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Kann Europa dem Kreuzfeuer der Big Tech made in USA standhalten?

Die Großangriffe von Elon Musk und anderen Libertären aus dem Silicon Valley auf die digitalen Vorschriften der EU zur Bekämpfung von Desinformation und Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung in der Big-Tech-Branche haben sich seit der Wiederwahl von Donald Trump und der Ernennung Musks zum Mitglied der US-Regierung verzehnfacht. Welche Handlungsspielräume hat die Europäische Union konkret?

Veröffentlicht am 15 Februar 2025

Die Integrität der Wahlen in Europa sowie die Möglichkeit einer Debatte frei von Desinformation aus dem Ausland werden heute durch die wiederholten Interventionen von Elon Musk, dem Chef des sozialen Netzwerks X, von Tesla und Space X in Frage gestellt, sowie von der chinesischen Plattform TikTok und von Mark Zuckerbergs Unternehmen Meta, zu dessen Tochtergesellschaften Facebook, Instagram, WhatsApp und Threads gehören.

Die amerikanische Kolumnistin Anne Applebaum stellt in The Atlantic fest, dass „TikTok behauptet, das Unternehmen würde keine bezahlte politische Werbung akzeptieren. Meta kündigte im Januar an, dass es die Faktenprüfung auf seinen US-Websites aufgibt, behauptet aber auch, dass es sich weiterhin an die europäischen Gesetze halten wird. Doch selbst vor Zuckerbergs radikalem Politikwechsel waren all diese Versprechen bedeutungslos“, analysiert Applebaum. „Mehrere europäische Länder, darunter das Vereinigte Königreich, Deutschland und Frankreich, haben Gesetze erlassen, um Plattformen mit ihren eigenen Rechtssystemen in Einklang zu bringen, indem sie Unternehmen, die gegen Hassredegesetze verstoßen oder andere illegale Inhalte hosten, mit Geldstrafen belegen. Diese Gesetze sind jedoch umstritten und schwer durchzusetzen“. Tatsächlich, so fährt sie fort, „gibt es auf der Welt nur eine einzige Institution, die groß und mächtig genug ist, um Gesetze zu entwerfen und durchzusetzen, mit denen Tech-Unternehmen dazu gezwungen werden könnten, ihre Politik zu ändern. Zum Teil aus diesem Grund könnte die Europäische Union bald zu einem der wichtigsten Ziele der Trump-Regierung werden.“


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Der im letzten Jahr in Kraft getretene „Digital Services Act (DSA) soll es den Europäerinnen und Europäern ermöglichen, gegen illegale Inhalte und jede Form von Desinformation im Internet vorzugehen, während der Digital Market Act [DMA, die europäische Regelung für Online-Dienste] den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verfolgt“, erklärt Virginie Malingre in Le Monde. Die Brüsseler Korrespondentin der französischen Tageszeitung fügt hinzu: „Die großen Plattformen, die von diesen Texten betroffen sind, riskieren eine Geldstrafe, die im ersten Fall bis zu 6 % ihres weltweiten Umsatzes und im zweiten Fall bis zu 10 % ihres Umsatzes betragen kann. Als letztes Mittel können sie auch gezwungen werden, ihre Aktivitäten auf europäischem Boden zu reduzieren“.

Seit ihrem Inkrafttreten, so erinnert sie, „wurden mehrere Untersuchungen eingeleitet: zehn im Rahmen des DSA, darunter eine gegen X, zwei gegen Facebook und zwei gegen Instagram; sechs im Rahmen des DMA, darunter zwei gegen Alphabet, drei gegen Apple und eine gegen Meta. Bisher wurde nur eine dieser Untersuchungen geschlossen. Sie führte dazu, dass TikTok Lite, das für Jugendliche hochgradig süchtig machend ist, vom Alten Kontinent zurückgezogen wurde.“

Für Malingre hat die Kommission an dieser Front „eine Obsession: unangreifbar zu sein, um dann nicht vor dem EU-Gerichtshof desavouiert zu werden“. Eine Mammutaufgabe, „zumal nur 250 Personen für die Umsetzung von DSA und DMA abgestellt sind, während Google, X oder Meta Tausende von Juristinnen und Juristen beschäftigen“.

„Die EU-Gesetzgebung zielt darauf ab, die Verhandlungsmacht von Einzelpersonen und natürlich auch von Staaten zu erhöhen, denn wir befinden uns heute in einer Situation, in der diese großen Plattformen die Souveränität des Staates fast aushöhlen“, erläutert in einem Interview mit Il Manifesto Carola Frediani. Für die Journalistin, die Expertin für digitale Rechte und Moderatorin der Plattform Guerredirete ist, ist das, „was die EU tut, [...] fast ein Gegenangriff, und seitens der neuen US-Regierung wird es als Aggression gegen die US-Industrie wahrgenommen. Denn die großen sozialen Plattformen, angefangen mit X, sind in der Tat amerikanisch und versuchen, unter Präsident Trump Fuß zu fassen, um dieser europäischen Politik zu entgehen.“

Nach einer Auflistung von Unternehmenden aus dem Silicon Valley, die sich durch ihre konservativen – oder sogar reaktionären – und libertären Positionen hervorgetan haben, stellt Frediani fest, dass „[ihre] etwas eklektischen und widersprüchlichen Visionen eines gemeinsam haben [...], nämlich die Verachtung für die liberale Demokratie, die aus Zwischenkörpern, Gegenkräften und Gesetzen besteht, die den Handlungsspielraum der von diesen Personen kontrollierten Unternehmen einschränken. Und in diesem Sinne handeln sie, Musk wie auch die anderen, um die Europäische Union zu schwächen und ihre wirtschaftlichen und strategischen Interessen zu untergraben.“

Musks Zusammenstöße mit der EU sind unvermeidlich, denn wie György Folk in HVG schreibt, kontrolliert Musk „ein soziales Netzwerk, das dem DSA, der europäischen Regulierung für Online-Dienste, unterliegt; Tesla ist ein wichtiger europäischer Industrieakteur (die Gigafactory der Autofirma in Berlin-Brandenburg Grünheide stellt eine Investition von 4 Milliarden Euro dar); Space X (und das zugehörige Satellitenkommunikationsunternehmen Starlink) erhält Subventionen im Rahmen von EU-Programmen zur Finanzierung der Weltraumforschung“. Es ist daher besonders bedeutsam, dass Elon Musk „einen Teil seines Einkommens ausgibt, um populistische Parteien der extremen Rechten zu finanzieren“, fügt Folk hinzu.

„Aufgabe der Europäischen Union und der nationalen Behörden ist es, in den sozialen Medien Europas Gesetze durchzusetzen“, schreibt seinerseits Caspar Schwietering im Tagesspiegel. „Hass und Hetze dort müssen Konsequenzen haben. Elon Musks X sollten sich die Behörden besonders genau anschauen. Es muss überprüft werden, ob Musk seine Kontrolle über die X-Algorithmen nutzt, um rechtsextremen Positionen mehr Gehör zu verschaffen. Eine solche Manipulation der öffentlichen Meinung darf sich Europa nicht gefallen lassen.“

„Die EU muss die Manipulationsmaschine der großen Technologieunternehmen zerschlagen“, fügt Johnny Ryan in The Guardian hinzu, dafür sollten, „Ursula Von der Leyen und Henna Virkkunen [die EU-Kommissarin für technologische Souveränität, Sicherheit und Demokratie] [...] drei dringende Maßnahmen ergreifen, um die Demokratie zu schützen. Erstens sollten sie die im Rahmen des DSA ergriffenen Maßnahmen gegen Algorithmen, die die politische Debatte entgleisen lassen, radikal beschleunigen. [...] Zweitens, starken politischen Druck auf Irland ausüben, damit es die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) umsetzt, und zwar gegen große Technologieunternehmen. [...] Drittens müssen sich die nationalen Behörden darauf vorbereiten, Maßnahmen gegen die Algorithmen der Big Tech zu ergreifen und sie sogar von ihren Märkten auszuschließen, wenn sie sich widersetzen.“

Haben die europäischen Staats- und Regierungschefinnen und -chefs also die Möglichkeit, etwas gegen diese Sturzwelle zu unternehmen? „Nicht die geringste“, sagt der Experte Rasmus Kleis Nielsen. In den Spalten der dänischen Tageszeitung Politiken erinnert der ehemalige Direktor des Reuters Institute for Journalism Studies an der Universität Oxford daran, dass „obwohl sowohl das Vereinigte Königreich als auch die Europäische Union neue Gesetze im Zusammenhang mit dem digitalen Angebot eingeführt haben und diese als Schutz vor Desinformation und ausländischer Einmischung darstellen, sie der Politik nicht sofort relevante Werkzeuge zur Verfügung stellen. Das kann frustrierend sein, ist aber im Prinzip verständlich. Die Meinungsäußerungsfreiheit schützt sowohl Musks Recht, sich zu äußern, als auch unser Recht, zu lesen, was er sagt, wenn wir das wollen“, fügt er hinzu.

„Und dieses Grundrecht [...] beschränkt sich nicht auf einen ‚korrekten Diskurs‘, sondern schützt auch Diskurse, ‚die schockieren, beleidigen und verstören können‘“. Außerdem, so erinnert Nielsen, „besteht die Herausforderung für die Europäer*innen darin, dass es Zeit braucht, wenn sie die vorhandenen Instrumente nutzen wollen, um Musk zum Schweigen zu bringen. [...] Ein öffentliches Medium von Wladimir Putin zu schließen, wie es die EU 2022 getan hat, ist eine Sache. Das Weiße Haus, den reichsten Mann der Welt und die Kräfte in Europa, die seine Ideen teilen, anzugreifen, ist eine ganz andere“.

Vielleicht, so schließt er, „ist es am Ende die am wenigsten schlechte Option, an die Fähigkeit der Menschen zu glauben, trotz des Sturms, der von allen Seiten bläst, standhaft zu bleiben“.

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ECF, Display Europe, European Union
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