Demonstranten fordern den Rücktritt von Regierungschef Janez Janša. Ljubljana, 11. Januar 2013

Demokratie oder Kleptokratie: Sie haben die Wahl

Mit jedem neuen Korruptionsskandal wird die Kluft zwischen Bevölkerung und Politik größer. Nun, da der Regierungschef selbst im Skandalsumpf versinkt, ist die Gesellschaft an einen Wendepunkt gelangt.

Veröffentlicht am 16 Januar 2013 um 15:19
Demonstranten fordern den Rücktritt von Regierungschef Janez Janša. Ljubljana, 11. Januar 2013

Die slowenische Gesellschaft ist eindeutig schizophren und krank. Auf der einen Seite gibt es einen dramatischen Konflikt innerhalb der Regierungskoalition und innerhalb der slowenischen Politik insgesamt, deren Vertreter sich verzweifelt an ihre Posten klammern, um nicht durch die Unzufriedenheit der Menschen im Mülleimer der Geschichte zu landen. Auf der anderen Seite steht die Mehrheit der Bürger, welche gegen die Machthaber aufbegehrt.

Man darf sich getrost fragen, wer hier die Wirklichkeit repräsentiert: Die politische Elite, die sich wie ein Elefant im Porzellanladen aufführt und die Gesellschaft mehr und mehr korrumpiert, oder die Demonstranten, die von den Politikern verlangen, dass diese im Einklang mit ethischen und moralischen Normen handeln sollen.

Nach der letzten Demonstration am 12. Januar, an der Tausende von Slowenen teilgenommen haben, ist klar, dass sich die [Widerstandsbewegung] so lange fortsetzen wird, bis die politische Elite den Wutschreien der Menschen Rechnung zollt und die Hebel der Macht aus der Hand gibt! Auf vielerlei Weise — mit Transparenten, mit Masken, mit Slogans — wurde den Politikern eine Botschaft übermittelt: „Es reicht!“ Wir haben die Nase gestrichen voll von euren Lügen, von der Kleptokratie, den Beleidigungen und Demütigungen.

Ein Slogan verdeutlicht am besten den Geist der Protestler: „Lügen, klauen, regieren — Demokratie nach slowenischer Art“.

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Jene die meinten, mit den Feiertagen zum Jahresende flaue die Protestbewegung ab, wurden eines Besseren belehrt. Der Bericht des parlamentarischen Anti-Korruptionsausschusses, der nicht deklarierte Einkommen und dubiose Transaktionen auf den Konten des Ministerpräsidenten und Chefs der [liberalen] Regierungspartei [SDS] Janez Janša, sowie des Oppositionsführers Zoran Janković [„Positives Slowenien“, linksliberal] enthüllte, hat der Welle des Protests neuen Schwung gegeben.

Heute steht die slowenische Gesellschaft am Scheideweg: Entweder wird sie zu einer wahren Demokratie oder sie bleibt eine Kleptokratie. Die kommenden Tage, Wochen und Monate werden entscheidend sein. Es ist Zeit, dass die Stimme des Volks endlich erhört wird. (js)

Kommentar

Janšas Rücktritt wäre kein Weltuntergang

„Die Abgeordneten wollen Neuwahlen lieber vermeiden“, berichtet Delo. Zwar sprächen sich die Parteien der Regierungskoalition für einen Rücktritt von Ministerpräsident Janša aus, doch befürchten sie eine Verschärfung der politischen Krise. Ihnen sei ein einfacher Personalwechsel lieber.

Doch darauf wird sich Janša niemals einlassen schreibt die Philosophin Alenka Zupančič in Dnevnik: „Der Staat bin ich“, lautet Janšas Botschaft. „Wollt ihr dem Staat Gutes, dann seid gut zu mir? Alles andere sind nur Angriffe auf unsere Souveränität und führt uns in den Abgrund“, schreibt sie.

Janšas Reaktion klingt wie ein Sprung in der Schallplatte. [...] Noch nie zuvor hat jemand den Staat so an sich gerissen und seine Bürger als Geiseln genommen, um die Politiker seiner eigenen Regierungskoalition zu erpressen. Bei einem Rücktritt Janšas wird die Welt ebenso wenig wie am vergangenen 21. Dezember untergehen. Im Gegenteil! Wir bekämen vielleicht eine Regierung, welche etwas mit dem Fazit des vom IWF im Oktober veröffentlichten Berichts anfangen kann und die sagt: „Gut. Wir hatten Unrecht und haben uns bei den Auswirkungen der Sparmaßnahmen auf das Wachstum verkalkuliert. Wir hätten anders vorgehen und bei der Haushaltskonsolidierung nicht zu sehr aufs Tempo drücken sollen.“

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