Von Beginn an war die Kommission eine hybride Institution. Und erst mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon konnte sie ihre Beziehungen zum Europäischen Parlament und den Mitgliedsstaaten genauer definieren. Als zuverlässiges Exekutivorgan scheint sich die Kommission gegenwärtig dem Ideal einer wirklichen europäischen Regierung zu nähern. Einziger Haken: Es gibt keinen Verteidigungskommissar. Die Länder der EU haben noch nie eine gemeinsame Verteidigung gewollt. Und es sieht auch nicht danach aus, als trügen sie sich mit der Absicht, eine solche auf die Beine zu stellen.
So erteilte das Europäische Parlament der Kommission Barroso II grünes Licht, ohne dass dies große Überraschung ausgelöst hätte. Ihr Präsident – José Manuel Durrão Barroso – hat gerade seine zweite Amtszeit von fünf Jahren begonnen. Bis Oktober 2014 werden sie zusammenarbeiten. Das Team der 26 Kommissare wurde insgesamt von 488 Stimmen bestätigt (137 stimmten dagegen und 72 enthielten sich).
Die gemeinsame Wahl der wichtigsten Parteien – Konservative, Sozialdemokraten und Liberale – löste heftige Kritik bei den Barroso-Gegnern aus. Diese prangern die unklaren Verhältnisse an, in denen die Kommission gebildet wurde. So bezeichnete der Fraktionsvorsitzende der europäischen Grünen, Daniel Cohn-Bendit, sie als "heuchlerische Koalition", die eine unentschlossene Kommission ohne jede Vision gewählt hat. "Barroso hat diese Kommission ganz nach der Vorstellung gestaltet, dass man zerteilen müsse, um zu regieren", erklärte er. "Die verschiedenen Ressorts hat er verteilt, ohne dabei auf die Kompetenzen der einzelnen Kandidaten zu achten. Noch schlimmer: Er hat die Kommissare, die gute Arbeit geleistet haben, auf andere Posten gesetzt."
Seiner Meinung nach könnten interne Machtstreitigkeiten die neue Exekutive nun auf die Zerreißprobe stellen. Grund dafür ist die unklare Verteilung der verschiedenen Verantwortungsbereiche. Diese Kritik teilen viele andere Abgeordnete, die nur aus Parteitreue für die Kommission gestimmt haben. Ein Beispiel für die unklaren Verhältnisse in Sachen Kompetenzverteilung ist die Außenpolitik der EU. Dort überschneiden sich die Verantwortungsbereiche von drei Kommissaren – Catherine Ashton (Hohe Vertreterin für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik), Kristalina Georgieva (Kommissarin für internationale Zusammenarbeit, humanitäre Hilfe und Krisenschutz) und Barroso selbst.
KONTRA
Geschickt dosiert
So manche Kritik und die verschiedensten Forderungen musste sich José Manuel Barroso anhören. Aber all das gehört zur Funktionsweise eines zunehmend politisierten Parlamentes dazu. Es ist ihm gelungen, ein gutes Gleichgewicht zwischen den wichtigsten politischen Familien Europas, den alten und den neuen Kommissaren, sowie den kleinen und großen Ländern und den neuen und alten Mitgliedsstaaten zu schaffen. Das was anfangs nach vielen Schwierigkeiten aussah – man erinnere sich nur einmal an das Hin und Her, welches seine Bewerbung um eine zweite Amtszeit ausgelöst hatte –, führte er letztendlich zu einem guten Ende. Mit der ihm anerkannten taktischen Geschicklichkeit steuerte Barroso durch den Sturm. Glück hatte er mit der Wahl der europäischen Führungspersonen für die zwei Posten, die mit seinem hätten rivalisieren können. Weder Herman van Rompuy noch Catherine Ashton sind wirklich ernstzunehmende Gegner, die ihn in den Schatten stellen könnten. Zumindest nicht im Moment.Nun verfügt er über alle Möglichkeiten, um der Kommission wieder zu der führenden Rolle zu verhelfen, die sie im Laufe seines vorherigen Mandates nach und nach eingebüßt hat. Nun hat er keine Ausreden mehr. Nun muss er nicht mehr irgendjemandem gefallen. Nicht mehr er, sondern Rompuy ist nun für den Konsens innerhalb des Europäischen Rates verantwortlich. In Zukunft wird sich zeigen, ob er ein ebenso geschickter Stratege wie Taktiker ist. Für Europa ist dies zu hoffen. Público (Auszüge)