Weg mit dem Unwort

Veröffentlicht am 20 September 2012 um 11:37

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Auf ihre Titelseite hebt De Morgen heute die bemerkenswerte Schlagzeile: „Warum wir von De Morgen das Wort ‚Allochthon’ [Fremde] nicht mehr verwenden“. Obwohl der Begriff von allen Seiten dafür kritisiert wird, dass er stigmatisiert, benutzen Niederländer und frankophone Belgier ihn für Einwanderer oder Menschen mit Migrationshintergrund. Die Entscheidung begründet Chefredakteur Wouter Verschelden mit folgenden Worten: Unser Blatt hat entschieden,

diesen sehr schwammigen Begriff einfach nicht mehr zu verwenden. Eigentlich bezeichnet er Menschen, die ‚nicht von hier’ sind, aber in Wirklichkeit wird er nicht für Niederländer, Franzosen oder Deutsche gebraucht, sondern vielmehr als Sammelbegriff verwendet, der unzählige Erscheinungen umfasst: Muslime, mangelhaft Ausgebildete, Benachteiligte, Araber, Nordafrikaner, Nicht-Europäer.

Außerdem handelt es sich um ein „einzigartiges sprachliches Phänomen“, argumentiert die Zeitung weiter:

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In der englischen und französischen Sprache gibt es den Begriff ganz einfach nicht. [...] In diesen Ländern steckt man die betroffenen Personen nicht einfach in die gleiche Schublade. [Damit drücken wir ihnen ein] grob vereinfachendes Etikett auf, dass die Menschen untereinander überhaupt nicht differenziert betrachtet. [Selbst die Kinder von Einwanderern] werden oft als ‚Allochthone’ gebrandmarkt. Wann also wird man bitte nicht mehr als Allochthon angesehen? Können Journalisten qualitativ hochwertige Inhalte produzieren, wenn sie diesen Begriff verwenden, obwohl sie sich dessen bewusst sind, dass er stigmatisiert und ausgrenzt?

„Nein“, lautet die Antwort der Zeitung, die allerdings auch betont, dass dies nicht bedeutet, dass „Probleme multiethnischen und multireligiösen Ursprungs“ dadurch heruntergespielt oder beschönigt werden sollen. Die Entscheidung kommt nicht aus heiterem Himmel. Sie steht im Kontext einer Serie von Ereignissen in Belgien, wie der Film Femme de La Rue (Frau von der Straße) - eine Dokumentation über sexuelle Belästigung junger Migrantinnen in Brüssels Straßen, die gewaltsame Reaktion auf den Film Die Unschuld der Muslime in Antwerpen und die Polemik um Bart De Wever. Der Chef der flämischen Nationalisten hatte angekündigt, er werde den Slogan der Stadt Antwerpen „Die Stadt gehört uns allen“, abschaffen, falls er dort am 14. Oktober zum Bürgermeister gewählt werde.

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