Photo: Rudy Girón

Ein Neues Weimar! Nicht doch...

Der Aufstieg der Rechtsextremen im Europaparlament beschwört erneut das Phantom von Hitlers Machtergreifung herauf. Aber gibt es tatsächlich Grund zur Sorge?

Veröffentlicht am 12 Juni 2009 um 15:01
Photo: Rudy Girón

In der rumänischen Tageszeitung [Romania Libera](http://www.romanialibera.ro/a156781/sindromul-weimar.html) stellt der politische Analyst Cristian Pârvulescu einen Vergleich an zwischen der Weimarer Republik und der heutigen Europäischen Union, die seiner Meinung nach von einer "doppeldeutigen, doktrinären Politik" genährt wird, welche die "rechten Parteien in Europa erzeugen". Pârvulescu behauptet, diese Doppeldeutigkeit hätte es deshalb umso leichter, weil "schlecht zu vereinbarende Parteien wie Silvio Berlusconis Volk der Freiheit, Nicolas Sarkozys Union der Volksbewegungen und die Christdemokratische Union von Angela Merkel in einer Gruppe im Europaparlament vereint werden."

Von der Parteienherrschaft und der Wirtschaftskrise erschüttert, seien die europäischen Demokratien heutzutage geschwächt. "Diese unklare Situation schafft Bedingungen, die der nationalistischen Rhetorik zum Vorteil gereichen," fährt er fort. Des weiteren erinnert er daran, dass Anfang der 1930er Jahre in Deutschland die Dinge genau so abliefen: "Die schwachen Parteien und die Wirtschaftskrise haben Hitlers Aufstieg erst ermöglicht."

"Vielleicht wiederholt sich die Geschichte nicht, vielleicht ist die EU von heute stärker als das Europa vor 80 Jahren," schließt Pârvulescu, für den "der Erfolg der Extremisten keinesfalls bagatellisiert werden darf, denn damit laufen wir das Risiko, sie in der nationalen Politik zu legitimieren!"

Der geistreiche Giuliano Ferrara antwortet darauf in der Kolumne der italienischen Wochenzeitung Panorama, indem er sich über eben diese Zeitungen lustig macht, nach denen "man immer das Gefühl hat, die letzten Tage der Weimarer Republik zu erleben. Leider widerlegen die Fakten dies nur zu deutlich, wie noch vor Kurzem der britische marxistische Historiker [Eric Hobsbawm](http://www.guardian.co.uk/politics/2009/jun/09/bnp-fascism-meps-far-right) bemerkte."

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Ferrara spielt auf diese Art und Weise die Folgen der Europawahl herunter, vor allem was den Vormarsch der Rechtsextremen angeht. "Bei der Europawahl hat man immer den Eindruck, dass der Faschismus vor der Tür steht, vom Rassismus ganz zu schweigen," beteuert der konservative italienische Leitartikler, für den die einzig reelle Sorge die "Krise jener Parteien ist, die ideologisch an den sterbenden Mythos des Sozialismus gebunden sind." Ferraras Meinung nach ist der umstrittene Chef der niederländischen Rechten Geert Wilders genau so wie Jörg Haider oder Pim Fortuyn nicht das Symbol des Aufstiegs "autoritärer und chauvinistischer Kräfte", sondern einer "persönlichen Liebesgeschichte mit seinem Land."

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