirkungen dieser Umschwung haben wird – denn bisher war Bulgarien Rumänien gegenüber stets im Rückstand. Für die populäre Tageszeitung Trud ist es dagegen

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keine sehr europäische Haltung, zu sagen, uns gehe es besser, weil es unseren Nachbarn schlechter geht.“

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