So sieht Europa in zwanzig Jahren aus, meint Rechtspopulist Wilders. Foto: Presseurop / Frans Lemmens

Das Schein-Eurabien des Geert Wilders

Geert Wilders beschwört gern die "Bedrohung durch den Islam" herauf. Bei den Kommunalwahlen vom 3. März hat ihm das zum Durchbruch verholfen. Damit ist der Chef der Rechtspopulisten dem Posten des Ministerpräsidenten einen Schritt nähergekommen. Allerdings fühlt sich die multikulturelle Gesellschaft der Niederlande weniger von den Muslimen bedroht, als von der Vorstellung, die sich einige Mitbürger vom Zusammenleben mit diesen machen, urteilt MF DNES.

Veröffentlicht am 4 März 2010 um 15:14
So sieht Europa in zwanzig Jahren aus, meint Rechtspopulist Wilders. Foto: Presseurop / Frans Lemmens

Wenn Geert Wilders nach den Parlamentswahlen im Juni tatsächlich Ministerpräsident werden sollte, so wird dies für die Europäische Union eine Premiere sein. Noch nie glaubte einer ihrer Regierungschefs an die Existenz Eurabiens. Dieser mythologische und futuristische Kontinent befindet sich auf dem Gebiet des heutigen Europas. Von Norwegen bis Neapel werden seine Kinder aber in der Schule den Koran herbeten und seine Frauen die Burka tragen. "Wenn man durch die Straßen spaziert, so fällt einem auf, wo wir heute schon angekommen sind. Man fühlt sich einfach nicht mehr zu Hause. In null Komma nichts wird es bald mehr Moscheen geben als Kirchen", behauptete der Anführer der Partei für die Freiheit (PVV, Partij voor de Vrijheid) schon vor zwei Jahren. Auf diese Weise versuchte er zu erklären, warum es gut sei, den niederländischen Muslimen Geld zu geben, damit sie die Niederlande verlassen. Vor allem versucht Wilders mit einer solchen Rhetorik aber eines: Wählerstimmen gewinnen. Millionen seiner Landsmänner teilen seine Gefühle und fühlen sich von der ausländischen Kultur bedroht.

Düsteres Ideologiegespenst wird zu Wahlkampagne

Sich selbst stellt Wilders gern als eifrigen Verfechter der Redefreiheit dar. Diesbezüglich muss man ehrlich zugeben, dass er nicht übertreibt. Seit dem vergangenen Jahr verfolgt ihn der Amsterdamer Gerichtshof wegen "Aufrufes zum Rassenhass und zur Diskriminierung" weil er den Koran mit Hitlers "Mein Kampf" verglichen hat. Fast 40 Prozent der Bevölkerung ist mit diesem Prozess einverstanden. Und trotzdem ist die PVV in letzter Zeit auf der Beliebtheitsskala immer höher gerückt. Was machen da schon armselige Argumente aus? Das was wirklich zählt sind die Wählerstimmen. Das einst dunkle ideologische Phantasiegebilde Eurabiens ist nach und nach zu einem der wichtigsten Themen der Kampagne geworden.

In ihren Reden reiten Wilders und seine Anhänger auf der demographischen Explosion und dem Dschihad herum. Damit versuchen sie das Gefühl zu vermitteln, sie hätten vollkommen verstanden, was in Zukunft für die Welt von Bedeutung sein wird. Jedoch deuten die Untersuchungen darauf hin, dass die Muslime insgesamt vielmehr Opfer von Frustrationsgefühlen sind. Inmitten der Gesellschaft und der Misere, in der sie leben, fühlen sie sich nämlich an den Rand gedrängt. Die Idee, dass sie einflussreich und mächtig sind und sich auf dem europäischen Kontinent durchzusetzen wollen, versetzt sie ganz einfach in Erstaunen. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Sie sind sogar bereit, sich vollkommen anzupassen und eine ausländische, nicht-muslimische Identität anzunehmen. Dafür muss jedoch eine Voraussetzung erfüllt werden: Sie brauchen einen wirklichen Arbeitsplatz. Zudem braucht dieser ganze Prozess der Integration der Muslime in Europa einfach viel Zeit. Tatsächlich sieht die multikulturelle Gesellschaft gegenwärtig vielmehr wie ein verschiedene Ghettos bildendes System aus. Die Bedrohung stellen genau genommen aber nicht die Muslime dar. Viel gefährlicher ist die Vorstellung, welche die weiße Mehrheit vom Zusammenleben mit ihnen hat. Eben aus diesem Grund sind die Prozesse gegen diejenigen, die den Islam beleidigen, so wichtig.

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