Der Hegemon ist verhindert

Es diktiert die Tagesordnung auf EU-Gipfeln, bestimmt die Regeln, lässt den ganzen Kontinent im Ungewissen und am Ende setzt es sich immer durch: Deutschland steht seit der Euro-Krise plötzlich ganz allein an der Spitze Europas. – Und ist damit völlig überfordert.

Veröffentlicht am 3 November 2011 um 14:24

Mit politischer Macht verhält es sich wie mit Millionen von Euro auf dem Konto: Man spricht nicht darüber. Man hat sie einfach. Deutschland ist damit in Europa jahrzehntelang ganz gut gefahren – wichtig zu sein, ohne darüber allzu viele Worte zu verlieren. Jede deutsche Regierung war groß darin, sich im Zweifel politisch klein machen zu können. Aber damit ist es vorbei. Man kann den deutschen Einfluss jetzt hören.

Man hört ihn in Brüssel, in dieser dramatischen Woche mit ihren Rettungsgipfeln und nächtlichen Krisensitzungen. Ob Deutschland die Griechen nun noch mehr an die Kandare nehmen wolle, wird der Vertreter eines kleineren EU-Landes gefragt. Er holt tief Luft, dann entgegnet er: “Die Frau Bundeskanzlerin ist eine sehr mächtige Frau.” Mehr sagt er nicht. Eine italienische Diplomatin sagt, Merkel sei nicht nur stark, weil sie das größte Land vertrete. “Sie ist so stark, weil sie die Seriöseste in der Runde der Regierungschefs ist. Die anderen haben Angst vor ihr.” Und von Romano Prodi, dem früheren Präsidenten der EU-Kommission, ist der Satz überliefert, in Europa sei es mittlerweile so, dass “die Lady die Entscheidungen trifft und der französische Präsident anschließend eine Pressekonferenz gibt, um die Entscheidungen zu erklären”.

Man hört den deutschen Einfluss auch in Berlin, im Bundestag, wo die Abgeordneten erneut über den Euro-Rettungsfonds EFSF abstimmen. Viel ist von »unserer Verantwortung« für den Erhalt der Währung die Rede – und ebenso viel davon, dass sich “die anderen” dafür an »unsere Regeln« zu halten hätten.

Man hört jetzt viel über Deutschland in den anderen Hauptstädten Europas, in Paris und Rom und London: Was die Regierung in Berlin alles tun könnte, um die gemeinsame Währung zu retten. Es sind keine Forderungen. Es sind Bitten. Ohne Deutschland, das wissen die 26 anderen Mitgliedsstaaten der EU, kann die Krise nicht gelöst, kann der Euro nicht gerettet werden.

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Es mag jetzt bei der Euro-Rettung alles auf Deutschland zulaufen, weil es das einzige Land zu sein scheint, das wirtschaftlich stark genug ist, die Lasten für die anderen zu tragen. Lesen Sie den ganzen Artikel auf der Website der Zeit...

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