Griechenland pokert zu hoch

Griechenlands Regierungschef will den Rettungsplan für sein Land einer Volksabstimmung unterziehen. Das ist gefährlich und verantwortungslos, klagt der Figaro.

Veröffentlicht am 2 November 2011 um 13:25

Wird Europa eines Tages das griechische Gift bezwingen können? Vielleicht, aber ohne Giorgos Papandreou, der mit unverständlichem Leichtsinn entschieden hat, die Zukunft seines Landes und der Europäischen Union aufs Spiel zu setzen und zu pokern: Die Griechen sollen über den europäischen Plan zur Rettung des Landes per Referendum entscheiden, entschied er, ohne mit irgendjemandem Rücksprache gehalten zu haben. Der rigorose Sparkurs, der den Griechen auferlegt wird, lässt kaum Zweifel über den Ausgang der Abstimmung aufkommen. Und Europa muss sich aufs Schlimmste gefasst machen.

Was immer jetzt auch in Athen geschehen möge, das Manöver des griechischen Ministerpräsidenten, der eher aus innenpolitischem Kalkül denn als verantwortungsvoller, europäischer Staatsmann handelt, wird unauslöschliche Spuren hinterlassen. Der “europäische Plan der letzten Chance”, der auf dem letzten Drücker nach zähen Verhandlungen und unter großen finanziellen Opfern unterzeichnet wurde, wurde extrem geschwächt. Bleibt zu hoffen, dass er nicht endgültig gesprengt wurde.

Die Folgen des griechischen Rückziehers machen sich bereits bemerkbar. Auf den Finanzmärkten herrscht schiere Panik und die Krise weitet sich auf die anderen schwachen Mitglieder der Eurozone aus. Denn derzeit kann niemand sagen, ob die “Firewall”, die Europa vor einem Flächenbrand bewahren soll — Schuldenschnitt von fünfzig Prozent für Griechenland, Aufstockung des Rettungsschirms, Schaffung eines zweiten, von Schwellenländern finanzierten Fonds — überhaupt umgesetzt werden kann, trotz aller Beteuerungen aus Paris und Berlin.

Griechenland hat sich selbst ins europäische Abseits befördert. Dem Land, welches sich mit gefälschten Haushaltsbilanzen in die Euro-Zone hineingeschummelt hat und das für seine laxe Steuerpolitik berüchtigt ist, wurde bereits zweimal von den europäischen Partnern geholfen. Im Namen der höheren Interessen Europas haben die Partner ihre Bürger brüskiert und trotz leerer Kassen Schecks für Athen ausgestellt. Diesmal ist das Maß voll. Die jüngste Farce aus Athen hat Griechenland definitiv diskeditiert. Das Land steuert mit Riesenschritten dem Austritt aus der Eurozone zu. Und der mitverantwortliche Komplize hierbei heißt Giorgos Papandreou.

Das Beste vom europäischen Journalismus jeden Donnerstag in Ihrem Posteingang!

Aus dem Französischen von Jörg Stickan

Tags
Interessiert an diesem Artikel? Wir sind sehr erfreut! Es ist frei zugänglich, weil wir glauben, dass das Recht auf freie und unabhängige Information für die Demokratie unentbehrlich ist. Allerdings gibt es für dieses Recht keine Garantie für die Ewigkeit. Und Unabhängigkeit hat ihren Preis. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um weiterhin unabhängige und mehrsprachige Nachrichten für alle Europäer veröffentlichen zu können. Entdecken Sie unsere drei Abonnementangebote und ihre exklusiven Vorteile und werden Sie noch heute Mitglied unserer Gemeinschaft!

Sie sind ein Medienunternehmen, eine firma oder eine Organisation ... Endecken Sie unsere maßgeschneiderten Redaktions- und Übersetzungsdienste.

Unterstützen Sie den unabhängigen europäischen Journalismus

Die europäische Demokratie braucht unabhängige Medien. Voxeurop braucht Sie. Treten Sie unserer Gemeinschaft bei!

Zum gleichen Thema