Mehrsprachigkeit erwünscht. Deutsche Studenten im Vorlesungssaal. Foto: www.auswaertiges-amt.de

Englisch erobert Europas Vorlesungssäle

Der Europäische Hochschulraum hat die englische Sprache zur Arbeitssprache erklärt. Immer mehr Diplome werden in ihr verliehen. Und nun sind es die britischen Universitäten, die langsam anfangen, gegenüber den anderen europäischen Hochschulen an ihrem "Wettbewerbsvorteil" zu zweifeln.

Veröffentlicht am 16 September 2009 um 16:32
Mehrsprachigkeit erwünscht. Deutsche Studenten im Vorlesungssaal. Foto: www.auswaertiges-amt.de

In welcher Sprache kann ein spanischer Student in Polen wohl studieren? Und was ist mit einem polnischen Studenten in Spanien? Und einem deutschen Studenten in Schweden? Einem Franzosen in Litauen? Die Vielzahl an EU-Sprachen scheint momentan eher ein Hindernis für die Durchsetzung des europäischen Hochschulraumes zu sein, welcher den Studenten Mobilität bescheren soll. Als Ergebnis lässt sich eines sicher festhalten: Die englische Sprache entwickelt sich gerade zur lingua franca der europäischen akademischen Welt. Um dieses Ziel jedoch zu erreichen, wird man mittel- und längerfristige Investitionen benötigen (nicht nur wirtschaftliche, sondern vor allem auch organisationstechnische Verbesserungen, sowie ganz viel politischen Enthusiasmus), und hier und da auch auf Schwierigkeiten stoßen.

Zunächst einmal heißt Mobilität für die Gastgeberstaaten, dass sie in die Ausbildung von Ausländern investieren, deren Studiengebühren in vielen Fällen (wie beispielsweise in Spanien und Deutschland) nicht annähernd ausreichen, um die gegenwärtigen Kosten ihrer Studien abzudecken. In der Tat finanziert das Gastland die Ausbildung der benachbarten Bevölkerung, ohne jemals dafür eine Gegenleistung zu bekommen. Mit diesem Aspekt werden sich die Mitgliedsstaaten noch auseinandersetzen müssen.

Das Erasmus-Modell

Zweitens ist das Angebot des in englischer Sprache angebotenen Unterrichts (vor allem in Universitäten) noch immer sehr gering. Besonders viele Länder Südeuropas haben sich mit der bevorstehenden Aufgabe, solide Ausbildungen in englischer Sprache anzubieten, die letzten Jahrzehnte über Zeit gelassen haben.

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So sieht es in der EU drei Monate vor der offiziellen Einführung des Europäischen Hochschulraumes (EHEA, European Higher Education Area) im Jahr 2010 aus. 47 Länder hatten sich damit einverstanden erklärt, nachdem sie seiner Bildung in der Bologna-Prozess-Erklärung von 1999 zugestimmt hatten. Und bis zum heutigen Tag haben die verschiedenen Regierungen noch keine überzeugenden politischen Programme und Maßnahmen eingeleitet, um die Hindernisse überwinden zu können.

Englisch - lingua franca der Alma Mater

"Um dem Unterricht an Universitäten folgen zu können, wird eine vollkommene Mobilität auch in den kommenden Jahren die Ausnahme bleiben. Ausschließlich prestigereichen Universitäten und ganz spezifischen Studiengängen wird dies vorbehalten sein", vermutet der Präsident der UNED (Spaniens Nationale Universität für Fernstudien), John Gimeno, der auch den Vorsitz des Komitees für internationale Angelegenheiten der Spanischen Konferenz der Universitätspräsidenten (CRUE) innehat. "Das Erasmus-Modell muss weiterentwickelt und ausgebaut werden, damit die Studenten einige Universitätskurse in anderen EU-Ländern, aber auch Doppelprogramme verschiedener Universitäten belegen können. Auch zwischen den Universitäten wird es Absprachen geben… Jedoch wird es noch mehrere Jahre dauern, bis man von einer absoluten Mobilität sprechen kann."

"Karl V. hat gewöhnlich von sich behauptet, er spräche Spanisch zu Gott, Italienisch zu den Frauen, Französisch mit den Männern und Deutsch mit seinem Hund. Heutzutage würde er wahrscheinlich hinzufügen: Und Englisch mit Akademikern." Mit dieser Anekdote wird man die Präsentation eines Seminars über universitäre Sprachpolitik- und Strategien für die EU einleiten, welches im Dezember in Brüssel abgehalten werden soll. Für Europa steht gerade hier viel auf dem Spiel. "Sollten wir viel mehr in englischer Sprache lehren", fragen sich die Experten. Doch liegen der Debatte verschiedene Fragen zugrunde: Wie können wir eine lingua franca für viel mehr Mobilität fördern und dennoch garantieren, dass diejenigen, die in einer anderen Sprache studieren, dennoch eine solide akademische Ausbildung erhalten? In welchem Maße werden Sprachen und Kulturen durch diese allzu sehr marktorientierte Universitätspolitik für Sprachen geschwächt? Kann man diese politischen Programme auch wirklich mit anderen Politiken vereinbaren, welche die europäische Vielfalt und Mehrsprachigkeit garantieren und fördern sollen?

Jedem Land sein Modell

Auf der anderen Seite schlagen die Briten Alarm. Die prestigeträchtige Times Higher Education hat ihrenLeitartikelkürzlich folgendem Phänomen gewidmet: "Everyone is talking the talk". "Die zunehmende Verwendung des Englischen in Hochschulen in ganz Europa könnte Großbritannien seinen vitalen Wettbewerbsvorteil kosten", warnt die Zeitung. Wird die englische Sprache also wirklich zur lingua franca der europäischen Universtäten? Der Präsident der UNED ist davon überzeugt und meint, dass "das britische Angebot der aktuellen Nachfrage nach Studienprogrammen in englischer Sprache nicht gerecht werden kann. Beispielsweise studiert man auch auf Englisch in den skandinavischen Länder, die schon immer ein viel größeres Angebot an englischem Unterricht hatten."

Der letzte und vielleicht wichtigste und ausschlaggebendste Aspekt studentischer Mobilität ist die Finanzierung. Wer wird für die Rechnung aufkommen, wenn Studenten ständig die Länder wechseln? Schließlich sind die staatlichen Subventionen für Universitätsstudien nicht in ganz Europa gleich. In Spanien etwa entsprechen Studien- und Immatrikulationsgebühren ca. 12 Prozent der aktuellen staatlichen Hilfen, wobei sich der gesamte Zuschuss vom Staat auf etwa 5000 Euro pro Jahr beläuft. In anglo-amerikanischen Ländern hingegen entsprechen die Studiengebühren ca. 35 Prozent der staatlichen Hilfen. In den USA kostet ein Student den Staat jährlich durchschnittlich 20.000 Euro. Jedes EU-Land hat ein anderes Finanzierungsmodell und genau das macht die Dinge nur noch komplizierter.

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