Anfang September veröffentlichte die Tageszeitung NRC Handelsblad einen offenen Brief mit dem Titel "Die CO2-Einlagerung ist unabdingbar, um den Klimawandel zu stoppen" an das holländische Parlament. Unterzeichner sind 32 Persönlichkeiten wie die Direktoren von Shell, der Stromlieferanten Nuon et Gasunie, der DSM [Minen und Chemie] und Siemens sowie der ehemalige Ministerpräsident Ruud Lubbers aber auch eine Reihe von Forschern und Professoren des TNO [unabhängiges Forschungszentrum] und der Universitäten von Delft, Groningen, Utrecht und Wageningen für diese Technik aus. Mit soviel geballter Macht und Erkenntnis gewinnt man den Eindruck, dass es sich um eine Entwicklung handelt, die man nicht verpassen sollte. Das wäre aber in den Niederlanden beinahe geschehen, denn Einwohner und lokale Behörden der Stadt Barendrecht leisteten hartnäckigen Widerstand gegen das Vorhaben, unter ihren Häusern Kohlendioxid einzulagern. Das von Shell geleitete Projekt hatte bereits das Einverständnis der Provinz Frise erhalten.
Die Interessen hinter derCO2-Einlagerung nehmen stetig zu und Subventionen seitens der niederländischen Regierung und der Europäischen Union motivieren zusätzlich. Shell hat daher Wind- und Solarenergie aufgegeben und setzt momentan alle Karten auf die CO2-Einlagerung und auf alternative Brennstoffe zum Erdöl. Die Stromproduzenten könnten mit neuen Kohlekraftwerken zusammenarbeiten und deren Kohlendioxid-Ausstoß nutzen. Universitäten und Wissenschaftsinstitute können aus unzähligen neuen Forschungsthemen schöpfen und die Gasgruppe Gasunie sieht in der Methode eine Möglichkeit zur Nutzung der ausgeschöpften Erdgaslager und ungenutzten Gasleitungen. Auch die Politiker können von einer nachhaltigen Lösung sprechen, ohne die Verärgerung der Großindustriellen auf sich zu ziehen und so zu Vorreitern der neuen Technik im Kampf gegen den Treibhausgaseffekt werden.
Greenpeace sperrt sich gegen Einlagerung
Was spricht also gegen die CO2-Einlagerung? Die Abgeordneten haben etwas zögerlich dem Barendrechter Projekt grünes Licht gegeben, denn man sollte ja nichts im Kampf gegen die Erderwärmung unversucht lassen. Noch vor wenigen Jahren teilten die Experten die reservierte Haltung der Abgeordneten, nach deren Meinung die unterirdische CO2-Einlagerung kostspieliger sei, als die Bezahlung der Ausstoßrechte für eine Tonne CO2. Die Techniken zur Ausfilterung des Gases in den verschiedenen Produktionsstufen stecken noch in den Kinderschuhen. Es dauert sicher noch zehn bis zwanzig Jahre, bis das Kohlendioxid in großen Mengen und kommerziell rentabel eingelagert werden kann – zulange, um schnell Erfolge bei der Eindämmung der Erderwärmung zu erzielen. Die Gegner der Methode heben auch hervor, dass das Vergraben von CO2 nur eine Übergangslösung sei und zusätzlich Energie verbrauche. Das Interesse der Öl- und Kohleindustrie ist natürlich nachvollziehbar, aber es handelt sich hier nicht um eine wundersame Erfindung. Deshalb ist Greenpeace im Gegensatz zur pragmatischeren Stiftung Natuur & Milieu strikt gegen die Einlagerung von Kohlendioxid.
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Bei den Experten hat sich das Blatt gewendet, stellt Krijn de Jong, Professor für anorganische Chemie an der Universität von Utrecht, fest. Er ist verwundert darüber, dass einige seiner vorher skeptischen Kollegen nun diese Technik unterstützen. "Momentan posaunt jeder hinaus, dass eine Einlagerung ohne Risiko möglich ist", erklärt De Jong. Er selbst zweifelt daran. Und die Unsicherheit kreist auch bei Shell, wo er früher arbeitete. "Keiner von den Leuten, mit denen ich gesprochen habe, findet die Idee wirklich gut ", behauptet er. "Sie befürchten, dass alle mit dem Finger auf Shell zeigen würden, wenn etwas bei der Einlagerung schief gehen sollte." De Jong glaubt, dass man später diese Entscheidung bereuen wird. "Zu diesem Thema wird es zahlreiche parlamentarische Enquete-Kommissionen geben."
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