Nachrichten Arabische Revolution

Lady Ashton hat sich ausgebootet

Nun versprach Catherine Ashton bis 2013 eine Unterstützung für Tunesien in Höhe von 258 Millionen Euro. Libération bemerkt, dass erst die tunesischen Boatpeople an den Küsten von Lampedusa anlaufen mussten, damit die EU endlich der tunesischen Revolution aktive Hilfestellung leistete.

Veröffentlicht am 17 Februar 2011 um 15:04

Will Catherine Ashton von der Nichtexistenz Europas seit Beginn der arabischen Revolutionen ablenken? Die „EU-Außenministerin“ war am 16. Februar in Tunis, wo sie eine europäische Unterstützung in Form von Barem ankündigte (17 Millionen Euro sofort, 258 Millionen bis 2013), und reist am 22. nach Kairo, als erste ausländische Entscheidungsträgerin, die sich seit dem Fall des Rais in dieses Land begibt. Auch der Libanon, Israel, die besetzten Gebiete und Jordanien dürfen sich auf ihren Besuch freuen. Unentschlossenheit.

Ein etwas verspäteter Aktivismus, denn die Union hatte sich bislang damit begnügt, den Niedergang der „befreundeten“ Diktaturen zur Kenntnis zu nehmen, der geringsten Initiative unfähig. Dabei betrachtet Europa die Länder des Mittelmeerraums als seinen Hinterhof, als privilegierten Ausübungsort seiner brandneuen gemeinsamen Außenpolitik. Das ging erst einmal daneben. Die Baronin Ashton, die doch endlich über einen einsatzfähigen diplomatischen Dienst verfügt, hat sich zum Alleingang nicht getraut, aus Angst vor dem Missfallen der Mitgliedsstaaten. Sie hätte beispielsweise einen Sonderbeauftragten nach Tunesien oder Ägypten senden können, um auf den Lauf der Dinge einzuwirken. Doch dazu hätten sich die 27 erst einmal auf eine Haltung einigen müssen.

Genauer Spiegel der nationalen Unentschlossenheit

Die Unentschlossenheit Ashtons ist der exakte Spiegel der nationalen Unentschlossenheit, wie auch am Bild der immer auf dem falschen Fuß stehenden [frz. Außenministerin] Michèle Alliot-Marie zu sehen ist. „Frau Ashton hat sich dafür entschlossen, die Generalsekretärin der 27 zu sein“, bedauert Daniel Cohn-Bendit, Co-Vorsitzender der Grünen im Europäischen Parlament und eine der kritischsten Stimmen gegenüber den Fehlschlägen der Union. „Die europäische Außenpolitik kann nicht die Summe aller nationalen Diplomatien sein, sonst ist sie der kleinste gemeinsame Nenner.“ Doch die Mitgliedsstaaten, vor allem die großen, wollen Lady Ashton nicht die geringste Autonomie geben, wie sich am Dienstag Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso vor den EU-Abgeordneten beschwerte.

Das Europäische Parlament gibt auch nicht sehr viel mehr her als die Mitgliedsstaaten: „Angesichts dieses Tsunami, der dem Sturz der Berliner Mauer entspricht, blieb das Parlament sprachlos“, betont Cohn-Bendit. So vereinten die europäischen Sozialisten ihre Stimmen mit denen der rechten EVP, um am 18. Januar die Abstimmung über einen Beschluss hinsichtlich Tunesiens zu blockieren, bis sich die Situation stabilisierte...

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Erst die Boatpeople beenden die Apathie

Nur die Angst vor dem Migrationsdruck, verkörpert durch das Anlegen von 5000 tunesischen Bootsflüchtlingen an den italienischen Küsten, scheint die Europäer aus ihrer Apathie wachzurütteln. Gestern erklärte die EU-Kommissarin für Innenpolitik, Cecilia Malmström, den in Straßburg versammelten Abgeordneten, die Union werde alle Mittel mobilisieren, um Italien dabei zu helfen, die Migranten an der massiven Anreise nach Europa zu hindern.

Der mangelnde Enthusiasmus der EU angesichts der arabischen Revolutionen sei verständlich, erklärte die deutsche Abgeordnete der europäischen Grünen, Franziska Brantner, denn ihre ganze Einwanderungspolitik stütze sich auf die Mitarbeit der Diktaturen südlich des Mittelmeers. Falls diese zusammenbrächen, bedeute dies eine Katastrophe für Europa. So gab das Europäische Parlament letzten Monat grünes Licht für ein Assoziationsabkommen mit Libyen und Gaddafi, im Gegenzug zu seiner Mitarbeit am Kampf gegen die illegale Einwanderung. In diesem Land ist nun ebenfalls der Aufruhr ausgebrochen.

Aus dem Französischen von Patricia Lux-Martel

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!

Zum gleichen Thema