Deplatzierte Arroganz

Kurz vor dem kommenden G20-Gipfel in Moskau hebt die Europäische Union gegenüber den USA , Japan und China den mahnenden Zeigefinger. Angesichts der anhaltenden Eurokrise keine sehr clevere Idee, meint ein belgischer Journalist.

Veröffentlicht am 15 Juli 2013 um 15:15

Den EU-Finanzministern wird offenbar kein Urlaub gegönnt. Gerade haben sie das Treffen des EU-Finanzministerrats ECOFIN hinter sich, da gehen auch schon die Vorbereitungen für das Treffen der Finanzminister während des G20-Gipfels vom 19./20. Juli in Moskau los. Politische Initiativen zur Ankurbelung des weltweiten Wirtschaftswachstums sollen bei diesem Treffen im Mittelpunkt stehen.

Bloomberg News veröffentlicht am heutigen Tag Auszüge des EU-Arbeitspapiers für den kommen G-20-Gipfel. [[Der Ton, der in dem Dokument gegenüber den Vereinigten Staaten, Japan und China angeschlagen wird, ist ungewöhnlich aggressiv.]] „Das Fehlen einer Einigung über einen glaubwürdigen, mittelfristigen Plan zur Haushaltskonsolidierung in den Vereinigten Staaten stellt weiterhin ein Risiko für eine globale Wirtschaftserholung dar“, heißt es in dem EU-Dokument, in dem auch zu lesen steht, dass die USA „die Herausforderungen ihres Haushalts und ihrer Staatsverschuldung ernster nehmen“ sollten.

Reichlich extravagant

Für Japan hält das EU-Dokument folgende Botschaft bereit: „Wir erwarten, dass Japan mittelfristig einen glaubwürdigen Haushaltskonsolidierungsplan umsetzt, der angemessen mögliche Übertragungseffekte der Anti-Deflationspolitik auf die Finanzmärkte in In- und Ausland berücksichtigt“. Und schließlich China, das „seine Strukturreformen beschleunigen“ und seinen Wechselkurs den Marktgegebenheiten anpassen solle.

Wir würden gerne nach Moskau fliegen, um die Antworten der Länder zu hören, die sich diese Ermahnungen der EU anhören müssen. Zweifelsohne würde die Union — sollte das vorliegende Dokument wirklich auf dem Verhandlungstisch landen — eine rasche und bissige Retourkutsche erhalten. Trotz der unbestreitbaren Logik der EU-Empfehlungen, wirkt doch die Tatsache, dass ausgerechnet Europa den mahnenden Zeigerfinger hebt, extravagant.

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Ein Ende der Krise? Unsinn!

Vor allem die französischen Minister erklären derzeit stolz, dass die Eurokrise vorbei sei. Das ist natürlich blanker Unsinn. Portugal, Griechenland und Zypern stehen vor einer sozialen Katastrophe und müssen garantiert noch vor Ende des Jahres zusätzliche Hilfen erhalten. Die Regierung von [Ministerpräsident] Letta in Italien wirkt gleichzeitig morsch und versteinert. Die Regierung [unter Staatspräsident] Hollande in Frankreich gibt sich lautstark, tut aber kaum etwas. In Spanien bleibt das Bankwesen auf toxischen Papieren sitzen. Auch in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden pfeift und kracht es durch die Ritzen des Bankensystems.

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Strukturelle Lösungen der Eurokrise sind noch lange nicht operationell. Weit gefehlt. Schlimmer noch: Von einigen Ausnahmen abgesehen, schwört die europäische Politik auf Steuererhöhungen und unternehmerfeindliches Klima. Die wachsende Vergreisung wird zu einem Kosten-Tsunami führen, welcher die Staatshaushalte tief in die roten Zahlen jagen wird. Und dieses Europa will anderen die Leviten lesen! Nicht sehr clever. Bleibt eigentlich nur die Frage, ob die Reaktion der anderen drei Großmächte einfach nur negativ oder eben brutal negativ ausfallen wird.

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