Anhänger des Präsidenten Mehmet Ali Talat im türkisch besetzten Freihafen Famagusta, 29. März 2010.

Europas Phantom wählt

Zyperns Türken wählen am Sonntag ein neues Staatsoberhaupt. Auf dem Spiel steht die Zukunft ihrer international geächteten Republik, dem isoliertesten Flecken in Europa, der zum Dorado von Spielern und Geldwäschern geworden ist. Eine Lösung des Konflikts zwischen dem griechischen und dem türkische Teil der Insel ist nicht in Sicht.

Veröffentlicht am 16 April 2010
Anhänger des Präsidenten Mehmet Ali Talat im türkisch besetzten Freihafen Famagusta, 29. März 2010.

"Geht die Mittelmeerinsel, ein halbes Jahrhundert nach ihrer Unabhängigkeit, einer neuen politischen Eiszeit entgegen, wenn im Norden am Sonntag die Wahlzettel ausgezählt sind", fragt Walter Mayr in seinem Spiegel-Artikel. "Europas Stiefkinder" in Nordzypern, de jure EU-Gebiet, de facto geächtet, wählen und entscheiden über die Zukunft ihrer isolierten Republik. Präsident Mehmet Ali Talat konnte trotz jahrelanger intensiver Verhandlungen mit der griechischen Seite keinen Erfolg vermelden. "Es geht um die Rolle der türkischen Armee, um den Grenzverlauf und Zehntausende Grundstücke, deren Eigentümer im Krieg fliehen mussten."

Tausende Inselgriechen klagten vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Inseltürken können das nicht. Gemeinschaftsrecht ist hier ausgesetzt. "Ihr Land zieht deshalb zunehmend Menschen an, die das Besondere suchen: "einen Schleuser, eine Briefkastenadresse, billige Baugrundstücke mit Meerblick", 30.000 Villen und Apartments sind in den letzten Jahren aus dem Boden gesprossen, Mädchen aus Osteuropa landen in Kiss-me-quick-Clubs. Das alles unter den Augen der türkischen Armee. Angela Merkel hat bei ihrem letzten Ankara-Besuch die EU-Haltung zum leidigen Zypern-Konflikt noch einmal klargemacht: für Konzessionen sei vor allem die Türkei zuständig. Die EU sei wichtig für sein Land, hatte der türkische Europaminister zuvor gesagt, aber "nicht wichtig genug, um Zypern zu opfern".

Aus Lefkoşa

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In Wirklichkeit liegt eine Kompromisslösung für die Zypernfrage im Interesse aller, die heute auf der Insel leben, egal ob es sich dabei um einheimische türkische Zyprer oder aus Anatolien eingewanderte handelt. Zypern ist wie ein großer Kuchen. Wenn keine Lösung für die Blockade gefunden wird, dann steigt die Zahl derjenigen, die ein Stück davon abhaben wollen, ohne dass der Kuchen jedoch größer wird. Und so werden die Stücke immer kleiner, bis sie eines Tages gar nichts mehr darstellen. Und was passiert dann? Dann müssen unsere Mitbürger, die vom Festland gekommen sind und sich mit Mühe und Not über der Armutsgrenze halten, wieder in die Türkei zurückziehen. Denn sobald auf der Insel ein Kompromiss gefunden wird, werden alle zu EU-Bürgern. Und die Türkische Republik Nordzypern (TRNZ) befindet sich dann in einer weitaus besseren Wirtschaftkonjunktur als heute. Der "Kuchen" wird anwachsen und somit auch der Anteil eines jeden. Im heutigen Wahlkontext sollten sich unsere Mitbürger türkischer Herkunft diese Realität zu Gemüte führen und dementsprechend handeln. Sonst könnten sie es eines Tages bereuen. Hasan Hastürer, in Havadis Kibris, Lefkosia (Auszüge)

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