COP28 : Überrachungs-Ergebnis nach zähen Verhandlungen und vielen Kontroversen

Für unsere Korrespondentin Emanuela Barbiroglio, die für uns in Dubai war, ist die COP28 möglicherweise die kontroverseste Klimakonferenz aller Zeiten. Grund dafür sind der Austragungsort, die Organisatoren und der Einfluss der fossilen Brennstoffindustrie auf die Konferenz.

Veröffentlicht am 14 Dezember 2023 um 09:28

Soeben bin ich aus Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten zurückgekehrt, wo die UN-Klimakonferenz COP28 (Conference of Parties on Climate Change) mit einem historischen Ergebnis zum Abschluss gekommen ist: entgegen allen Erwartungen haben sich die Verhandlungsführer darauf geeinigt, fossile Energien in die Klimazielvereinbarung aufzunehmen und sie für die globale Erwärmung verantwortlich zu machen.

Dieser als VAE-Konsens bezeichnete Text ist jedoch nicht perfekt. Beobachter warnen bereits davor, dass die angenommene Formulierung zu viele Schlupflöcher enthält und nicht explizit genug ist, insbesondere angesichts der Unterschiede zwischen Entwicklungs- und Industrieländern. Darüber hinaus wurde vereinbart, nächstes Jahr ein  "Fahrplan zur Mission 1,5 C" ins Leben zu rufen, um die internationale Zusammenarbeit im Vorfeld der COP30 in Brasilien zu stärken.

Seit seiner Bekanntgabe wurde der Ort dieser COP in einem großen Erdölförderland als schlechtes Omen oder zumindest als äußerst paradoxe Wahl gesehen. In einem Artikel auf Orient XXI fragen sich die Kritiker, ob das auf Kohlenstoff und Gigantismus basierende Wachstumsmodell Saudi-Arabiens nicht anachronistisch sei und erwägen, Alternativen zu finden, die sich auf Gleichheit, weniger Gigantismus, traditionelles Wissen und neue Entwicklungsmodelle konzentrieren.

The Guardian bereichert diese Debatte mit zwei aufsehenerregenden Geschichten von Damian Carrington. Die erste enthüllt, wie Saudi-Arabien selbst eine weltweite Investitionsinitiative inszeniert hat, um die Nachfrage nach dem eigenen Öl und Gas in Entwicklungsländern zu steigern. Durch diese Initiative sollte angeblich der Energiezugang in ärmeren Ländern verbessert werden, sie konzentrierte sich jedoch auf kohlenstoffintensive Projekte, die den Bemühungen zur Bekämpfung des Klimawandels im Weg stehen.

Die zweite, gemeinsam mit dem Centre for Climate Reporting veröffentlichte Geschichte stellt den Präsidenten der COP28, Sultan Al Jaber, bloß. Ausgerechnet er hatte nämlich die Notwendigkeit eines Ausstiegs aus der Nutzung fossiler Brennstoffe zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau verneint. Auf einer Online-Veranstaltung behauptete er, dass hinter dieser Annahme „keine Wissenschaft“ stecke und sie die Welt „zurück in die Höhen der Steinzeit“ führen würde. Ich stelle mir das gerne als eine verzerrte Version von Platons Höhlengleichnis über Wahrheit und Wirklichkeit vor.

In diesem Brief reagierten Wissenschaftler umgehend auf Al Jabers abstruse Behauptung und Angelo Romano zählt in Valigia Blu die Gründe dafür auf, warum das Leugnen der Klimakatastrophe einer Lüge gleichkommt.


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Eine ganz konkrete Bedrohung für unseren Planeten ist das von Greenpeace aufgedeckte Vorgehen des französische Unternehmen TotalEnergies, das trotz seiner Klimazusagen aktiv den Abbau fossiler Brennstoffe fördert und 2022 noch immer 99 % seiner Energieproduktion auf Öl und Gas stützt. 

Der französische Brennstoff-Riese befindet sich in Dubai in bester Gesellschaft: Laut Kick Big Polluters Out, eine Vereinigung von 450 Umwelt-NGOs, die in Le Monde zitiert wird, „sind fast 2.500 fossile Brennstoff-Unternehmen für die COP28 akkreditiert worden.“ Kein Wunder also, dass Alternatives Economiques von einer „COP unter dem Einfluss der Ölgiganten“ spricht

Ein weiteres Beispiel für die Einflussnahme auf diese COP ist die Lobbyarbeit wichtiger Lebensmittel- und Agrarunternehmen, wie DeSmog herausfand. So versuchten diese Unternehmen, die für mehr als ein Drittel der weltweiten Emissionen verantwortlich sind, die Debatten zu beeinflussen, indem sie zum Beispiel Pavillons finanzierten, unbewiesene Lösungsstrategien förderten und Regulierungsmaßnahmen verhinderten, schreiben Rachel Sherrington, Clare Carlile und Hazel Healy

Ein konkretes Beispiel dafür ist JBS, das größte Fleischunternehmen der Welt, das zusammen mit der Global Dairy Platform und dem North American Meat Institute auf dem Gipfel stark vertreten ist. In den Dokumenten der von der Industrie finanzierten Global Meat Alliance wird betont, dass „wissenschaftliche Beweise“ für den Fleischkonsum sprechen womit eindeutig versucht wurde, auf der COP28 einem „fleischfeindlichen Narrativ“ entgegenzuwirken.

Für den Kiev Independent berichtet Katie Marie Davies über eine deutliche Erhöhung der Militärausgaben im russischen Haushalt für 2024, während sich die Mittel für den Wiederaufbau der annektierten ukrainischen Regionen auf die Bergbauindustrie konzentrieren. Durch die Ausweisung dieser Gebiete als "autonome Republiken" wolle Moskau die reichen Bodenschätze der Ukraine, darunter Kohle, Eisen, Mangan, Titan, Graphit und Uran, ausbeuten.

emannuela barbiroglio at Dubai COP28
Yours Truly (rotes Kleid) bei dem Versuch, auf der COP28 ein wichtiges Statement einzufangen.

Für das gemeinwohlorientierte Medium Correctiv berichten Annika Joeres, Katarina Huth und Elena Kolb über den Kohlekonzern Leag, der großen Einfluss auf die Wasserversorgung haben soll und damit das Berliner Trinkwasser gefährdet. Der Kohlekonzern sei der größte Wasserverbraucher Brandenburgs und entnehme für seine Aktivitäten ungehindert Grund- und Trinkwasser. Die Behörden, darunter das Brandenburgische Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe, behaupten, dass ihnen die Mittel fehlten, um die Modelle der Leag gründlich zu überprüfen. Die Praktiken des Unternehmens und die Geheimhaltungsvereinbarungen mit den Städten geben laut Correctiv jedoch Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Umwelt und der Wasserversorgung.

Wenn man an der COP teilnimmt oder die Gespräche darüber aus dem Ausland verfolgt, hat man den Eindruck, dass der Klimaschutz derzeit unter Beschuss steht. Und was gibt es besseres als auf eine Belagerung mit Widerstand zu reagieren! 

So wie Merel Remkes es getan hat mit ihrem in One World veröffentlichen Porträt von Joyeeta Gupta, Professorin für Umwelt und Entwicklung des globalen Südens an der Universität Amsterdam. Die mit dem Spinoza-Preis ausgezeichnete Wissenschaftlerin plant die Einrichtung eines multidisziplinären Gerechtigkeitslabors, um empirische Beweise für globale Maßnahmen zu sammeln. Darüber hinaus fordert die Verfechterin der Klimagerechtigkeit  die Einrichtung eines “Ministeriums für Zukunft”. 

Nur wenige Stunden nach Beginn der COP28 ist etwas Außergewöhnliches geschehen, was uns alle gleichermaßen erstaunt und misstrauisch gemacht hat. Die Delegierten verabschiedeten einen neuen Entschädigungsfonds für Verluste durch Klimaschäden, woraufhin mehrere Regierungen spontan ihre Beteiligung daran ankündigten. In diesem Zusammenhang erinnert Clean Energy Write (CLEW) an eine vor fast 15 Jahren gemachte Zusage, 100 Milliarden Dollar für die Klimafinanzierung zu mobilisieren. Dabei handele es sich zwar nur um einen Bruchteil der insgesamt erforderlichen Klimafinanzierung, aber „als Eckpfeiler des Vertrauens zwischen Industrie- und Entwicklungsländern hat diese Zusage den symbolischen Wert eines Totems“, meint CLEW.

In einer weiteren wichtigen Einigung, die auf der COP in der ersten Woche erzielt wurde, haben sich die Staats- und Regierungschefs von 120 Ländern darauf verpflichtet, die Kapazität der erneuerbaren Energien auf mindestens 11.000 GW weltweit zu verdreifachen, indem sie eine Zusage für erneuerbare Energien und Energieeffizienz unterzeichneten. Weiterhin enthält die Erklärung die Verpflichtung, die durchschnittliche Jahresrate der Energieeffizienzverbesserung bis 2030 weltweit auf über 4 % zu verdoppeln. Die Entwicklung der erneuerbaren Energien wird voraussichtlich das neue Wettrennen im Weltraum sein.

Wie auch immer die COP28 ausgeht", argumentiert Maxime Combes in Mediapart, „diese COP hat einen der blinden Flecken in den Verhandlungen über die globale Erwärmung der letzten dreißig Jahre ans Licht gebracht: die dringende Notwendigkeit, von fossilen Brennstoffen wegzukommen, wenn wir eine Chance haben wollen, die globale Erwärmung auf 1,5°C oder 2°C zu begrenzen.“  Der französische Klima- und Wirtschaftswissenschafter verweist auf die Tatsache, dass fossile Brennstoffe im Pariser Abkommen von 2015 nicht erwähnt wurden, aufgrund von „Lobbies, Leugnung und Trägheit in den Verhandlungen.“ Letzteres bedeutet, dass „die Reduzierung der Produktion fossiler Brennstoffe rechtlich nicht zum Mandat der Klimaverhandlungen gehört“. Combes kommt zu dem Schluss, dass „unabhängig vom Ergebnis der COP28 das Ende des Abbaus fossiler Brennstoffe nicht mehr als eine diffuse Zukunftsidee angesehen wird, sondern als unabdingbare Voraussetzung für das Erreichen der 'Kohlenstoffneutralität' bis 2050. Wir müssen also dringend einen Weg nach vorn finden.“

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