Dublin, November 2009. Demonstration gegen die Sparmaßnahmen der Regierung. (AFP)

Bittere Pillen in der Lohntüte

Von der Krise und der hohen Staatsverschuldung erdrückt, haben mehrere Staaten beschlossen, die Beamtengehälter zu kürzen. Da den einzelnen Ländern keine Abwertung des Euro möglich ist, eine zwar unbeliebte aber notwendige Maßnahme. Und neu ist sie auch nicht, wie Il Sole 24 Ore erklärt.

Veröffentlicht am 12 März 2010 um 15:43
Dublin, November 2009. Demonstration gegen die Sparmaßnahmen der Regierung. (AFP)

Die Zeit der unberührbaren, allerheiligsten garantierten Beamtengehälter ist vorbei. Innerhalb oder außerhalb der Eurozone ist Griechenland mit seiner Entscheidung, die Gehälter des öffentlichen Dienstes um sieben Prozent zu kürzen, nur das letzte Land in einer Reihe von Staaten, die seit einem Jahr ähnliche Maßnahmen getroffen haben. Eine Geschichte, die nicht im Mittelmeerraum begann, sondern im Baltikum. In Lettland, jenem kleinen Land am Baltikum, das als erstes die Notbremse zog, wurden im Oktober 2009 die Beamtengehälter auf das Niveau von 2006 gekürzt. Die Lohneinbußen von bis zu 20 Prozent für Lehrer und andere Berufssparten riefen im vergangen Frühling und Winter zwar heftige Proteste hervor, doch letztlich wurden sie alle akzeptiert.

Eine drohende Abwertung der Währung konnte damit verhindert werden. Dem Land gelang es, den Zusammenbruch seines BIPs (- 17 Prozent in 2009) aufzuhalten und seine Staatsfinanzen wieder aufzupäppeln. Die lettische Staatsverschuldung wird von den Rating-Agenturen nicht mehr als hoher Risikofaktor eingestuft. Genau genommen hat Lettland, und auf ähnliche Weise die anderen baltischen Länder, eine innerstaatliche Währungsabwertung vorgenommen. Der Wechselkurs wurde beibehalten, die Gehälter aber gekürzt. Mit einer Abwertung der Währung und der daraus resultierenden Inflation wäre das reale Einkommen auch zurückgegangen. Ein harter Schlag in einem Land, in dem das monatliche Durchschnittseinkommen bei 500 Euro liegt. Ein Staatsbankrott konnte aber so vermieden werden.

Irland und Griechenland: Es geht um die Mitgliedschaft in Euroland

Die Regierung Irlands kündigte im Dezember Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst an. Ein hartes Erwachen aus dem Traum, das Land in ein Finanzimperium zu verwandeln. Das Klima verschlechterte sich noch, als ein paar Wochen später die Einschnitte in die Gehälter der hohen Staatsdiener verringert wurden. Die Parlamentsdebatte war heftig, das Ergebnis der Abstimmung knapp, aber die Regelung wurde angenommen. Was für Irland und Griechenland auf dem Spiel steht, ist es, zu beweisen, dass beide Länder weiterhin zur Eurozone gehören können, von der sie enorm profitieren. Die Eurozone ist es aber auch, die sie zwingt, eine Sozialpolitik zu betreiben, der sie ansonsten mit einer Abwertung der Landeswährung ausgewichen wären. Dies ist aber nicht mehr möglich.

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Nur dem Anschein nach hätte es keine Einschnitte bei den Gehältern im privaten wie im öffentlichen Sektor gegeben. Fakt ist, dass es bei einer Abwertung auch Einbußen gegeben hätte, vielleicht sogar schmerzhaftere. Der seit Monaten im Rampenlicht stehende Fall Griechenland, der zu Sorgen über die Stabilität des Euro führte, brachte nur ein Phänomen ans Licht, das bereits existierte. Ein Phänomen, dass noch weitere labile Länder der Eurozone treffen könnte wie Portugaloder Spanien. Auch Italien könnte es streifen. Selbst wenn das Land nicht grundsätzlich als labil zu bezeichnen ist, wird es die Ereignisse mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgen.

Großbritannien und Mitteleuropa: Abwertung kann nicht die Lösung sein

Großbritannien, das gleich den USA viel Geld in die Rettung ihres Bankensystems gepumpt hat, wird sich ähnliche Fragen stellen müssen, will es das bereits geschwächte Pfund nicht noch größeren Risiken aussetzen. Schatzkanzler Alistair Darling beließ es aber bei der Forderung nach einer Reduzierung der Abfindungen bei Entlassungen. Die betroffene Gewerkschaft, die Public and Commercial Services Union, reagierte prompt und kündigte einen dreitägigen Streik an.

Auch Länder Osteuropas verordneten Lohnstopps im öffentlichen Dienst, so Ungarn und die Tschechische Republik, die beide danach streben, der Eurozone beizutreten. Sie wissen, dass eine Abwertung ihrer Währung diesen Beitritt verzögern würde. Für viele dieser Länder wäre zudem eine Abwertung ihrer Währung umso kritischer, als dass viele ihrer Bürger in Devisen verschuldet sind — Euro, schwedische Kronen, Schweizer Franken — für sie hätte eine Abwertung katastrophale Folgen. Dem wurden Gehaltskürzungen vorgezogen, angefangen bei den Beamten. Das ganze erinnert an Ereignisse, die die letzten zwei Generationen nicht gekannt haben, aber vielen Älteren noch ein Begriff sind: die Kürzungen von Beamtengehältern überall in Europa in den dreißiger Jahren, sei es in Italien oder Großbritannien.

Sparpläne

Bürger protestieren

Am Freitag dem 5. März wurde ganz Griechenland durch einen Streik der öffentlichen Verkehrsbetriebe und der Fluglotsen lahmgelegt. Am Vortag gab es in Portugal einen von den Gewerkschaften ausgerufenen Generalstreik im öffentlichen Dienst. Grund dieser Unmutsbezeugungen waren die Sparprogramme der beiden hochverschuldeten Länder, die unter anderem Lohnkürzungen vorsehen. Griechenland kündigte an, dass das 13. Monatsgehalt der Beamten um 30 Prozent gekürzt werden soll, das 14. gar um 60 Prozent. In Portugal geht es um einen Lohnstopp im öffentlichen Dienst. Auch bei den Renten soll gespart werden. Die Sparpläne hätten unweigerlich ein verlangsamtes Wirtschaftswachstum zur Folge, was zusätzlich zu Entlassungen im privaten Sektor führen würde. Steigende Arbeitslosigkeit wiederum fördere Lohndumping. Vielen Menschen dieser Länder erscheinen die Maßnahmen unvertretbar, da sie nicht den Eindruck haben, über ihre Verhältnisse zu leben, sondern lediglich den Lebensstandard ihrer europäischen Nachbarn einholen würden.

Alain Faujas, Le Monde (Auszüge)

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