Marwa al-Sherbini wurde am 1. Juli in Dresden erstochen.

Die Stille nach dem Verbrechen

Der 1. Juli, an dem Marwa al-Sherbini in einem Dresdener Gerichtssaal erstochen wurde, ist über eine Woche her. In Ägypten löste der Mord einen Skandal aus. In Deutschland sind die Reaktionen spärlich, bedauert die Tageszeitung.

Veröffentlicht am 9 Juli 2009 um 16:54
Marwa al-Sherbini wurde am 1. Juli in Dresden erstochen.

Die Bundesregierung regierte spät. So spät, dass Karim El-Gawhari in seinem Kommentar in der TAZschreibt, die Regierung müssen sich den Verdacht gefallen lassen, "dass sie das erst tat, nachdem der Fall in Ägypten, aber auch in anderen ausländischen Medien hohe Wellen geschlagen hat. Hätte das große Schweigen in der Politik auch so lange angedauert, wenn ein Jude […] niedergestochen worden wäre, nachdem der Täter zuvor antisemitische Parolen gerufen hätte?" Schweigen in Berlin. Muslime dagegen würden bei jedem Anschlag muslimischer Fanatiker aufgefordert, Stellung zu beziehen, fügt El-Gawhari an. Deutschland stehe nun in Ägypten unter dem Generalverdacht der Islamophobie. Und keine Stimmen, die den Anschlag verurteilten. Einzige Ausnahme: "Man muss kein Muslim sein, um sich gegen antimuslimisches Verhalten zu wenden", zitiert die Zeitung der Generalsekretär des Zentralrats der Juden. "Selbstverständliche Worte, die [...] von der deutschen Politik [selbstherrlich] übergangen" wurden, schließt die Tageszeitung.

FAKTEN

Der Mord, der die Bundesrepublik zweifeln lässt

Marwa al-Sherbini wurde am 1. Juli in einem Dresdener Gerichtssaal ermordet. Die Ägypterin wurde von einem Deutschen russischer Herkunft erstochen. Sie war gekommen, um gegen ihn auszusagen, da er sie im August 2008 auf einem Spielplatz beleidigt hatte.

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Nach Informationen des Tagesspiegel hat sich Alex W. kurz vor der Tat offen zu seiner Sympathie für die NPD bekannt. "Haben Sie überhaupt ein Recht, in Deutschland zu sein? Sie haben hier nichts zu suchen. Wenn die NPD an die Macht kommt, ist damit Schluss. Ich habe NPD gewählt", habe er erklärt, bevor er sich auf die schwanger Frau stürzte und sie mit 18 Stichen in den Körper tötete. Seitdem ist in Deutschland eine Debatte um die Hintergründe des Dramas entbrannt. Die Zeit schreibt, die NPD versuche schon länger, Russlanddeutsche zu agitieren, obwohl viele Neonazis die Aussiedler als Ausländer ansehen. Der Koordinationsrat der Muslime forderte eine klare Stellungnahme der Politik und machte den "Hass auf Muslime und Fremde" für den Tod al-Sherbinis verantwortlich.

Laut des Rats häuften sich seit dem Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst auf einschlägigen Internetseiten Hetze und Verleumdungen: "Marwa ist das bisher tragischste Opfer unserer muslimischen Schwestern, die unter Demütigungen, Verdächtigungen und Diskriminierungen zu leiden haben". In Ägypten stellt die Presse die junge Frau als "Kopftuchmärtyrerin" dar. Vor der deutschen Botschaft in Kairo skandierte ein Dutzend Demonstranten "Deutsche sind die Feinde Gottes".

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