Nachrichten Östliche Partnerschaft
Ist der ukrainische Ministerpräsident Wiktor Janukowytsch bloß Putins Marionette?

Europa pokert nicht am Tisch der Großmächte

Die Entscheidung der Ukraine, das Assoziierungsabkommen mit der EU doch nicht zu unterzeichnen, hat auch mit dem Unvermögen der Union zu tun, auf internationaler Bühne politische Signale zu setzen. Und diese Blamage wird nicht die letzte sein.

Veröffentlicht am 27 November 2013
Oliver  | Ist der ukrainische Ministerpräsident Wiktor Janukowytsch bloß Putins Marionette?

Im Jahr 2007, als Julija Timoschenko noch Ministerpräsidentin war, wollte ein Geschäftsmann an einen Vertrag kommen. Er war lange genug in der Region, um zu wissen, dass ohne Schmiergeld dort gar nichts geht. Doch der Deal kam nicht zustande. Grund war, dass Frau Timoschenko, so sagt er, eine riesige Kommission verlangte. „So viel habe ich noch nie jemandem gezahlt. Nicht einmal in Russland.“

In den vergangenen Monaten war Timoschenko, die 2011 von ihrem Vorgänger Wiktor Janukowytsch wegen eben Korruption ins Gefängnis gesteckt wurde, eine Schachfigur um Machtkampf zwischen Russland und der Europäischen Union. Russland hat die Schlacht gewonnen. Europa steht aufgrund seiner internen Streitigkeiten und der kollektiven Orientierungslosigkeit auf verlorenem Posten.

Druck aus Moskau

Beim Gipfel über die Östliche Partnerschaft am 28. November in Vilnius wollte die EU ein „Assoziierungsabkommen“ mit der Ukraine unterzeichnen. Durch eine engere Zusammenarbeit wollte Europa das riesige Land an seinen Außengrenzen stabiler, wohlhabender und sogar demokratischer machen. Das ist im europäischen Interesse. Im Gegenzug sollte die Ukraine unter anderem Frau Timoschenko freilassen.

Russland hingegen wollte den Deal verhindern und die Ukraine in seinem Einflussbereich halten. Darum schuf es eigens eine
Republik Moldau und Georgien stehen auch unter Druck, scheinen sich aber für Europa zu entscheiden.

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[[Geopolitische Machtkämpfe werden heute mit wirtschaftlichen Waffen ausgetragen]]. Die Amerikaner kommen über Amazon und Google weltweit an Informationen über jedermann. Deshalb schließen sie Handelsabkommen, damit diese Firmen Zugang zu den Märkten zu bekommen. Auch China beteiligt sich am Wirtschafts-Poker und kaufen beipielsweise immer mehr Häfen in Europa auf. In Amerika unterliegen Häfen und Wasserwege dem Verteidigungsministerium — ausländische Firmen können da nicht so leicht herankommen. Warum ist es in Europa möglich? Ist das strategisch klug? Und warum gibt es hier keine Debatte darüber?

Niemand spricht mit Putin

Die Antwort ist leider, dass Europa mit 28 Ländern nicht in der Lage ist, eine gemeinsame Politik zu formulieren. So kann es nicht beim Pokerspiel der anderen Großmächte mitmachen. Der Fall Timoschenko veranschaulicht dies. Die Ukraine sitzt in der Klemme. Hätte Russland Schwierigkeiten gemacht, wäre Kiew in Finanznot geraten. Janukowytsch war also nur dann bereit, Julija Timoschenko „zur Behandlung“ in eine deutsche Klinik gehen zu lassen, wenn Europa mit einer Entschädigung für den Verlust des russischen Markts gekommen wäre.

Offiziell konnte Europa nichts bieten: Die korrupte Ukraine erfüllt nicht die EU-Kriterien. Die Hälfte der EU-Länder — die „alte“ EU — sagte: Seien wir flexibel und lasst uns ein wirtschaftliches Arrangement mit Kiew finden. Die andere Hälfte, vor allem die ehemaligen Ostblockländer, weigerten sich. [[Janukowytsch sah diese Zweitracht und begriff, dass er nicht auf Europa zählen kann]]. Bei Gipfeltreffen, so zweimal im Jahr, beschweren sich die europäischen Politiker über die Lage der Menschrechte in Russland, die Visumspolitik und so weiter. Technische Dinge. Regelungen. Das Problem ist — selbstverständlich — politisch. Aber niemand spricht mit Putin darüber. Wenn es auf europäischer Seite keinen Konsens gibt, was haben wir ihm dann zu sagen? Und wer soll es ihm sagen? Ohne eine gemeinsame Außenpolitik wird Europa von einer Blamage zu nächsten stolpern.

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