Nachrichten Humor in Europa (3/10)
Josephine Bornebusch und Johan Rehborg, Helden von „Solsidan“.

Die Sitcom, bei der sich die Mittelschicht vor Lachen biegt

Die Sitcom „Solsidan“ spottet über die Mittelschicht, die von Reichtum träumt. Wenn die Schweden das so lustig finden, dann muss da was dran sein, schreibt Le Monde im dritten Teil seiner Serie über Humor.

Veröffentlicht am 22 August 2012 um 15:53
Josephine Bornebusch und Johan Rehborg, Helden von „Solsidan“.

Sicher, es gibt unzählige Norweger-Witze oder jene über Alkohol, die seit eh und je ganz oben auf der Beliebtheitsskala stehen. Normal in einem Land, wo alkoholische Getränke in staatlichen Läden von Beamten an eine Bevölkerung verkauft werden, die kein Maß halten kann.

Aber was die Schweden am meisten lieben, das ist, wenn man ihre Sehnsüchte auf die Schippe nimmt: die Träume vom Reichtum der Mittelschicht sind das neue Rezept der Comedy. Jeder vierte Schwede verfolgt seit 2010 mit Spannung die Sitcom „Solsidan“ [„Sonnenseite“, Name eines Stockholmer Viertels] des PrivatsendersTV4, welche zur beliebtesten schwedischen Comedy-Serie aller Zeiten gekürt wurde. Das gab’s noch nie. Die drittel Staffel wird derzeit gedreht und Staffel vier und fünf sind bereits unterzeichnet.

„Das ist, was mir am besten gelungen ist“, sagte Felix Herngren, Autor, Hauptdarsteller und Regisseur der Serie, nach Ende der ersten Staffel. Ein eher linksgerichteter Verein hatte kürzlich gar eine Busfahrt mit Foto-Safari in den schicken Stockholmer Vorort organisiert. Der Bus wurde von den hippen Youngsters vor Ort mit Eiern beworfen. So spaßig kann Schweden sein.

„Generation Ironie“

Schlüssel des Erfolgs, neben dem für diese Art Serie hohen Budget, ist die Tatsache, dass sich die Menschen wiedererkennen: Leistungsdruck, das Jante-Gesetz, das verlangt, sich bloß nicht für etwas Besseres zu halten (wobei natürlich das Gegenteil der Fall ist), pointierte Dialoge, Eigenhumor.

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„Solsidan“ beschreibt „den Alltag von ein paar Familien. Alex (gespielt von Felix Herngren) ist ein konfliktscheuer Zahnarzt, der in die Stadt seiner Kindheit zurückkehrt. Er trifft dort seinen Jugendfreund wieder, einen erfolgreichen Geschäftsmann. Die Satire ist bissig und trifft ins Volle.

Politik ist jedoch bei Felix Herngren Fehlanzeige. Wozu er auch völlig steht: „Ich gehöre der Generation Ironie an“, sagt er Le Monde. „Die Humoristen der älteren Generation haben meiner (er ist 45 Jahre alt) oft vorgeworfen, dass wir keinen politischen Standpunkt hätten. Doch das Publikum springt bei uns an. „Solsidan“ spricht über die Menschen, ihre Macken. Über unsere Generation, unseren Bezug zu Konsum, gesellschaftlichen Normen, zu unseren Nachbarn.“

Der Humorist, der auch schon bei Werbefilmen Regie führte, gesteht ein, dass es weiterhin Tabus gibt, selbst in seiner so wenig konservativen Heimat. „Versaute Witze kann man im privaten Rahmen machen, für einen Komiker gelten sie als billig. Man würde einem vorwerfen, nicht seinen Job als Autor zu tun. Witze über Feminismus sind eine noch heiklere Sache.“

Während Felix Herngren mit „Solsidan“ weitermacht, beginnt er gleichzeitig ein anderes Grobprojekt mit der Produktionsfirma Nice Drama: Die Kino-Adaptation des Bestsellers von Jonas Jonasson „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“. „Ein sehr witziges Buch“, sagt Felix Herngren. Für ihn sei es eine Satire über unsere Zeit, wo alles auf Staussymbolen und Geld beruhe, aber wo man dennoch in einem Altenheim endet. „Es ist für den Alten eine Befreiung, einfach das tun zu können, wonach ihm gerade der Kopf steht“.

Zu den bereits erschienenen Teilen der Serie:

Teil 2: Italienische Selbstironie, ein Nationalsport

Teil 1: Deutsche Satire oder „politische Hygiene“

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