Daniel Morar zur seiner Zeit als Vorsitzender des Nationalen Antikorruptionsgerichts in Rumänien

Gescheitert im Kampf gegen die Korruption

Anstatt ein Ehrenamt anzunehmen, ist Rumäniens Chef im Kampf gegen die Korruption mit Pauken und Trompeten von seinem Posten im Obersten Gerichtshof zurückgetreten, um so gegen die Einflussnahme der Politik bei der Bennenung hoher Beamter zu protestieren. Eine Praxis, die dazu führte, dass Rumäniens Beitritt zum Schengen-Raum verschoben wurde.

Veröffentlicht am 12 April 2013 um 15:37
Daniel Morar zur seiner Zeit als Vorsitzender des Nationalen Antikorruptionsgerichts in Rumänien

Dass Daniel Morar seinen Posten als Beigeordneter des Generalstaatsanwaltes am Obersten Gerichtshof am 5. April aufgegeben hat, hat viele aufgeregt. Was die Menschen wütend gemacht hat, war nicht der Rückzug an sich - ganz im Gegenteil, darüber war der Eine oder Andere gar nicht so unglücklich - sondern die Art und Weise, wie er gegangen ist: indem er die öffentlich ausgetragenen politischen Verhandlungen zwischen Präsident Traian Băsescu [rechts] und Premierminister Victor Ponta [Mitte-links] zur Ernennung der Generalstaatsanwälte [bei der Staatsanwaltschaft und an der Spitze der Nationalen Anti- Korruptionsbehörde DNA] offen kritisiert hat. Viele hätten erwartet, dass er den Kuhhandel Ponta-Băsescu einfach stillschweigend hinnimmt, vor allem nachdem der Präsident ihn als Richter ans Verfassungsgericht berufen hatte.

Ein Vollblut-Staatsanwalt

Morar, der ehemalige Leiter der Anti-Korruptionsbehörde DNA aber, fühlt sich niemandem verpflichtet, sondern frei, seinen Beruf mit allen Konsequenzen auszuüben. „Băsescus Mann”, wie er von seinen Kritikern bezeichnet wurde, begann seine Karriere mit dem Widerstand gegenüber dem Präsidenten in einer Affäre, die als „die Flotte” bekannt wurde [es ging dabei um Veruntreuung von Geldern, wobei gegen mehrere Personen ermittelt wurde, vor allem im Zusammenhang mit dem buchstäblichen und formellen Verschwinden von 16 großen rumänischen Öltankern in den 1990er Jahren; Traian Băsescu war damals Unter-Staatssekretär im Verkehrsministerium]. Und nun endet seine Karrier wiederum mit einer Absage an die Machthaber.

Er hat das System nach acht Jahren verlassen, in denen er zahlreiche Ermittlungen geleitet hat [ab dem 15. April arbeitet er als Berater des Präsidenten des Obersten Justizrates] und beweist damit einmal mehr, dass er genau so war, wie er beschrieben wurde: ein Vollblut- Staatsanwalt.

Ich habe Daniel Morar persönlich kennen gelernt, kurz bevor er die Leitung der Anti-Korruptionsbehörde (DNA) übernommen hat. Das war im Sommer 2005. Die damalige Justizministerin Monica Macovei hatte mich angerufen und mich gebeten, jemanden zu treffen, den sie gern für die Leitung der Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft vorschlagen möchte, der Vorgängerinstitution der DNA. Ich sagte zu und wir trafen uns zu Dritt irgendwo in der Nähe des Athenäums.

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Klar und ohne Umschweife

Ich kann mich nur noch daran erinnern, dass er wenig und leise sprach, mit einem starken Akzent aus Klausenburg [eine Stadt in Siebenbürgen] und dass sein Gesicht seltsam blass war. Ich kann den Inhalt unseres zweistündigen Gesprächs nicht mehr genau rekonstruieren. Aber ich weiss noch, was ich Frau Macovei geantwortet habe, als sie mich fragte, was ich über ihn denke. Ich antwortete ihr halbherzig: „Er wäre in der Lage, dich sofort zu verhaften, wenn er dich dabei erwischen würde, gegen das Gesetz zu verstoßen”.

Dieser zartgliedrige Mann aus Siebenbürgen, geboren in der Stadt Luduş, wo er in einer einfachen Familie aufwuchs, machte stets eine ernste Mine. Er ging auf die vierzig zu. Von ihm ging eine seltsame Kraft aus und er beendete seine Sätze immer etwas abrupt. Sein Blick war stechend, seine Sprache klar und ohne Umschweife.

Als Morar zum Leiter der DNA berufen wurde, sprach der amerikanische Botschafter in Bukarest, Mark Gitenstein unverzüglich und wiederholt öffentlich seine Bewunderung für ihn aus. Der Botschafter, ein studierter Jurist, sagte anlässlich eines Besuchs des Generalstaatsanwaltes des Bundesstaates Delaware und Sohn des Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten, Beau Biden, im State Department sei man voll des Lobes für diesen „Vollblutstaatsanwalt”. Gitenstein selbst nannte ihn einen „Staatsanwalt per definitionem”. Ich halte diese für die kürzeste und beste Beschreibung dieses Mannes. Morar verkörpert den strengen Staatsanwalt, der sich voll und ganz für seinen Beruf aufopfert.

Das ganze Ausmass der Korruption

Die Verurteilung zu einer Haftstrafe des ehemaligen Premierministers Adrian Năstase- in dessen Amtszeit nicht nur große Ermittlungsverfahren undenkbar schienen, sondern auch zu gewissenhafte Staatsanwälte entlassen wurden, um ein Exempel zu statuieren - hat den Mythos der Straffreiheit zerstört, der so tief im kollektiven politischen Gedächtnis Rumäniens verankert war, dass danach eine Panikwelle ausbrach.

Unter Daniel Morar hat die DNA alle gesellschaftlichen Schichten Rumäniens, die von Korruption befallen waren ordentlich aufgemischt: Regierung, Parlament, lokale Verwaltung, Justiz, Polizei, Zoll, Sport. In mehreren Fällen ist es gelungen, die Netzwerke der wie eine Krake wuchernden Korruption zu zerschlagen (Dossier der Zollbeamten), wodurch das Ausmass des Phänomens sehr gut beschrieben wird.

Rumänien hat recht wenige einflussreiche Persönlichkeiten hervorgebracht, die in der Lage gewesen wären, die Denkweise und das System zu verändern, dem enormen Druck standzuhalten und schlussendlich ihre Glaubwürdigkeit und Integrität zu bewahren. Nur wenige rumänische Schlüsselpersönlichkeiten haben es vermocht, die Institutionen, in denen sie gewirkt haben, zum Besseren zu verändern, sie funktionsfähig zu machen, effizient und des Respektes würdig. Daniel Morar war einer von ihnen.

Ein ständisch organisiertes „Ancien Regime”

Wird die politische Klasse jedweder Couleur wieder den selben „Fehler” begehen und ein derart wichtiges Gegengewicht im Staat einfach dem Zufall überlassen, was es auch frei denkenden Menschen ermöglichen würde, diese Macht auszuüben? Das erscheint unwahrscheinlich. Zu viele Geschäftsleute, hochgestellte Politiker und andere einflussreiche Persönlichkeiten haben die Erfahrung gemacht, dass, wenn es keine offiziell als korrupt eingestuften Netzwerke gibt und keine vertrauenswürdigen Personen Schlüsselpositionen in der Justiz bekleiden, sie sich ihrer Straffreiheit sicher sein können. Für sie, die es gewohnt sind immer über dem Gesetz zu stehen, bedeutet die Präsenz von Menschen wie Morar plötzlich mit den Normalsterblichen gleich gestellt zu werden. Eine Wiederholung dieses „Fehlers” würde das definitive Ende des ständisch organisierten „Ancien Regime” bedeuten, das unterscheidet zwischen ihnen und den anderen, zwischen denen da oben und denen da unten.

Die westlichen Diplomaten aus Washington und London sind rasch zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die Ernennung neuer Generalstaatsanwälte [durch eine politische Absprache] vorbehaltslos zu unterstützen sei, damit die Übergangslösung, die nun schon ein Jahr lang dauert, endlich beendet werden kann. Aber zu glauben, dass es in Rumänien nicht von Bedeutung ist, wer eine Institution leitet - und ein System beweist seine Widerstandskraft am besten bei einem Regimewechsel - ist ein großer Irrtum. Diese typisch westliche Denkweise herrscht bei den eingefahrenen Demokraten immer noch vor. In Rumänien mangelt es an Mechanismen für die Überprüfung und Kontrolle, die Gleichgewicht ins System bringen und sicherstellen, dass die Institutionen funktionieren, unabhängig davon, wer sich an ihrer Spitze befindet. Wenn dort fähige Leute sitzen, die einen klaren Reformwillen haben, dann verändern sich die Dinge in Rumänien. Andernfalls folgt die Restauration. Und nach 23 Jahren Demokratie habt ihr es nicht geschafft, etwas Ernsthafteres vorzuweisen? Nein, leider.

Bukaretst Entgleisungen

Mit mittelmäßigen oder schwachen Staatsanwälten ist es für jemanden aus dem Westen sehr leicht erkennbar, wo der Fehler steckt. [...] Mit einer ähnlichen Art von Verständnis wurde jahrelang mit den Entgleisungen Budapests umgegangen, bis zum heutigen Zeitpunkt, wo man nichts mehr rückgängig machen kann. Somit hat das Nachbarland Rumäniens schon seit geraumer Zeit nun die rote Linie der Demokratie überschritten.

Schlussendlich hat die Europäische Kommission angekündigt, die jüngsten Entgleisungen aus Bukarest weiterhin im Auge behalten zu wollen. So steht es im letzten Bericht über den Kooperations- und Überprüfungsmechanismus, wo die Notwendigkeit eines transparenten Auswahlverfahrens für neue Generalstaatsanwälte anhand von messbaren Kriterien und Leistungen vorgeschlagen wird.

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