Erschütterung in Euroland. Bild: Getty

Euro gegen Spekulationsfonds

Die an mehreren Finanzplätzen angegriffene europäische Währung macht ihre bis jetzt härteste Prüfung durch. Die europäische Presse prangert eine konzertierte Offensive an und ruft die 27 zur Reaktion auf.

Veröffentlicht am 8 Februar 2010 um 16:39
Erschütterung in Euroland. Bild: Getty

"Will die Finanzwelt den Staaten der Eurozone an den Kragen?" Die in Libération gestellte Frage tönt seit Freitag durch die Justizbehörden der einzelnen Länder und durch die Korridore der EU-Institutionen. Nach dem schwierigen Vortag an den Börsen in Madrid und Lissabon "hat die Pariser Börse 3,40 Prozent, die von Athen 3,73 Prozent verloren", erinnert die französische Tageszeitung. Zum ersten Mal seit acht Monaten fiel der Euro unter 1,36 Dollar. In der Visierlinie: die 30.000 Milliarden hohe kumulierte Verschuldung der G7-Staaten sowie die Situation in Griechenland, Spanien und Portugal.

"Je größer die Befürchtungen über die Lage der öffentlichen Finanzen werden, desto mehr testen die Spekulanten die Standhaftigkeit der Eurozone, indem sie ihre schwächeren Glieder angreifen", erklärt La Tribune. "Sprach nicht der amerikanische Star-Ökonom Nouriel Roubini vor ein paar Tagen von einer 'möglichen Spaltung der Währungsunion'? [...] Durch ihren Druck auf den Euro und die Prämien, die sie verlangen, um Staaten zu finanzieren, die es wirklich nötig haben", so die Wirtschaftszeitung weiter, "konfrontieren [die Spekulanten] die vom BIP her weltweit zweitgrößte Wirtschaftsmacht mit ihren Schwachpunkten, nämlich dem Fehlen einer europäischen Regierung und dem strengen Vertrag von Maastricht, der eine zwischenstaatliche Solidarität ausschließt".

Eine Bank und zwei Hedge Funds

Die Destabilisierung des Euro wäre also beabsichtigt – und Libération nennt sogar drei Schuldige: "Unseren Informationen zufolge, die zugleich von Marktorganen und von Finanzinstituten stammen, stehen eine große amerikanische Investmentbank und zwei sehr große Hedge Funds insbesondere hinter den Angriffen auf Griechenland, Portugal und Spanien. Ihr Ziel? So viel Gewinn wie möglich zu erzielen, indem sie Panik verbreiten und deshalb von Griechenland immer höhere Zinsen verlangen und gleichzeitig spekulieren können. Warum keine Namen nennen? Weil es sich hier um Annahmen handelt, die ein Gericht im Prozessfall für ungenügend befinden könnte. Und wie es aus einem Marktunternehmen heißt: 'Mit diesen Leuten spielt man nicht.'"

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"Libé" erklärt, "die beiden Hedge Funds, die den griechischen Markt halten, [seien] erbost gewesen, nur zwei Prozent von der letzten griechischen Anleihe bekommen zu haben", und hätten daraufhin beschlossen, auf dem Markt der Credit Default Swaps (CDS) Panik zu stiften. CDS sind Kreditderivate, die gegen das Ausfallrisiko eines Schuldnerstaates absichern. Sie werden auf einem unregulierten, undurchsichtigen Markt gehandelt.

Die These vom angelsächsischen Komplott

In Madrid ist El País der Meinung, dass "das aktuelle Geschehen, darunter auch die Leitartikel gewisser ausländischer Zeitungen mit ihren apokalyptischen Kommentaren, beileibe kein Zufall ist, sondern vielmehr besonderen Interessen dient". Dass die spanische Wirtschaftsministerin Elena Salgado am 8. Februar nach London reist, um dort die Investoren aus der City und die Medien von der Kreditwürdigkeit der spanischen Wirtschaft zu "überzeugen", scheint zu zeigen, wo diese "besonderen Interessen" liegen.

Auf seinem Europa-Blog Charlemagne widerlegt The Economistjedoch die These einer "angelsächsischen Verschwörung oder ähnlichem". Die Briten, "die den Euro schon immer gehasst haben, und die Amerikaner, die sich von ihm bedroht fühlen", versuchten "den Euro schlecht zu machen und somit von den Schwierigkeiten des Dollars und des Pfunds abzulenken". Doch, so liest man weiter, "sogar die konservativsten und euroskeptischen Zeitungen, wie die Daily Mail, freuen sich nur bedingt über die Probleme in Euroland, da sie befürchten, sie könnten auf die britische und die amerikanische Wirtschaft übergreifen."

Die "Isărescu-Methode"

Fürs Erste, so rät Libération, sollten die europäischen Regierungen und die Europäische Zentralbank versuchen, "die Märkte zu beruhigen, indem sie ihnen begreiflich machen, dass sie die Opfer von Spekulatoren sind und große Verluste riskieren, wenn sie ihnen folgen. [...] Jetzt ist nicht mehr die Zeit, sich auf den Vertrag von Maastricht zu berufen, der verbietet, einem Mitgliedsstaat der Eurozone zu Hilfe zu kommen. Wenn die Investoren erst einmal die Garantie haben, dass Griechenland nicht untergehen wird, dann beruhigt sich alles wieder."

Dies nennt die rumänischen Nachrichtenwebsite Hotnews.ro die "Isărescu-Methode", benannt nach dem Gouverneur der rumänischen Landesbank, Mugur Isărescu. Im Herbst, so Hotnews, "versprach eine rumänische Bank ihren Kunden, der Leu werde bald abgewertet werden. Die Wochen vergingen, doch der Leu erfüllte die Wünsche der Wetter nicht. Letztendlich erteilten die Kunden der Bank Verkaufsorder und verursachten der besagten Bank dadurch einen massiven Verlust". Die rumänische Landesbank, die diese Befürchtungen nie bestätigt hatte, verbuchte sogar "einen kleinen Gewinn". Die EZB sollte dasselbe tun.

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