„Keine Sorge”. Eine Frau geht an einer getaggten Hauswand in Dublin vorbei

Die Man in Black müssen nun woanders feiern

Ab dem 16. Dezember ist Irland nach drei Jahren endlich vom Druck der Troika befreit. Doch obwohl das Land seine finanzielle Souveränität zurückerlangt, wird es feststellen müssen, dass die Ereignisse nicht nur den Verlauf der Krise bedingen, sondern auch die Zeit nach der Troika.

Veröffentlicht am 16 Dezember 2013 um 16:52
„Keine Sorge”. Eine Frau geht an einer getaggten Hauswand in Dublin vorbei

Als die Finanzkrise in vollem Gange war, ging ich einmal auf eine Cocktailparty im Haus einer der zahlreichen Personen, die zur Wiederherstellung der Landesfinanzen angeheuert worden waren. Gegen Ende des Abends flog die Tür auf und fünf Typen stolzierten herein, als wären sie direkt einem der „Men in Black“-Filme entstiegen. Ich erkundigte mich, wer denn die neuen Gäste seien, und erfuhr, es handle sich um die Inspektoren „vom IWF und von der EZB“, die hier waren, um unsere Fortschritte zu überprüfen.

Die Jungs in ihren schwarzen Anzügen und mit nach hinten gegeltem Haar strotzten nur so vor Selbstvertrauen. Während wir anderen grimmig in unsere Gläser schauten, hielten sie fröhlich – und auch etwas selbstgefällig – Hof und teilten uns mit, wo unser Land falsch lag und dass der Weg vor uns hart sein würde. Ich glaube, ich habe mich noch nie nach einer Party so deprimiert gefühlt wie nach dieser.

Und nun, drei Jahre später, machen wir uns heute früh auf den Weg in die Arbeit mit dem Wissen, dass wir nicht mehr unter der Knute der Troika stehen. Das ganze Jammern und Zetern, das unseren so genannten Souveränitätsverlust von 2010 begleitete, soll nun durch ein neues Selbstvertrauen ersetzt werden, während wir die ersten Schritte auf dem viel gepriesenen Weg zum Aufschwung tun. Doch fühlt sich heute wirklich irgendjemand von uns anders? Wahrscheinlich nicht.

Ein richtiger Schritt ins Ungewisse

Es besteht kein Zweifel daran, dass der Ausstieg aus dem Rettungsplan ein positiver Schritt ist. Doch nicht nur ein Großteil der Wirtschaftskrise lag weitgehend außerhalb unserer Kontrolle, sondern auch für die nächsten paar Jahre des Aufschwungs wird das der Fall sein. [[Viele EU-Mitgliedsstaaten haben die Rezession für beendet erklärt, doch das schwache 0,2-Prozent-Wachstum in der EU im dritten Quartal spricht eine andere Sprache]]. Das starke deutsche Wachstum sank auf 0,3 Prozent und die französische Wirtschaft verpuffte mit nur 0,1 Prozent.

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In den 17 Euro-Ländern, fiel das Wachstum insgesamt auf nur 0,1 Prozent, während sich der Aufschwung nach einer fast drei Jahre anhaltenden Rezession nur langsam stabilisiert. Dieses bescheidene Wachstum wurde von einer Erholung der Ausgaben der Verbraucher angetrieben, doch die öffentlichen Finanzen bleiben schwach. Seit den 0,3 Prozent im zweiten Quartal 2013 hat sich das Wachstum deutlich wieder verlangsamt. In Deutschland, dem wirtschaftlichen Machtzentrum der Eurozone, stieg das Bruttoinlandprodukt zwar um 0,3 Prozent, doch dies war nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ausschließlich auf die Inlandsnachfrage zurückzuführen. Deutschland ist nach wie vor der größte Wachstumsmotor, da seine Verbraucherausgaben und seine Exporte gesund bleiben.

Die Tragfähigkeit „bleibt anfällig”

Zuhause [in Irland] lässt sich die Lage in den direkten Worten zusammenfassen, die Christine Lagarde, die Geschäftsführerin des Internationalen Währungsfonds, am späten Freitagabend aussprach. Sie stimmte zwar zu, dass sich Irland im Erholungsmodus befindet, erklärte aber, die Tragfähigkeit der Staatsschulden bleibe noch „anfällig“. Zweifellos bestehen noch wirtschaftliche Herausforderungen. Die Arbeitslosigkeit ist zu hoch, die Tragfähigkeit der Staatsschulden bleibt anfällig und jeglicher Aufschwung wird durch die Verschuldung des Privatsektors sehr belastet.

Die Banken, die am Ursprung des Zusammenbruchs standen, sind immer noch nicht völlig wieder hergestellt, da die Zahlungsrückstände der Immobilienkredite und die notleidenden Darlehen ihre Bilanzen drücken. „Für Irland ist es demzufolge nötig, weiter eine gemeinsame Politik umzusetzen, damit es sich von der Krise gänzlich erholt“, sagte Lagarde.
Im Klartext heißt das: „Macht euch auf ein paar weitere harte Jahre gefasst.“ Finanzminister Michael Noonan warnte letzte Woche: „Wir können nicht wieder verrückt spielen.“ Viele würden dazu allerdings sagen, dass sie von Anfang an nicht verrückt gespielt haben.

Nirgendwo sonst in Europa hat sich ein Land als so anpassungsfähig und dynamisch erwiesen. Die Anwesenheit der Troika war für alle schmerzhaft, sowohl in finanzieller als auch geistiger Hinsicht. [[Der Ausstieg ist es wert, gefeiert zu werden, und wir müssen auch wirklich daraus lernen]].

Verdientes Schulterklopfen

Im Lauf der vergangenen drei Jahre wurde das Leben der Menschen auf den Kopf gestellt, viele Tausende haben ihre Arbeit verloren und noch mehr sind ausgewandert. Statt abends auszugehen, schaute man sich zuhause einen Film an, der Toyota Avensis, der früher alle drei bis vier Jahre ausgetauscht wurde, wird jetzt weiter gefahren. Kinder wurden aus Privatschulen genommen, Menschen verloren Häuser, Ersparnisse und Renten.

Heute morgen schlagen wir einen neuen Weg ein. [[Wir wissen alle, dass es nicht einfach sein wird]], doch wenigstens wissen wir, dass wir das Schlimmste hinter uns haben. Wer seinen Job/sein Haus/sein Unternehmen bis hierhin behalten hat, für den stehen die Chancen gut, dass er jetzt aus dem Schneider ist. Wir sollten uns auf die Schulter klopfen, dass wir als Nation so weit gekommen sind. Und uns heute einen Moment gönnen und versuchen, den stolzen Schritt der Men in Black nachzuahmen, die nun glücklicherweise auf der Suche nach einer anderen „Party“ weitergereist sind.

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