Das Problem mit Deutschland

Veröffentlicht am 15 März 2013 um 12:27

Cover

„Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst der deutschen Macht”, schreibt der Historiker Brendan Simms auf der Titelseite der The New Statesman, die sich mit dem „deutschen Problem” beschäftigt. Die Tageszeitung unterstreicht, dass der Einfluss Deutschlands in den letzten fünf Jahren „bemerkenswert zugenommen” hat. Berlin ging es auch während der Wirtschaftskrise gut und Deutschland scheute sich nicht, die Europäische Zentralbank (EZB)

vom Anleihen-Ankauf abzuhalten, den sich die Länder der bankrotten europäischen Peripherie sehnlichst wünschen. Stattdessen wurde ihnen eine Diät von ungenießbaren ‚Fiskalregeln’ verordnet. […] Es ist daher nicht verwunderlich, dass der Kontinent von einer Welle politischer und populärer Deutschlandphobie erfasst wurde.

Simms glaubt, dass Deutschland in den letzten 500 Jahren abwechseln entweder diplomatisch zu stark oder zu schwach war.

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Heute ist Deutschland gleichzeitig zu stark und zu schwach, aber auf jeden Fall zu unengagiert. Das Land hat sich im Herzen der EU eingenistet, welche eigentlich die deutsche Macht einschränken sollte. Stattdessen hat die Union dazu gedient, diese Macht zu stärken. Die Konstruktionsfehler der EU haben ungewollt viele andere Mitgliedsstaaten ihrer Souveränität beraubt, ohne ihnen eine demokratische Beteiligung an der neuen Ordnung zu ermöglichen.

Nun stellt sich die Frage, wie die Bundesrepublik, die so wohlhabend und gesichert ist wie nie zuvor, überzeugt werden kann, die politische Initiative zu ergreifen und die notwendigen wirtschaftlichen Zugeständnisse zu machen, um die europäische Einheit zu vollenden? Die deutsche Frage wird uns auf jeden Fall immer beschäftigen. Denn wann immer Europa und die Welt glauben, sie hätten die Frage gelöst, wird sie von den Ereignissen und den Deutschen geändert.

Der Historiker und Kolumnist Dominic Sandbrook schreibt in der Daily Mail, dass immer mehr Europäern zufolge „Deutschland zum dritten Mal in weniger als 100 Jahren versucht, die Kontrolle über Europa zu übernehmen.” Er verweist auf die Aussagen des ehemaligen Euro-Gruppenchefs Jean Claude Juncker, der zwischen 2013 und dem Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges Parallelen zieht und vor der noch immer existierenden Bedrohung eines europäischen Krieges warnt. Sandbrook schreibt in Bezug auf Deutschland weiter –

Wenn die Deutschen weiterhin den europäischen Völkern harte Wirtschaftszwänge auferlegen, könnten soziale Entfremdung, internationale Auseinandersetzungen und politischer Extremismus dramatische Züge annehmen. In Athen, Rom und Madrid waren bereits blutige Proteste gegen das deutsche Wirtschaftsjoch zu erleben. [...] Aufgrund der scheinbar endlosen politischen Krise wird Deutschland nicht mehr als Europas wirtschaftlicher Retter angesehen, sondern als sein Unterdrücker. [...] In Wahrheit hat der enggeschnallte Gürtel um so unterschiedliche Wirtschaftsnationen wie Portugal, Griechenland, Frankreich, Italien und Deutschland nur dazu geführt, das Feuer alter Feindschaften wieder zu entflammen.

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!

Zum gleichen Thema