Die Eurokratie ist wirklich ziemlich klein

Die Europäische Union ist eine zähe und teure Bürokratie mit einem Heer von Beamten, die eine endlose Menge an Regeln produzieren. Ist das so? In seiner Euromythen-Serie versucht der Groene Amsterdammer, Antwort zu geben.

Veröffentlicht am 30 Juli 2012 um 10:15

Nach Angeben der Europäischen Kommission besteht der gesamte Verwaltungsapparat der EU aus rund 50.000 Beamten, die Politik für etwa eine halbe Milliarde Menschen machen. Und Brüssel verteidigt sich gern, indem es auf das Verhältnis von einem Beamten auf zehntausend Bürger verweist.

Euroskeptiker wie der Londoner Think Tank Open Europe oder die niederländischen Sozialisten kommen auf weit höhere Zahlen. Sie rechnen auch die nationalen Beamten hinzu, die mit EU-Politik zu tun haben und kommen so auf dreimal so viele Bedienstete. Für den Professor für Europäische Wirtschaftspolitik Nico Groenendijk ist das aber kein sinnvoller Vergleich: Schließlich zähle man in den Niederlanden die kommunalen Beamten, die mit nationaler Politik zu tun haben, ja auch nicht zu den Regierungsbeamten dazu.

Verwaltung — sechs Prozent des EU-Haushalts

Bleibt die Frage, ob es zu viele sind. Leider gehen aber die meisten Vergleiche, die gemacht werden, oftmals schief. Um zu betonen, dass Brüssel wirklich klein und effizient ist, wird oft gesagt, dass es dort so viele Beamte beschäftigt seien wie in — sagen wir einer Stadt wie Berlin. Aber Berlin hat auch eine Müllabfuhr, während die EU vornehmlich gut ausgebildete und gut bezahlte Regierungsbeamte beschäftigt. Auch ein Vergleich mit den Vereinigten Staaten (vierzigmal so großer Verwaltungsapparat) geht schief: dort gibt es eine föderale Verteidigung, in Europa nicht.

Vielleicht sind es in Anbetracht des weiten politischen Felds, um das sie sich kümmern wirklich nicht so viele Beamte. Aber was ist mit den Kosten? Alle Dokumente werden in 23 Sprachen übersetzt (rund eine Milliarde Euro im Jahr). Seit Jahren gehen kleine sechs Prozent des gesamten EU-Haushalts in die Verwaltung. Weit weniger als bei der niederländischen Regierung (fast dreißig Prozent), aber da sind dann auch Finanzämter oder staatliche Aufsichtbehörden mit dabei.

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„Bürokratie ist Kontrolle“

Es ist einfach nicht zu vergleichen. Wohin man auch schaue, meint der Politoge Rinus van Schendelen, die Brüsseler Bürokratie sei im Vergleich winzig. „Die Regierung in Den Haag — zieht man Armee, Polizei und Bildung ab — beschäftigt einen Beamten für 133 Einwohner. Die Kommission ist Brüssel kommt auf einen pro 20.800 EU-Einwohner. Harte Zahlen lügen nicht!“ Fast alle Experten teilen diese Meinung.

Aber ist Brüssel nicht äußerst bürokratisch? Der Politologe Ben Crum ist davon überzeugt, sagt aber, dass Bürokratie, wie schon Max Weber dachte, an sich nichts Negatives sei: „Bürokratie ist Kontrolle“. Und genau das ist die Idee hinter den vielen Formularen, die ausgefüllt werden müssen. „Wenn Zuschüsse in 27 Länder verteilt werden sollen, dann ist Bürokratie die einzige Möglichkeit der Kontrolle.

Viele Menschen, die sich über die Bürokratie beschweren, sind auch die ersten, die meckern, wenn nicht genutzte Olivenhaine subventioniert werden. Entweder oder. Ich denke nicht, dass Europa unter den gegebenen Umständen extrem bürokratisch ist.“

Zum 5. Teil der Euromythen-Serie.

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