Katarzyna Duda hat Rechts- und Politikwissenschaften an der Universität Oppeln studiert und ist Autorin des Buches Kiedyś tu było życie, teraz jest tylko bieda („Früher gab es hier Leben, jetzt gibt es nur noch Armut“, 2019, nicht ins Deutsche übersetzt), in dem sie sich mit den gescheiterten sozioökonomischen Transformationen in Polen beschäftigt. Außerdem arbeitet sie in der Abteilung für Sozialpolitik des polnischen Gewerkschaftsdachverbandes OPZZ. Ihr Buch KORPO. Jak się pracuje w zagranicznych korporacjach w Polsce über die Arbeitsbedingungen in ausländischen Großunternehmen in Polen (nicht ins Deutsche übersetzt) ist 2022 erschienen.
Emilia Konwerska: Als ich mit Ihrem Buch begann, hatte ich etwas ganz anderes erwartet. Die Corporate-Gesellschaft, die mir vorschwebte, war die von Mordor [Geschäftsviertel von Warschau, benannt nach dem Werk von J. R. R. Tolkien, Anm. d. Ü.], mit schönen Anzügen, anstrengenden, aber gut bezahlten Jobs im Stadtzentrum. Wir kennen Bullshit Jobs von David Graeber und entdecken dennoch eine völlig andere Geschichte. Sie sprechen von Amazon-Mitarbeitern, Kurieren... warum?
Katarzyna Duda: Ich würde meine Gesprächspartner in zwei Gruppen einteilen. Über die ersten habe ich bereits in meinem Buch Kiedyś tu było życie, teraz jest tylko bieda („Früher gab es hier Leben, jetzt gibt es nur noch Armut“) gesprochen. Sie sind in der Regel zwischen 40 und 60 Jahre oder älter, sie kommen aus kleinen Städten und haben in ihrer Region keine Arbeitsmöglichkeiten. In einem ausländischen Großunternehmen zu arbeiten bedeutet für sie keinesfalls den Mindestlohn zu verdienen: Sie verdienen dort 3.000 Zloty [ca. 677 Euro, also 67 Euro mehr als der Mindestlohn, Anm. d. Ü.], und das ist alles. Diese Menschen pendeln oft zwei Stunden, nur um zur Arbeit zu kommen.
Aber sie haben keine andere Wahl?
Doch aber die einzige Wahl, die sie haben, ist nicht zu arbeiten. Die zweite Gruppe sind Studenten oder junge Studienabsolventen, die denken, dass es sich nur um eine vorübergehende Beschäftigung handelt. Sie müssen ihr Studium bezahlen und Berufserfahrung sammeln. Diese Personen arbeiten in untergeordneten Positionen, z. B. in Callcentern. Sie geben Auskunft über Management und Bezahlung oder lösen technische Probleme ausländischer Kunden.
Diese Menschen glauben, dass sich ihr Schicksal bald ändern wird und sie dafür noch etwas weiter schuften müssen. Das ist aber nur eine Illusion, denn in Wirklichkeit bleiben sie viel länger, weil sie einen Kredit aufnehmen müssen oder anderen Zwängen unterliegen. Bei der Wahl ihres Firmensitzes suchen ausländische Unternehmen oft nach einer Studentenstadt, in der die Leute Fremdsprachen beherrschen, halb Europa bedienen können und in Zloty statt in Euro oder Dollar bezahlt werden können.
Fast alle meine Freunde arbeiten bei der Citibank in Olsztyn. Menschen unterschiedlichen Alters mit unterschiedlichen Ausbildungen: Medienstudenten, Rechtsanwälte, Menschen mit Abitur... Manchmal habe ich den Eindruck, dass diese Unternehmen die größten Arbeitgeber in diesem Land sind. Ich frage mich, wie viele Menschen in Polen dort arbeiten.
Seit den 1980er Jahren und der Finanzialisierung der Wirtschaft haben uns die Akteure der Finanzwirtschaft gelehrt, dass sich hinter jeder Gesetzeslücke eine kurzfristige Gewinnmöglichkeit verbirgt. All das und mehr diskutieren wir mit unseren Investigativ-Journalisten Stefano Valentino und Giorgio Michalopoulos. Sie haben für Voxeurop die dunklen Seiten der grünen Finanzwelt aufgedeckt und wurden für ihre Arbeit mehrfach ausgezeichnet.
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